Harnack, Arvid
- Lebensdaten
- 1901 – 1942
- Geburtsort
- Darmstadt
- Sterbeort
- Berlin-Plötzensee
- Beruf/Funktion
- Jurist ; Nationalökonom ; Widerstandskämpfer ; Wirtschaftswissenschaftler ; Widerstandskämpfer
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 121982467 | OGND | VIAF: 74723318
- Namensvarianten
-
- Harnack, Arvid
- Harnack, Arwid
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Personen im NDB Artikel
- Adam Kuckhoff (1887–1943)
- Adam von Trott zu Solz (1909–1944)
- Adolf Grimme (1889–1963)
- Adolf Hitlers (1889–1945)
- Albrecht Haushofer (1903–1945)
- Alexander Korotkow (1909–1961)
- Bodo Schlösinger (1908–1943)
- Egmont Zechlin (1896–1992)
- Ernst Niekisch (1889–1967)
- Friedrich Lenz (1885–1968)
- Greta Kuckhoff (1902–1981)
- Harro Schulze-Boysen (1909–1942)
- John Sieg (1903–1942)
- Karl Behrens (1909–1943)
- Max Tau (1897–1976)
- Otto Koellreutter (1883–1972)
- Wilhelm Guddorf (1902–1943)
- Wilhelm Hedemann (1878–1963)
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Harnack, Arvid
1901 – 1942
Jurist, Nationalökonom, Widerstandskämpfer
Als Oberregierungsrat im Reichswirtschaftsministerium engagierte sich Arvid Harnack führend im Widerstandsnetzwerk „Rote Kapelle“ gegen den Nationalsozialismus und beteiligte sich an politischer Aufklärungsarbeit. Darüber hinaus gab er militärische Informationen an die Sowjetunion weiter. Harnack wurde 1942 durch die Gestapo enttarnt und auf Befehl Adolf Hitlers (1889–1945) in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Lebensdaten
Geboren am 24. Mai 1901 in Darmstadt Gestorben am 22. Dezember 1942 (hingerichtet) in Berlin-Plötzensee Grabstätte Friedhof Zehlendorf in Berlin-Zehlendorf Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Stefan Heinz (Berlin)
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Zitierweise
Heinz, Stefan, „Harnack, Arvid“ in: NDB-online, veröffentlicht am 04.11.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/121982467.html#dbocontent
Aus einer bedeutenden Gelehrtenfamilie stammend, legte Harnack nach dem Besuch des Gymnasiums in Stuttgart und Jena 1919 das Abitur ab und beteiligte sich anschließend als Mitglied mehrerer Freikorpsverbände an gegenrevolutionären Kämpfen in Oberschlesien, Kiel und Berlin. Von 1920 bis 1923 studierte er Rechtswissenschaften in Graz und Jena, wo er 1924 bei Otto Koellreutter (1883–1972) und Wilhelm Hedemann (1878–1963) zum Dr. iur. promoviert wurde. Danach begann er den juristischen Vorbereitungsdienst und übernahm parallel dazu eine Forschungstätigkeit am Institut für Auswärtige Politik der Universität Hamburg.
Bei einem Aufbaustudium an der London School of Economics belegte Harnack 1925/26 Kurse im Fach Ökonomie. Dank eines Rockefeller-Stipendiums studierte er von 1926 bis 1928 Nationalökonomie an der Universität Wisconsin in Madison (USA), beschäftigte sich v. a. mit der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung in den USA und lernte die Studentin Mildred Fish kennen, die er kurz darauf heiratete. Zurück in Deutschland, belegte Harnack seit 1929 Kurse in Literaturgeschichte, Philosophie und Nationalökonomie an der Universität Gießen. 1930 wurde er hier bei Friedrich Lenz (1885–1968) mit der Studie „Die vormarxistische Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten“ ein weiteres Mal promoviert (Dr. phil.).
Nach seiner Übersiedlung nach Berlin wurde Harnack 1931 geschäftsführender Sekretär der von ihm gegründeten Arbeitsgemeinschaft zum Studium der sowjetrussischen Planwirtschaft und unterhielt Kontakte zur sowjetischen Handelsvertretung. Von 1933 bis 1935 als Referendar im Reichswirtschaftsministerium tätig, bestand er Ende 1934 die zweite juristische Staatsprüfung und machte seit April 1935 Karriere im Länderreferat USA der Abteilung V des Reichswirtschaftsministeriums, in dem er 1938 zum Regierungsrat und 1942 zum Oberregierungsrat für handelsrechtliche Fragen aufstieg.
