Kolbe, Fritz
- Lebensdaten
- 1900–1971
- Geburtsort
- Berlin
- Sterbeort
- Bern
- Beruf/Funktion
- Konsularbeamter ; Widerstandskämpfer ; Beamter ; Diplomat ; Volkswirt ; Widerstandskämpfer
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 121074374 | OGND | VIAF: 47608761
- Namensvarianten
-
- Kolbe, Fritz Albert Karl
- George Wood
- Kolbe, Fritz
- Kolbe, Fritz Albert Karl
- George Wood
- Wood, George
- Colbe, Fritz
- Colbe, Fritz Albert Carl
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Kolbe, Fritz Albert Karl
Deckname: George Wood
1900 – 1971
Konsularbeamter, Widerstandskämpfer
Als Beamter im deutschen Auswärtigen Dienst verriet Fritz Kolbe seit Juni 1943 aus Abneigung gegen den NS-Staat politische und militärische Geheimnisse an den US-Geheimdienst. Kolbe, dem nach 1945 die Rückkehr in den Auswärtigen Dienst verwehrt wurde, wird heute als einer der wenigen widerständigen Diplomaten geehrt.
Lebensdaten
Geboren am 25. September 1900 in Berlin Gestorben am 16. Februar 1971 in Bern Grabstätte Evangelischer Luisenkirchhof III in Berlin Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Martin Kröger (Berlin)
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Zitierweise
Kröger, Martin, „Kolbe, Fritz“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/121074374.html#dbocontent
Kolbe besuchte die Borsig-Realschule in Berlin-Kreuzberg, wo er 1917 das Einjährigen-Examen bestand. Nach kurzer Tätigkeit in Wolffs Telegraphischem Bureau wurde er von August bis Dezember 1918 zum Militärdienst eingezogen und begann danach eine Ausbildung im mittleren Dienst der Reichsbahnverwaltung, die er im Januar 1922 mit der Prüfung zum Eisenbahnobersekretär abschloss. Anschließend übernahm er bis 1925 die Leitung der Güterabfertigung in Berlins Schlesischem Bahnhof. Parallel zu seiner Ausbildung bereitete sich Kolbe in Abendkursen auf das Abitur vor, das er im März 1920 ablegte. Sein 1921 begonnenes Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität und Handelshochschule in Berlin beendete er 1923 ohne Abschluss.
Am 23. Februar 1925 wurde Kolbe in den Auswärtigen Dienst berufen und nach seiner Prüfung zum Konsulatsdiätar an die deutsche Botschaft in Madrid entsandt, wo er 1926 zum Konsulatssekretär befördert wurde. Unterbrochen von einer kurzen Tätigkeit beim deutschen Konsulat in Sevilla 1930/31 blieb er zehn Jahre in Spaniens Hauptstadt. Jeweils nur kurz waren seine anschließenden Verwendungen an der Botschaft Warschau (Januar–März 1936), in der Personal- und Verwaltungsabteilung des Auswärtigen Amts in Berlin (1936/37), an der Gesandtschaft in Lissabon (Mai/Juni 1937), im Amerikareferat und in der Inlandsabteilung des Auswärtigen Amts (Juni 1937–Februar 1938) sowie am Konsulat in Kapstadt (1938/39).
Nach seiner Rückkehr nach Berlin übernahm Kolbe im Sommer 1940 das Sekretariat des Botschafters Karl Ritter (1883–1968), der alle mit dem Zweiten Weltkrieg zusammenhängenden Wirtschaftsfragen sowie die militärischen Fragen von außenpolitischer Bedeutung bearbeitete. Ritter war zudem der Verbindungsmann des Auswärtigen Amts zum Oberkommando der Wehrmacht. Fortan liefen viele Schriftstücke über Kolbes Schreibtisch, die ihm militärische und politische Geheimnisse offenbarten. Nach erfolglosen Kontaktversuchen zum britischen Geheimdienst übergab Kolbe seit Juni 1943 unter dem Decknamen George Wood während mehrerer Dienstreisen in die Schweiz dem Agenten des US-amerikanischen Nachrichtendienstes Office of Strategic Services (OSS) und späteren CIA-Chef Allen Dulles (1893–1969) zahlreiche geheime Unterlagen. Diese umfassten u. a. geheimdienstliches Wissen der Deutschen über die alliierte Kriegsführung, Informationen von der Ostfront und über den französischen Widerstand sowie Einzelheiten wie die Lage von Adolf Hitlers (1889–1945) Hauptquartier in Ostpreußen und Berichte über die Stimmung in der Bevölkerung. Da die US-amerikanische Regierung befürchtete, Falschinformationen aufzusitzen, blieben die Mitteilungen folgenlos. Kolbes Motive lagen in der tiefen Abneigung gegen den totalitären Nationalsozialismus; sein Handeln zielte darauf ab, das NS-Regime so zu schwächen, dass Deutschland von den westlichen, demokratischen Mächten befreit werden würde.
