Huelsenbeck, Richard
- Dates of Life
- 1892 – 1974
- Place of birth
- Frankenau (Hessen)
- Place of death
- Muralto (Kanton Tessin)
- Occupation
- Schriftsteller ; Publizist ; Arzt ; Psychoanalytiker ; Psychologe
- Religious Denomination
- evangelisch-reformiert
- Authority Data
- GND: 118554387 | OGND | VIAF: 54345151
- Alternate Names
-
- Huelsenbeck, Carl Wilhelm Richard
- Hulbeck, Charles R.
- Weltdada / Pseudonym
- Huelsenbeck, Richard
- Huelsenbeck, Carl Wilhelm Richard
- Hulbeck, Charles R.
- Weltdada / Pseudonym
- Charles R.
- Chjul'zenbek
- Chjul'zenbek, Richard
- Huelsenbeck
- Huelsenbeck, Karl Richard
- Hulbeck, Charles
- Hulbeck, Charles Richard
- Hülsenbeck, Carl Wilhelm Richard
- Hülsenbeck, Richard
- Richard Hulbeck
- Richard Hülsenbeck
- Weltdada
- Huelsenbeck, Karl Wilhelm Richard
- Huelsenbeck, Carl Richard
- Hülsenbeck, Karl Wilhelm Richard
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Huelsenbeck, Carl Wilhelm Richard (seit 23.11.1939 Charles R. Hulbeck)
Pseudonym: Weltdada
1892 – 1974
Schriftsteller, Publizist, Arzt, Psychoanalytiker
Richard Huelsenbeck war Mitbegründer der Dada-Bewegung und prägte mit Gedichten und Auftritten in Zürich und Berlin die avantgardistische Bewegung. Über Jahrzehnte machte er sich als streitbarer, mitunter unzuverlässiger Dokumentarist und Chronist des Dadaismus verdient. Er arbeitete auch als Arzt, Reiseschriftsteller, Romanautor und nach der Emigration in die USA 1936 als Psychoanalytiker.
Dates of Life
Geboren am 23. April 1892 in Frankenau (Hessen) Gestorben am 20. April 1974 in Muralto (Kanton Tessin) Grabstätte Südwestfriedhof in Dortmund Konfession evangelisch-reformiert -
Author
→Lisbeth Exner (Tutzing)
-
Citation
Exner, Lisbeth, „Huelsenbeck, Richard“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118554387.html#dbocontent
Huelsenbeck verbrachte seine Kindheit und Jugend in Dortmund und Bochum. Nach dem Abitur am Gymnasium in Burgsteinfurt bei Münster 1911 studierte er Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte in München, Paris, Münster und Berlin, ehe er sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs zum Kriegsdienst meldete. Im Oktober 1914 wegen Neuralgie entlassen, nahm er in Berlin ein Medizinstudium auf.
Auf Anregung des Schriftstellers Hugo Ball (1886–1927) reiste Huelsenbeck im Februar 1916 nach Zürich und prägte als „Dada-Trommler“ das Programm des Cabaret Voltaire durch die mitreißend aggressive und bruitistische Rezitation seiner freien Verse. In Zusammenarbeit u. a. mit Ball, Tristan Tzara (1896–1963) und Hans Arp (1886–1966) initiierte er die gegen konventionelle Kunst und bürgerliche Ideale gerichtete Dada-Bewegung. Zurück in Deutschland setzte Huelsenbeck seit November 1916 sein Medizinstudium in Greifswald fort und arbeitete nach den ärztlichen Vorprüfungen als Feldunterarzt in Fürstenwalde an der Spree. Seit 1918 inszenierte er u. a. mit George Grosz (1893–1959), John Heartfield (1891–1968), Raoul Hausmann (1886–1971), Franz Jung (1888–1963) und Johannes Baader (1875–1955) in Berlin dadaistische Aktionen und politische Veranstaltungen. Er begriff sich als Interpret und Propagandist („Weltdada“) und präsentierte sich seit 1920 auch als Dokumentarist („Dada-Almanach“, 1920), Historiograf und Chronist („En avant Dada“, 1920). Im selben Jahr veröffentlichte er sein Pamphlet „Deutschland muss untergehen“, eine polemische Bilanz des Scheiterns der deutschen Revolution.
