Kogon, Eugen
- Lebensdaten
- 1903 – 1987
- Geburtsort
- München
- Sterbeort
- Königstein im Taunus
- Beruf/Funktion
- Publizist ; Politikwissenschaftler ; Hochschullehrer ; Schriftsteller ; Politologe
- Konfession
- römisch-katholisch
- Normdaten
- GND: 118713566 | OGND | VIAF: 56612025
- Namensvarianten
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- Kogon, Eugen
- Kogon, Eugen M.
- Cogon, Eugen
- Cogon, Eugen M.
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- August Bender (1909–2005)
- Engelbert Dollfuß (1892–1934)
- Ernst-Otto Czempiel (1927–2017)
- Joseph Eberle (1884–1947)
- Klaus Dohrn (1909–1979)
- Konrad Adenauers (1876–1967)
- Kurt Schuschnigg (1897–1977)
- Othmar Spann (1878–1950)
- Peter Graf von Kielmansegg (geb. 1937)
- Walter Dirks (1901–1991)
- Werner Hilpert (1897–1957)
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Kogon, Eugen
1903 – 1987
Publizist, Politikwissenschaftler
Eugen Kogon zählte zu den bedeutendsten Intellektuellen der Bundesrepublik. In der Zwischenkriegszeit Verfechter einer konservativen katholischen Weltsicht, wandelte sich seine politische Einstellung in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Nach 1945 wurde er mit Walter Dirks (1901–1991) zu einem führenden Vertreter des Linkskatholizismus.
Lebensdaten
Geboren am 2. Februar 1903 in München Gestorben am 24. Dezember 1987 in Königstein im Taunus Konfession römisch-katholisch -
Autor/in
→Björn Höfer (Berlin)
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Zitierweise
Höfer, Björn, „Kogon, Eugen“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118713566.html#dbocontent
Über die leiblichen Eltern Kogons ist nur wenig bekannt. Seine Mutter war Jüdin und verließ das Kind wenige Tage nach der Geburt. Der wahrscheinliche Vater, ein russischer Diplomat, hat seinen Sohn nie gesehen. Kogon kam in eine katholisch geprägte Pflegefamilie und besuchte die Stiftsschule in Schweiklberg und die Dominikanerschule St. Thomas in Vechta. Nach dem Abitur 1922 begann er in München ein Studium der Soziologie, das er 1925 abschloss. Daraufhin ging Kogon für ein Jahr nach Florenz und setzte anschließend seine Studien in Wien fort, wo er den Nationalökonomen und Vordenker des österreichischen „Ständestaats“ Othmar Spann (1878–1950) kennenlernte, bei dem er 1927 mit der Studie „Faschismus und Korporativstaat“ zum Dr. rer. pol. promoviert wurde.
Anschließend schlug Kogon eine journalistische Laufbahn ein und publizierte erste Artikel in katholischen Zeitungen und Magazinen. 1928 wurde er Redakteur und einige Jahre später stellvertretender Schriftleiter der von Joseph Eberle (1884–1947) herausgegebenen katholischen Wochenschrift „Schönere Zukunft“, die ein konservatives Publikum ansprach und die meisten Leser im Deutschen Reich hatte. Anfangs v. a. für Kulturthemen verantwortlich, schrieb Kogon bald zu politischen und gesellschaftlichen Fragen. In dieser Zeit unterstützte er die staatsautoritären und antisozialistischen Tendenzen der österreichischen Regierungen unter Engelbert Dollfuß (1892–1934) und Kurt Schuschnigg (1897–1977).
1934 verließ Kogon die „Schönere Zukunft“, versuchte sich in Wien erfolglos als Publizist und begann im selben Jahr als Vermögensverwalter des Adelsgeschlechts Sachsen-Coburg-Cohary zu arbeiten. In der Folgezeit entwickelte er eine zunehmend kritische Distanz zum „Dritten Reich“, verurteilte den Nationalsozialismus v. a. aufgrund von dessen Gegnerschaft zum Katholizismus öffentlich und unterstützte Regimekritiker finanziell, darunter den klerikal-konservativen Publizisten Klaus Dohrn (1909–1979). Infolgedessen geriet Kogon in den Tagen des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich in Gefahr. Am 11. März 1938 versuchte er, in die Tschechoslowakei zu fliehen, wurde aufgegriffen und in ein Wiener Gefängnis gebracht.
Seit September 1938 Häftling im Konzentrationslager Buchenwald, arbeitete Kogon hier als Schreiber des Lagerarztes, SS-Sturmbannführer August Bender (1909–2005), und erhielt im Zuge dieser Tätigkeit umfassende Einblicke in das Lagerleben. Während der Haft baute er Verbindungen zu anderen politischen Gefangenen auf, v. a. aus dem Kontext des christlichen Widerstands. Eine Freundschaft verband ihn zu dem ehemaligen Zentrumspolitiker und späteren hessischen Finanzminister Werner Hilpert (1897–1957).
Als das Konzentrationslager Buchenwald am 11. April 1945 von US-amerikanischen Truppen befreit wurde, erhielt Kogon den Auftrag, einen Bericht über seine dortigen Erfahrungen zu schreiben. Dieser Bericht bildete die Grundlage von Kogons erstmals 1946 publizierter Studie „Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager“, die in den folgenden Jahrzehnten in mehreren hunderttausend Exemplaren große Verbreitung fand und in dieser Ausführlichkeit zum ersten systematisierten Bericht über die Zustände in den deutschen Konzentrationslagern wurde. In der Folgezeit galt Kogon als einer der wichtigsten Experten in den Prozessen über die Verbrechen des Nationalsozialismus; in den späten 1940er Jahren erhielt er aus ganz Deutschland Anfragen und Vorladungen von Staatsanwaltschaften und Gerichten, um über die Zustände und Abläufe eines Konzentrationslagers zu berichten.
Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs zog Kogon in den Taunus und wirkte an der Gründung der Frankfurter CDU mit, in der Hilpert zu einer führenden Figur wurde. Kogon hatte bedeutenden Einfluss auf die Erstellung früher, oft noch weit links stehender programmatischer Texte, v. a. auf die „Frankfurter Leitsätze“ vom September 1945, die u. a. einen „wirtschaftlichen Sozialismus auf demokratischer Grundlage“ forderten und sich an der Idee eines „christlichen Sozialismus“ orientierten, der für große Teile der frühen CDU noch eine zentrale Forderung war.
Bereits 1946 beendete Kogon die politische Parteiarbeit, um sich auf seine journalistische und publizistische Karriere zu konzentrieren. Mit Walter Dirks (1901–1991) gründete er 1946 die „Frankfurter Hefte“, die zu einem der zentralen Blätter über Politik und Gesellschaft der frühen Bundesrepublik avancierten. Kogon trat darin als Kritiker der Regierung Konrad Adenauers (1876–1967) hervor, deren Bekenntnis zu Wiederbewaffnung und wirtschaftsfreundlicher Politik er vehement ablehnte. In der Folgezeit näherte er sich immer mehr dem Kurs der SPD.
Von 1949 bis 1954 Präsident der Europa-Union, die sich für einen europäischen Bundesstaat stark machte, war Kogon ein bedeutender Protagonist der frühen Europäischen Bewegung, obschon er mehrfach an den Sitzungen des Präsidiums nicht teilnehmen konnte. Als der Verband 1954 in ernste Finanzschwierigkeiten geriet, verzichtete Kogon auf sein Amt. Von 1951 bis 1953 amtierte er zudem als Präsident des Deutschen Rats der Europäischen Bewegung, einem Verband proeuropäischer Initiativen.
Von 1951 bis zu seiner Emeritierung 1968 war Kogon Inhaber des neu gegründeten Lehrstuhls für Wissenschaftliche Politik an der Technischen Hochschule Darmstadt. Mehrere seiner Assistenten, darunter Ernst-Otto Czempiel (1927–2017) und Peter Graf von Kielmansegg (geb. 1937), erhielten später Professuren. Neben seiner Lehrtätigkeit baute sich Kogon in Presse und Fernsehen eine erhebliche Medienpräsenz auf. Seit Anfang 1964 arbeitete er als Redaktionsleiter, dann als Moderator des ARD-Magazins „Panorama“, beendete dieses Engagement jedoch bereits 1965. Auch im Ruhestand publizistisch aktiv, verlebte Kogon seine letzten Lebensjahre in Königstein im Taunus.
1950 | Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt |
1967–1969 | Vorsitzender der Vereinigung deutscher Politikwissenschaftler |
1982 | Hessischer Kulturpreis |
2002 | Eugen-Kogon-Preis der Stadt Königstein im Taunus |
Nachlass:
Archiv der sozialen Demokratie, Bonn.
Weitere Archivmaterialien:
Archiv der sozialen Demokratie, Bonn, 1/WDAC (Nachlass Walter Dirks); 4/EUUD (Unterlagen der Europa-Union Deutschlands).
Briefe:
Lieber Vati! Wie ist das Wetter bei Dir? Erinnerungen an meinen Vater Eugen Kogon. Briefe aus dem KZ Buchenwald, hg. v. Michael Kogon, 2014.
Monografien und Herausgeberschaften:
Faschismus und Korporativstaat, 1927. (Diss. rer. pol.)
Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, 1946, 3. erw. Aufl. 1948, 4., vollst. überarb. u. erw. Aufl. 1958, 5. erw. Aufl. 1959, 462015.
Die unvollendete Erneuerung. Deutschland im Kräftefeld 1945–1963. Politische und gesellschaftspolitische Aufsätze aus zwei Jahrzehnten, 1964.
Die Stunde der Ingenieure. Technologische Intelligenz und Politik, 1976.
Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas. Eine Dokumentation, 1983, franz. 1984, engl. 1994, durchges. Neuausg. 2003. (Hg.)
Bibliografie:
Gesammelte Schriften, hg. v. Michael Kogon/Gottfried Erb, 8 Bde., 1995–1999.
Karl Prümm, Walter Dirks und Eugen Kogon als katholische Publizisten der Weimarer Zeit, 1984.
Walter Mühlhausen, Eugen Kogon. Ein Leben für Humanismus, Freiheit und Demokratie, 2006, 22013.
Dennis Beismann, Eugen Kogon in der frühen Bundesrepublik. Ein öffentlicher Intellektueller zwischen Lehrstuhl und Fernsehstudio, 2020.
Gabriel Rolfes, „Der Ort der neuen Anfänge, so sagte ich, werde die Zeitschrift sein müssen“. Eugen Kogon und Walter Dirks als Herausgeber der Frankfurter Hefte in der frühen Bundesrepublik, in: Alexander Gallus/Sebastian Liebold/Frank Schale (Hg.), Vermessungen einer Intellectual History der frühen Bundesrepublik, 2020, S. 333–350.