Lebensdaten
1913 – 1944
Geburtsort
Dresden
Sterbeort
Olchowez, Sowjetunion, heute Wilchowez, Ukraine)
Beruf/Funktion
Leichtathlet ; Stellmacher
Normdaten
GND: 123634245 | OGND | VIAF: 67378495
Namensvarianten
  • Harbig, Waldemar Rudolf
  • Harbig, Rudolf
  • Harbig, Waldemar Rudolf
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Biografische Lexika/Biogramme

Porträt(nachweise)

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Zitierweise

Harbig, Rudolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd123634245.html [16.07.2024].

CC0

  • Rudolf Harbig brach 1939 innerhalb von vier Wochen Weltrekorde über die 800 Meter- und die 400 Meter-Strecke und wurde dafür als „Jahrhundertläufer“ gefeiert. Insbesondere die 1:46,6 Minuten Rekordzeit über 800 Meter vom 15. Juli 1939 in Mailand gelten als Meilenstein des Mittelstreckenlaufs. Im Zweiten Weltkrieg stilisierte ihn die NS-Propaganda zum Prototypen des Sportsoldaten. Nach 1945 wurde der im Krieg gefallene Harbig sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik als sportliches Vorbild inszeniert. 2008 wurde er in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen.

    Lebensdaten

    Geboren am 8. November 1913 in Dresden
    Gestorben am 5. März 1944 in Olchowez, Sowjetunion, heute Wilchowez, Ukraine)
    Grabstätte unbekannt
    Rudolf Harbig, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)
    Rudolf Harbig, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)
  • Lebenslauf

    8. November 1913 - Dresden

    1919 - 1927 - Dresden

    Schulbesuch

    Volksschule

    1927 - 1930 - Dresden

    Stellmacherlehre

    1930 - 1932

    Wanderschaft

    1932 - 1935

    Berufssoldat

    Reichswehr

    Februar 1936 - Dresden

    Gasableser

    Drewag

    1936 - Berlin

    Teilnehmer

    Olympische Spiele

    1937

    Mitglied

    NSDAP

    1939 - 1944 - Gnesen (heute Gniezno, Polen); seit 1940/41 Ostfront

    Kriegsdienst (zuletzt Oberfeldwebel)

    Fallschirmjäger-Regiment 6 der Wehrmacht

    5. März 1944 - Olchowez, Sowjetunion, heute Wilchowez, Ukraine)
  • Genealogie

    Vater August Rudolf Harbig 28.10.1887–30.9.1959 aus Breslau (Schlesien, heute Wrocław, Polen); katholisch; Hilfsfeuermann in Dresden
    Großmutter väterlicherseits Agnes Harbig 17.7.1860–25.12.1938 aus Rosenthal (heute Różanka) bei Habelschwerdt (Schlesien, heute Bystrzyca Kłodzka, Polen); ledig; Privatière in Dresden
    Urgroßvater väterlicherseits Georg Harbig Uhrmacher; zuletzt in den USA
    Mutter Margarethe Helene Harbig, geb. Kliemann geb. 16.11.1893 aus Dresden; evangelisch; Hausfrau
    Großvater mütterlicherseits Karl Benno Kliemann Feuerwehrmann in Dresden
    Großmutter mütterlicherseits Helene Margarethe Kliemann, geb. Schickenberg
    Geschwister vier Geschwister
    Heirat 6.5.1941 in Dresden
    Ehefrau Gerda Lisbeth Harbig , geb. Heidrich 25.5.1919–24.2.1962 Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees der DDR 1951–1962; gest. in Leipzig
    Tochter Ulrike Harbig geb. 1943 floh 1966 in die Bundesrepublik; Lehrerin in Nigeria, seit 1986 in Augsburg
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Harbig, Rudolf (1913 – 1944)

    • Vater

      August Rudolf Harbig

      28.10.1887–30.9.1959

      aus Breslau (Schlesien, heute Wrocław, Polen); katholisch; Hilfsfeuermann in Dresden

      • Großmutter väterlicherseits

        Agnes Harbig

        17.7.1860–25.12.1938

        aus Rosenthal (heute Różanka) bei Habelschwerdt (Schlesien, heute Bystrzyca Kłodzka, Polen); ledig; Privatière in Dresden

    • Mutter

      Margarethe Helene Harbig

      geb. 16.11.1893

      aus Dresden; evangelisch; Hausfrau

      • Großvater mütterlicherseits

        Karl Benno Kliemann

        Feuerwehrmann in Dresden

      • Großmutter mütterlicherseits

        Helene Margarethe Kliemann

    • Heirat

      in

      Dresden

      • Ehefrau

        Gerda Lisbeth Harbig

        25.5.1919–24.2.1962

        Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees der DDR 1951–1962; gest. in Leipzig

  • Biografie

    Harbig wuchs in Dresden auf und absolvierte nach der Volksschule seit 1927 eine Lehre als Stellmacher. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise verdiente er sein Geld auf Wanderschaft („Tippelbruder“), bevor er sich Ende 1932 für drei Jahre bei der Reichswehr verpflichtete. Im Februar 1936 erhielt Harbig eine Festanstellung als Gasableser beim Dresdner Energieversorger Drewag.