Huelsenbecks „Phantastische Gebete“, 1916 erschienen mit abstrakten Holzschnitten von Arp und 1920 um elf Gedichte erweitert neu aufgelegt mit gesellschaftskritischen Zeichnungen von Grosz, gelten als zentrale Texte des Dadaismus. Zugleich sind sie neben dem sozialkritischen Großstadtroman „Doctor Billig am Ende“ (1921) Huelsenbecks wichtigste literarische Arbeiten.
Als die Dada-Bewegung erlahmte, schloss Huelsenbeck bis 1922 seine medizinische Ausbildung ab und arbeitete in Danzig (heute Gdańsk, Polen) und Berlin als Arzt. Reisen als Schiffsarzt und Zeitungskorrespondent führten ihn zwischen 1924 und 1933 u. a. nach Ostasien, Afrika und in die Karibik. Huelsenbeck beschrieb in seinen Artikeln für den „Vorwärts“, den „Berliner Börsen-Courier“, die „Berliner Illustrirte Zeitung“ und die „Münchner Illustrierte Presse“ exotische Landschaften und Kulturen, verfasste aber auch soziale und politische Reportagen. 1928 veröffentlichte er die Reisebücher „Afrika in Sicht“ und „Der Sprung nach Osten“. Mit „China frisst Menschen“ (1930) folgte ein erfolgreicher Abenteuerroman, der die Atmosphäre des chinesischen Bürgerkriegs einfing.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme publizierte Huelsenbeck nur mehr wenige Texte und eröffnete 1934 in Berlin-Charlottenburg eine Arztpraxis. Im März 1936 emigrierte er mit seiner Familie nach New York City, wo er 1939 seinen Namen in Charles R. Hulbeck änderte, 1941 US-amerikanischer Staatsbürger wurde und sich eine neue Existenz als Psychoanalytiker aufbaute. 1942 trat er Karen Horneys (1885–1952) American Institute for Psychoanalysis bei und näherte sich seit den 1950er Jahren der phänomenologische Gesichtspunkte integrierenden Daseinsanalyse Ludwig Binswangers (1881–1966) an.
Bis zu seinem Tod verstand sich Huelsenbeck sowohl als Dadaist als auch als Arzt. Neben der psychoanalytischen Arbeit entstanden Gemälde, Zeichnungen, autobiografische Fragmente und neue Gedichte. Die Wiederentdeckung des Dadaismus nach dem Zweiten Weltkrieg begleitete Huelsenbeck mit zahlreichen Publikationen und Auftritten. Er präsentierte sich als Hauptvertreter der Bewegung, reinterpretierte Dada existenzialistisch und griff die ehemaligen Mitstreiter Hausmann und Tzara polemisch an, als sie seine Darstellung infrage stellten. Zugleich erwies er sich mit seinen Erinnerungen „Mit Witz, Licht und Grütze“ (1957) und dem Sammelband „Dada. Eine literarische Dokumentation“ (1964) als meist kompetenter, mitunter aber selbstbezogener und unzuverlässiger Dokumentarist und Chronist. Im Herbst 1969 übersiedelte Huelsenbeck mit seiner Frau nach Minusio (Kanton Tessin).
1947 | Vorstandsmitglied der Association for the Advancement of Psychoanalysis |
1960 | Mitglied der American Ontoanalytic Association |
1962 | korrespondierendes Mitglied der Freien Akademie der Künste, Hamburg |
1967 | Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Darmstadt |
1969 | Ludwig Binswanger Award der American Ontoanalytic Association |
1970er Jahre | Huelsenbeck-Museum, Alte Apotheke, Frankenau (Hessen) (weiterführende Informationen) |
Nachlass:
Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar. (weiterführende Informationen)
Schalaben schalabai schalamezomai. Mit vier Zeichnungen v. Hans Arp, 1916.
Phantastische Gebete. Mit sieben Holzschnitten v. Hans Arp, 1916, Zweite, erw. Aufl. mit dreizehn Zeichnungen v. George Grosz, 1920, mit Illustrationen v. Hans Arp u. George Grosz, 1960, Nachdr. der 1. u. 2. Aufl., hg. v. Herbert Kapfer, 1993.
Verwandlungen, 1918, mit einem Nachw. hg. v. Herbert Kapfer, 1992, als Hörspiel, Bayerischer Rundfunk 1994.
Azteken oder die Knallbude. Eine militärische Novelle. Mit einer handkolorierten Zeichnung v. Georg Kobbe, 1918, mit einem Nachw. hg. v. Herbert Kapfer, 1992, als Hörspiel, Bayerischer Rundfunk 1996.
