Kaufmann, Karl
- Lebensdaten
- 1900 – 1969
- Geburtsort
- Krefeld
- Sterbeort
- Hamburg
- Beruf/Funktion
- NS-Politiker ; Gauleiter ; Reichsstatthalter ; Politiker
- Konfession
- römisch-katholisch, seit 1943 konfessionslos
- Normdaten
- GND: 119367270 | OGND | VIAF: 311067522
- Namensvarianten
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- Kaufmann, Karl Otto Kurt
- Kaufmann, Karl
- Kaufmann, Karl Otto Kurt
- Kaufmann, Karl Otto
- Caufmann, Carl
- Caufmann, Carl Otto Curt
- Caufmann, Carl Otto
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Kaufmann, Karl Otto Kurt
1900 – 1969
NS-Politiker, Gauleiter, Reichsstatthalter
Als NS-Gauleiter und Reichsstatthalter war Karl Kaufmann während des „Dritten Reichs“ in Hamburg der oberste Repräsentant des NS-Regimes, dessen Politik und Verbrechen er rigoros durchsetzte. Zugleich vertrat er im NS-Staat die politischen und wirtschaftlichen Sonderinteressen der Elbmetropole.
Lebensdaten
Geboren am 10. Oktober 1900 in Krefeld Gestorben am 4. Dezember 1969 in Hamburg Grabstätte Friedhof Ohlsdorf in Hamburg Konfession römisch-katholisch, seit 1943 konfessionslos -
Autor/in
→Frank Bajohr (München)
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Zitierweise
Bajohr, Frank, „Kaufmann, Karl“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/119367270.html#dbocontent
Als typischer Vertreter der „Kriegsjugendgeneration“ wuchs Kaufmann unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs auf, kam selbst aber zu keinem Fronteinsatz. Ohne erlernten Beruf bewegte er sich nach 1918 im rechtsradikalen Milieu von Freikorps und völkischen Verbänden und verdiente seinen Lebensunterhalt mit wechselnden Tätigkeiten. 1922 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 32 667, nach Rückdatierung später 95). Protegiert von Joseph Goebbels (1897–1945), der ihn 1926 als „Halbgenie ohne Halt und Ziel“ charakterisierte, machte Kaufmann seit Wiedergründung der NSDAP im Frühjahr 1925 eine steile Parteikarriere. Anfangs Anhänger des späteren NS-Reichsorganisationsleiters Gregor Strasser (1892–1934), fiel er in seinen Reden besonders durch eine sozial-populistische Ausrichtung auf, die v. a. den „deutschen Arbeiter“ adressierte. Im Mai 1929 ernannte ihn Adolf Hitler (1889–1945) zum Gauleiter in Hamburg, wo er sich schnell eine innerparteiliche Hausmacht aufbaute. In der Parteikrise Ende 1932 schwankte seine Loyalität zwischen Strasser und Hitler, ehe er sich letzterem kurz vor der NS-Machtübernahme wieder unterstellte.
Im Mai 1933 zum Reichsstatthalter ernannt, vereinigte Kaufmann bis 1939 alle zentralen politischen Führungspositionen der Hansestadt in seiner Hand und sicherte seine Machtposition durch ein weit verzweigtes System der Patronage und des Nepotismus ab. Dabei bediente er sich eines Systems von Stiftungen wie der „Karl Kaufmann Stiftung“ und der „Hamburger Stiftung von 1937“, mit denen er u. a. Zuwendungen an Günstlinge finanzierte.
In Hamburg setzte Kaufmann die Terror- und Vernichtungspolitik des NS-Regimes rigoros durch. Er war am Aufbau der Konzentrationslager Fuhlsbüttel (März 1933) und später auch Neuengamme direkt beteiligt und initiierte seit Oktober 1941 die Deportation der Hamburger Juden. Insgesamt wurden bis Kriegsende rund 7500 Hamburger Juden in Ghettos und Vernichtungslager deportiert, wobei die Gesamtzahl jüdischer Opfer aus Hamburg 8877 betrug.