In der Überzeugung, den Nationalsozialismus durch eine kritische Auseinandersetzung mit dessen ideologischen Grundlagen überwinden zu können, organisierte Harnack seit 1933 in Berlin „Schulungszirkel“, an denen u. a. die späteren Mitglieder der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ Karl Behrens (1909–1943) und Bodo Schlösinger (1908–1943) sowie Adam Kuckhoff (1887–1943) und dessen Ehefrau Greta Kuckhoff (1902–1981) mitwirkten, die er 1927 als Studentin der Universität Wisconsin kennengelernt hatte. Dem Kreis schlossen sich zeitweise der ehemalige preußische Kultusminister Adolf Grimme (1889–1963) und der nationalbolschewistische Schriftsteller Ernst Niekisch (1889–1967) an.
Seit 1935 hielt Harnack Verbindung zur sowjetischen und US-amerikanischen Botschaft und gab auf Grundlage vertraulicher Daten aus dem Reichswirtschaftsministerium detaillierte Einschätzungen der politischen und wirtschaftlichen Situation des NS-Staats. Zur Tarnung seiner konspirativen Aktivitäten seit 1937 Mitglied der NSDAP, unterstützte er 1938 die Emigration des jüdischen Verlegers und Schriftstellers Max Tau (1897–1976) nach Norwegen. Bei seiner illegalen Tätigkeit arbeitete Harnack seit 1940 enger mit Harro Schulze-Boysen (1909–1942) zusammen, dem er 1935 erstmals begegnet war. Im Rahmen des Widerstands der „Roten Kapelle“ gaben Harnack und Schulze-Boysen 1941 Informationen zum bevorstehenden deutschen Angriff auf die Sowjetunion an den Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft Alexander Korotkow (1909–1961), Deckname: „Erdberg“, weiter, der zugleich für den sowjetischen Geheimdienst tätig war.
Seit Sommer 1941 hielt Harnack engen Kontakt zu John Sieg (1903–1942), der eine Verbindung zu dem KPD-Funktionär Wilhelm Guddorf (1902–1943) herstellte. Verbindungen bestanden zudem zu oppositionellen Kreisen um Albrecht Haushofer (1903–1945), Adam von Trott zu Solz (1909–1944), der zum Kern des „Kreisauer Kreises“ zählte, und Egmont Zechlin (1896–1992). 1942 fertigte Harnack die in Berliner Widerstandskreisen viel beachtete Studie „Das ‚nationalsozialistische‘ Stadium des Monopolkapitalismus (Imperialismus)“ an, in der er ein wirtschaftliches und politisches Scheitern des NS-Staats prognostizierte und zum Widerstand aufrief. Von der Gestapo enttarnt und am 7. September 1942 festgenommen, verurteilte ihn das Reichskriegsgericht wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“, „Feindbegünstigung“ und Spionage am 19. Dezember 1942 zum Tode. Auf Befehl Adolf Hitlers (1889–1945) wurde Harnack drei Tage später im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet.
1950 | Harnackstraße, Leipzig-Reudnitz (zuvor Brommestraße) |
1950 | Harnack-Ring, Torgau (mit Gedenkstein) |
1952 | Arvid-Harnack-Straße, Jena (zuvor Paulinenstraße) |
1969 | „Rotbannerorden“ durch den Obersten Sowjet der UdSSR (postum) |
1972 | Dr.-Arvid-Harnack-Oberschule, Berlin-Friedrichshagen |
1972 | Harnackstraße, Berlin-Lichtenberg |
1976 | Gedenkwand im Innenhof der Humboldt-Universität zu Berlin mit Erwähnung Harnacks (Onlineressource) |
1983 | Briefmarkenblock der Deutschen Post der DDR |
1990 | Gedenktafel an ehemaliger Wohnung von Arvid und Mildred Harnack, Berlin, Hasenheide 61 |
2001 | Gedenktafel am Geburtshaus in Darmstadt, Hochstraße 68 |
2013 | Stolperstein für Mildred und Arvid Harnack am früheren Wohnort in Berlin, Genthiner Straße 14 (Onlineressource) |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Archiv der Universität Jena, Bestand K, Nr. 314. (Promotionsakte an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, 1924/25)
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, N 2506/82. (Sammlung Greta Kuckhoff mit Materialien und Fotos zum Lebensweg von Arvid und Mildred Harnack)
Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin. (Sammlung Falk Harnack mit Materialien und Fotos zum Lebensweg von Arvid Harnack)
Gedruckte Quellen:
Greta Kuckhoff, Vom Rosenkranz zur Roten Kapelle. Ein Lebensbericht, 1976.