Dada siegt! Eine Bilanz des Dadaismus, 1920, Neuausg. 1985.
En avant Dada. Eine Geschichte des Dadaismus, 1920, Nachdr. 1976.
Deutschland muss untergehen! Erinnerungen eines alten dadaistischen Revolutionärs. Mit drei Ausschnitten aus dem Gemälde „Deutschland – ein Wintermärchen“ und einer Zeichnung v. George Grosz, 1920.
Doctor Billig am Ende. Ein Roman. Mit acht Zeichnungen v. George Grosz, 1921, mit einem Nachw. hg. v. Karl Riha, 1973, als Hörspiel, Bayerischer Rundfunk 2011.
Afrika in Sicht. Ein Reisebericht über fremde Länder und abenteuerliche Menschen, 1928.
Der Sprung nach Osten. Bericht einer Frachtdampferfahrt nach Japan, China und Indien, 1928.
China frisst Menschen, 1930, mit einem Nachw. hg. v. Herbert Kapfer/Lisbeth Exner, 2006.
Der Traum vom großen Glück. Roman, 1933.
Die Newyorker Kantaten. Cantates New-Yorkaises. Mit sechs Zeichnungen v. Hans Arp, Vorw. v. Michel Seuphor, 1952.
Die Antwort der Tiefe. Mit sieben Klebebildern v. Hans Arp, 1954.
Mit Witz, Licht und Grütze. Auf den Spuren des Dadaismus. Mit einem Vorw. v. Will Grohmann, 1957, mit einem Nachw. hg. v. Reinhard Nenzel, 1992.
Sexualität und Persönlichkeit. Entwicklung und Bedeutung mentaler Heilmethoden. Versuch einer historischen Darstellung, 1959.
Memoirs of a Dada Drummer, hg. v. Hans J. Kleinschmidt, 1974.
Reise bis ans Ende der Freiheit. Autobiographische Fragmente, hg. v. Ulrich Karthaus/Horst Krüger, 1984.
Die Sonne von Black-Point. Ein Liebesroman aus den Tropen, hg. v. Herbert Kapfer/Lisbeth Exner, 1996.
Briefe:
Weltdada Huelsenbeck. Eine Biografie in Briefen und Bildern, hg. v. Herbert Kapfer/Lisbeth Exner, 1996.
Bibliografie:
Richard Sheppard (Hg.), Richard Huelsenbeck. Unter Mitarbeit von Karin Füllner. Mit Beiträgen von Rolf Italiaander und Hans J. Kleinschmidt, 1982.
Herausgeberschaften:
Dada Almanach. Im Auftrag des Zentralamts der deutschen Dada-Bewegung, 1920, Nachdr. 1987.
Peter Schifferli/Hans Arp/Richard Huelsenbeck/Tristan Tzara, Die Geburt des Dada. Dichtung und Chronik der Gründer, 1957.
Dada. Eine literarische Dokumentation, 1964, Neuausg. 1984.
Editionen:
Richard-Huelsenbeck-Lesebuch, hg. v. Karl Riha, 2008.
Dada-Logik 1913–1972, hg. v. Herbert Kapfer, 2012.
Filme:
Dietrich Mahlow, Wie ich Dada sehe. Richard Huelsenbeck erzählt aus der Geschichte des Dadaismus. Ein Filmbericht, 1965.
Erica Reese, Mit Huelsenbeck war Dada da. Ein Porträt, 1972.
Tonträger:
Richard Huelsenbeck, Four Poems from Phantastische Gebete, 1967.
Peter Blegvad/John Greaves/Herbert Kapfer/Regina Moths, dr huelsenbecks mentale heilmethode, 1992.
Monografien:
Karin Füllner, Richard Huelsenbeck. Texte und Aktionen eines Dadaisten, 1983.
Hildegard Feidel-Mertz (Hg.), Der junge Huelsenbeck. Entwicklungsjahre eines Dadaisten, 1992.
Reinhard Nenzel, Kleinkarierte Avantgarde. Zur Neubewertung des deutschen Dadaismus. Der frühe Richard Huelsenbeck, 1994.
Hubert van den Berg, Avantgarde und Anarchismus. Dada in Zürich und Berlin, 1999.