Gleichzeitig profilierte sich Kaufmann als geschäftstüchtiger Sachwalter hamburgischer Wirtschaftsinteressen, indem er Ende 1934 bei Hitler die Anerkennung der Hansestadt als besonders förderungswürdiges „Notstandsgebiet“ erwirkte. Auch das „Groß-Hamburg-Gesetz“ von 1937, das auf rüstungswirtschaftliche Notwendigkeiten des Vierjahresplans zurückging, kam Hamburger Wirtschaftsinteressen entgegen und bezeugt Kaufmanns Einfluss bei Hitler und Hermann Göring (1893–1946). Für hamburgische Unternehmen setzte er eine Beteiligung bei der „Arisierung“ jüdischer Großhändler in Wien seit 1938 durch und verschaffte ihnen im Zweiten Weltkrieg die Möglichkeit, in den besetzten Gebieten u. a. jüdische Unternehmen zu vereinnahmen. Über persönliche Vertraute wie dem Abteilungsleiter für Volkswirtschaft beim Reichskommissariat Norwegen Carlo Otte (1908–1980), dem Leiter der Wirtschaftsabteilung im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete Gustav Schlotterer (1906–1989) und dem Präsidenten des Hauptamts Wirtschaft im Generalgouvernement Walter Emmerich (1895–1967) sicherte sich Kaufmann Einfluss auf die NS-Besatzungsadministration.
Bei Ende des Zweiten Weltkriegs stellte sich Kaufmann der kampflosen Übergabe Hamburgs am 3. Mai 1945 nicht entgegen, um sich nach dem Suizid Hitlers in der Öffentlichkeit gutes Ansehen zu verschaffen. Nach dem Einmarsch britischer Truppen wurde er verhaftet und bis Oktober 1948 interniert. Obwohl mehrere staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angestrengt wurden, kam es nie zur Eröffnung eines Hauptverfahrens, sodass er nach 1945 abgesehen von der Internierungshaft straffrei blieb.
Nach anfänglichen politischen Betätigungsversuchen v. a. in dem Kreis um den ehemaligen Staatssekretär im Propagandaministerium, Werner Naumann (1909–1982), der auf eine rechtsradikale Infiltration der FDP abzielte, zog sich Kaufmann in die Bürgerlichkeit zurück. Seit 1959 war er Teilhaber eines von dem ehemaligen Hamburger NS-Gauwirtschaftsberater Otto Wolff (1907–1991) aufgebauten Versicherungsunternehmens. Wohlhabend und unbehelligt starb er am 4. Dezember 1969 in Hamburg.
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, Bestand BDC. (Personalakten)
Staatsarchiv Hamburg, 731-8_A 760 Kaufmann, Karl. (Zeitungsausschnittsammlung)
Gedruckte Quellen:
Henning Timpke, Dokumente zur Gleichschaltung des Landes Hamburg 1933, 1967.
Tondokument:
Ansprache Kaufmanns v. 3.5.1945 im Reichssender Hamburg über die bevorstehende Besetzung der Stadt. (Onlineressource)
Peter Hüttenberger, Die Gauleiter. Studie zum Wandel des Machtgefüges in der NSDAP, 1969.
Thomas Krause, Hamburg wird braun. Der Aufstieg der NSDAP 1921–1933, 1987.
Frank Bajohr, Gauleiter in Hamburg. Zur Person und Tätigkeit Karl Kaufmanns, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 43 (1995), H. 2, S. 267–295. (Onlineressourcen)
Frank Bajohr, Hamburgs „Führer“. Zur Person und Tätigkeit des Hamburger NSDAP-Gauleiters Karl Kaufmann (1900–1969), in: ders. (Hg.), Hamburg in der NS-Zeit. Ergebnisse neuerer Forschungen, 1995, S. 59–91.
Frank Bajohr, Die Deportation der Juden: Initiativen und Reaktionen aus Hamburg, in: Beate Meyer (Hg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945. Geschichte, Zeugnis, Erinnerung, 2006, S. 33–41.
Helmut Stubbe da Luz, Art. „Kaufmann, Karl“, in: Franklin Kopitzsch/Dirk Brietzke (Hg.), Hamburgische Biografie, Bd. 3, 2006, S. 195–197.
Hermann Weiß, Art. „Kaufmann, Karl“, in: ders. (Hg.), Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, überarb. Neuausg., 22011, S. 258 f.
Michael Werner, Stiftungen und Mäzenatentum zwischen Weimarer Republik und Drittem Reich, in: Thomas Adam/Manuel Frey/Rupert Graf Strachwitz (Hg.), Stiftungen seit 1800. Kontinuitäten und Diskontinuitäten, 2009, S. 71–94, hier S. 90–93.
Fotografien in: Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sammlung Heinrich Hoffmann.
Fotografie, ca. 1930, Abbildung in: Reichstags-Handbuch. V. Wahlperiode 1930, hg. v. Bureau des Reichstags, 1930, S. 557. (Onlineressource)
Zeichnung, ca. 1937, Abbildung in: Der Großdeutsche Reichstag 1938, IV. Wahlperiode (nach dem 30. Januar 1933), hg. v. E. Kienast, 1938, S. 503. (Onlineressource)