Jürgen Zarusky/Hartmut Mehringer (Bearb.), Widerstand als „Hochverrat“ 1933–1945. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, 1998. (Microfiche-Edition)
Die Entwicklung des Artikels 156, Abs. II und III und des Artikels 165 der Reichsverfassung während der Jahre 1918–1923. Eine Darstellung des Wissell-Möllendorffschen Planwirtschaftsversuches, 1924. (Diss. iur.)
Die vormarxistische Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten. Eine Darstellung ihrer Geschichte, 1931. (Diss. phil.)
Das „nationalsozialistische“ Stadium des Monopolkapitalismus (Imperialismus), 1942 (illegal verbreitet), erstmals veröffentlicht von Heinrich Scheel in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 32 (1984), H. 1, S. 36–46.
Monografien:
Karl Heinz Biernat/Luise Kraushaar, Die Schulze-Boysen/Harnack-Organisation im antifaschistischen Kampf, 1970.
Regina Griebel/Marlies Coburger/Heinrich Scheel, Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle. Eine Foto-Dokumentation, 1992.
Hans Coppi, Harro Schulze-Boysen. Wege in den Widerstand, 1995.
Tina Mager, Die Widerstandsorganisation Schulze-Boysen/Harnack, 2000.
Stefan Roloff, Die Rote Kapelle. Die Widerstandsgruppe im Dritten Reich und die Geschichte Helmut Roloffs, 2002.
Shareen Blair Brysac, Mildred Harnack und die „Rote Kapelle“. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau und einer Widerstandsbewegung, 2003.
Anne Nelson, Red Orchestra. The Story of the Berlin Underground and the Circle of Friends Who Resisted Hitler, 2009, dt. u. d. T. Die Rote Kapelle. Die Geschichte der legendären Widerstandsgruppe, 2010.
Die Rote Kapelle. Themenkatalog 14 zur Dauerausstellung Widerstand gegen den Nationalsozialismus, hg. v. d. Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2014. (P)
Hans-Rainer Sandvoß, Widerstand in Neukölln, hg. v. d. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2019, S. 193–195.
Aufsätze und Artikel:
Jürgen Danyel, Zwischen Nation und Sozialismus. Genese, Selbstverständnis und ordnungspolitische Vorstellungen der Widerstandsgruppe um Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen, in: Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hg.), Widerstand gegen den Nationalsozialismus, 1994, S. 468–487.
Hans Coppi, Art. „Rote Kapelle“, in: Wolfgang Benz/Walter H. Pehle (Hg.), Lexikon des deutschen Widerstandes, 1994, S. 281–285.
Hans Coppi/Jürgen Danyel/Johannes Tuchel (Hg.), Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, 1994. (P)
Hans Coppi, Die „Rote Kapelle“ im Spannungsfeld von Widerstand und nachrichtendienstlicher Tätigkeit. Der Trepper-Report vom Juni 1943, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 44 (1996), H. 3, S. 431–458. (Onlineressource)
Peter Steinbach/Johannes Tuchel, Art. „Harnack, Arvid“, in: dies. (Hg.), Lexikon des Widerstandes 1933–1945, 2. überarb. u. erw. Aufl. 1998, S. 84 f.
N. N., Art. „Arvid Harnack“, in: Hans-Joachim Fieber (Bearb.), Widerstand in Berlin gegen das NS-Regime 1933 bis 1945. Ein biographisches Lexikon, Bd. 3, 2005, S. 42 f.
Porträts und Fotografien, Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Fotosammlung Falk Harnack.
Fotografien, 1930er Jahre, Abbildung in: Hans Coppi/Jürgen Danyel/Johannes Tuchel (Hg.), Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, 1994, S. 22 u. 181.
Fotografien, 1930er und Anfang 1940er Jahre, Abbildung in: Die Rote Kapelle. Themenkatalog 14 zur Dauerausstellung Widerstand gegen den Nationalsozialismus, hg. v. d. Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2014, S. 1, 9, 17, 45 u. 55.