Aufsätze:
Reinhart Meyer, Richard Hülsenbeck. Thesen zu den dadaistischen Aufführungen, in: ders. u. a., DADA in Zürich und Berlin 1916–1920. Literatur zwischen Revolution und Reaktion, 1973, S. 122–128.
Hans J. Kleinschmidt, The New Man – Armed with the Weapons of Doubt and Defiance, in: Richard Huelsenbeck, Memoirs of a Dada Drummer, hg. v. Hans J. Kleinschmidt, 1974, S. XIII–L.
Hans J. Kleinschmidt, Charles R. Hulbeck, M. D. Psychiater in New York, in: Richard Sheppard (Hg.), Richard Huelsenbeck, 1982, S. 46–53.
Richard Sheppard, Richard Huelsenbeck (1892–1974). Dada and Psycho-Analysis, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch N. F. 26 (1985), S. 271–306.
Gerhard Schaub, „Dada avant la lettre“. Ein unbekanntes „literarisches Manifest“ von Hugo Ball und Richard Huelsenbeck, in: Hugo Ball Almanach 1985/86 (1986), S. 63–180.
Hanne Bergius, „Unberührt und doch erschüttert.“ „Weltdada“ Richard Huelsenbeck, in: dies., Das Lachen Dadas. Die Berliner Dadaisten und ihre Aktionen, 1989, S. 100–113.
Seth Taylor, Richard Huelsenbeck and the Founding of Dada Berlin, in: ders., Left-wing Nitzscheans. The Politics of German Expressionism, 1990, S. 186–192.
Herbert Kapfer, Bruitistisch, abstrakt, konkret. Nachwort, in: Richard Huelsenbeck/Hans Arp/George Grosz, Phantastische Gebete. Nachdr. der Ausgaben von 1916 und 1920, hg. v. dems., 1993, S. 63–85.
Greil Marcus, Historiograph. Cabaret Voltaire, in: Common Knowledge 2 (1993), H. 1, S. 150–190.
Herbert Kapfer/Lisbeth Exner, Vorwort, in: Weltdada Huelsenbeck. Eine Biografie in Briefen und Bildern, hg. v. dens., 1996, S. 6–11.
Herbert Kapfer/Lisbeth Exner, „nun soll weiss schwarz und blau rot sein“. Richard Huelsenbeck in und über China, in: Richard Huelsenbeck, China frisst Menschen, hg. v. dens., 2006, S. 375–405.
Sascha Bru, Schließlich … Don’t Forget. Richard Huelsenbeck, Cultural Memory, and the Genericity of (Dada) Historiography, in: Revue belge de philologie et d'histoire 83 (2007), fasc. 4, S. 1319–1331.
Sascha Bru, The Secret Politician. Richard Huelsenbeck, Dadaism and the Redemption of Literature, in: ders., Democracy, Law and the Modernist Avant-Gardes. Writing in the State of Exception, 2009, S. 135–192.
Veronika Fuechtner, Berlin Dada and Psychoanalysis in New York. Richard Huelsenbeck and Charles Hulbeck. Talk to Karen Horney, in: dies., Berlin Psychoanalytic. Psychoanalysis and Culture in Weimar Republic Germany and Beyond, 2011, S. 119–142.
Karin Füllner, Performanz und Phantastik. Der Dada-Trommler Richard Huelsenbeck, in: Hugo Ball Almanach N. F. 8 (2017), S. 64–79.
Andreas Schmid, Nachhut der Avantgarde. Raoul Hausmann und Richard Huelsenbeck als Historiographen des Dadaismus, in: Irene Albers/Marcus Hahn/Frederic Ponten (Hg.), Heteronomieästhetik der Moderne, 2022, S. 189–216.
Lexikonartikel:
Hans-Horst Henschen, Art. „Huelsenbeck, Richard“, in: Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, hg. v. Herbert Wiesner, 1981, S. 240 f.
Franziska Meister, Art. „Richard Huelsenbeck“, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2005. (Onlineressource)
N. N., Art. „Richard Huelsenbeck“, in: Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren, 2005, revidiert 2018/19. (Onlineressource)
Fotografie, Nachlass, Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar.
Selbstbildnis, 1947, Tuschzeichnung, Pastell, Aquarell, Nachlass, Kunstsammlung des Deutschen Literaturarchivs, Marbach am Neckar.
zahlreiche Abbildungen in: Weltdada Huelsenbeck. Eine Biographie in Briefen und Bildern, hg. v. Herbert Kapfer/Lisbeth Exner, 1996.