Nach Kriegsende wurde Kolbe bis 1948 von der US-amerikanischen Militärregierung als Übersetzer und Fahrer beschäftigt, arbeitete anschließend u. a. als Kaufmann in Zürich und ließ sich 1949 in Frankfurt am Main nieder. Seit 1954 arbeitete er als Vertreter eines US-Werkzeugherstellers. Eine Bewerbung für den Auswärtigen Dienst wurde abgelehnt, Kolbe erhielt aber eine hohe Beamtenpension. 2004 wurde er im Auswärtigen Amt durch die Benennung eines Saales geehrt. Kolbe war der einzige Spion, den das OSS in einer deutschen Regierungsbehörde hatte. Ungeklärt ist, ob er über seine zweite Ehefrau und den Berliner Chirurgen Ferdinand Sauerbruch (1875–1951) Kontakte zu weiteren Widerstandskreisen hatte.
16.6.1935 | Ehrenkreuz für Kriegsteilnehmer |
2004 | Fritz-Kolbe-Saal, Auswärtiges Amt, Berlin |
Nachlass:
Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin, NL 148.
Weitere Archivmaterialien:
Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin, P1/7 680, 7 681 und P14/5 1723. (Personalakten)
Edward P. Morgan, The Spy the Nazis Missed, in: True. The Man’s Magazine 27 (1950), S. 21–23 u. 98–108, dt. u. d. T. Das Doppelspiel des Diplomaten, in: Weltwoche v. 19.1.–23.2.1951.
Anthony Quibble, Alias George Wood, in: Studies in Intelligence 10 (1966), Nr. 1.
Hansjakob Stehle, Fritz Kolbe, vergessen und verkannt. Ein Mensch, allein mit seinem Gewissen, in: Die Zeit, Nr. 19 v. 2.5.1986, S. 33–36.
Barbara Ungeheuer, Amerikanische Erinnerungen an Fritz Kolbe. Ein urdeutscher Typ, in: ebd., S. 36.
Axel Frohn, Hans Michael Kloth. Der Bote aus Berlin, in: Der Spiegel, Nr. 37 v. 10.9.2001, S. 220–222.
Greg Bradsher, A Time to Act. The Beginning of the Fritz Kolbe Story. 1900–1943, in: Prologue Magazine 34 (2002), Nr. 1.
Lucas Delattre, Fritz Kolbe. Un espion au cœur du IIIe Reich, 2003, dt. u. d. T. Fritz Kolbe. Der wichtigste Spion des Zweiten Weltkriegs, 2004.
Nigel West, Fritz Kolbe and Allen Dulles. Masterspies?, in: International Journal of Intelligence and Counterintelligence 19 (2006), S. 756–761.
Lucas Delattre, Einsamer Widerständler und Spion im Auswärtigen Amt, in: Jan Erik Schulte/Michael Wala (Hg.), Widerstand und Auswärtiges Amt. Diplomaten gegen Hitler, 2013, S. 70–80.
Dokumentarfilm:
Der ungeliebte Patriot. Fritz Kolbe. Spion gegen Hitler, Buch und Regie: Reinhard Joksch (geb. 1965), Rundfunk Berlin Brandenburg/arte, 2007.
Roman:
Andreas Kollender, Kolbe, 2015.
Fotografien, 1924–1948, Bildersammlung des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts, Berlin.