    In seiner Schulzeit war Harbig als Leichtathlet und Feldhandballer beim Turn- und Sportverein „Frisch Auf“ Trachau und bei der Sportvereinigung Brandenburg aktiv, bevor er 1930 zum Dresdner Verein Olympia wechselte. Seine Laufbahn als Leistungssportler begann am 24. Juni 1934 in Dresden: Beim „Tag des unbekannten Sportsmanns“, den die NS-Sportführung als reichsweite Talentschau für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin organisierte, errang er mit einer Zeit von 2:04 Minuten den ersten Platz im 800-Meter-Lauf. Bei der Veranstaltung entdeckte ihn der Trainer Woldemar Gerschler (1904–1982), einer der Erfinder des Intervalltrainings, der ihn in seine Olympia-Trainingsgruppe aufnahm und seinen Wechsel zum Dresdner SC lancierte.

    Seinen ersten Titel bei Deutschen Leichtathletikmeisterschaften gewann Harbig am 12. Juni 1936 in Kassel über 800 Meter mit einer Zeit von 1:54,1 Minuten und qualifizierte sich damit für die Olympischen Spiele in Berlin 1936, bei denen er infolge eines Darminfekts in den Vorläufen über 400 und 800 Meter ausschied. Als Schlussläufer des 4x400 Meter-Staffellaufs gewann er am 9. August 1936 die Bronzemedaille. Bei den Deutschen Meisterschaften 1937 lief er über 800 Meter erstmals deutschen Rekord (1:50,9 Minuten). Bei den Europameisterschaften 1938 in Paris siegte er über 800 Meter in der deutschen Rekordzeit von 1:50,66 Minuten und in der 4x400 Meter-Staffel.

    Seinen Ruf als „Jahrhundertläufer“ erwarb sich Harbig am 15. Juli 1939 mit dem Weltrekord beim Länderkampf gegen Italien in Mailand. Im Duell mit dem Italiener Mario Lanzi (1914–1980) unterbot er die offizielle Bestmarke des US-Amerikaners Elroy Robinson (1:49,6 Minuten) – der Lauf des Briten Sidney Wooderson (1914–2006) in 1:48,4 Minuten aus dem Jahr 1938 war noch nicht anerkannt worden – mit 1:46,6 Minuten um drei Sekunden. Diese Bestzeit hielt 16 Jahre und wird von Sporthistorikern als ähnlich bedeutend eingestuft wie der 8,90 Meter-Weitsprung Bob Beamons (geb. 1946) 1968. Am 12. August 1939 brach Harbig in Frankfurt am Main, erneut im Duell mit Lanzi, auch den Weltrekord über 400 Meter (46,0 Sekunden). Es folgten drei weitere Weltrekorde über 1000 Meter (2:21,5 Minuten) und 4x800 Meter (jeweils 1941), die allerdings nicht zu den „klassischen“ olympischen Distanzen zählen. Da die Olympischen Spielen 1940 in Tokio ausfielen, blieben Harbig weitere olympische Meriten verwehrt.

    Harbig wurde 1939 zum Kriegsdienst einzogen, zum Wachdienst in Gnesen (heute Gniezno, Polen) abkommandiert und 1940/41 zu den Fallschirmjägern der Luftwaffe versetzt. Die Umstände seines Tods an der Ostfront im März 1944 sind ungeklärt. 1949 bzw. 1988 feierten Ludwig Koppenwallner (1921–2010) bzw. Ulrich Popplow (geb. 1926) Harbig als Prototypen des fairen und unpolitischen Sportlers. Auch seine Ehefrau Gerda Harbig (1919–1962) trug mit ihrer Publikation „Unvergessener Harbig“ (1955) zur Mythenbildung bei. Harbig zählte zu den wenigen deutschen Sportlern, die in Ost und West als Vorbild inszeniert wurden. In der Bundesrepublik vergibt der Deutsche Leichtathletik-Verband seit 1950 jährlich den von Karl Ritter von Halt (1891–1964) gestifteten Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis; in der DDR endete die Harbig-Verehrung, als seine Ehefrau 1962 starb und seine Tochter 1966 in die Bundesrepublik floh.

    Beim Kult um Harbig blieb lange Zeit ausgeklammert, dass er seit 1937 der NSDAP angehörte und 1939 in einer Buchpublikation seines Trainers Gerschler als Antisemit und Rassist beschrieben wurde. Bei Sportfesten trat Harbig, der sich für die NS-Propaganda instrumentalisieren ließ, in SA-Uniform auf. Die nach 1945 unternommenen Dopingversuche seines Sportarztes Herbert Reindell (1908–1990) mit dem hochwirksamen Amphetaminpräparat Pervitin, das 1938 auf den Markt gekommen und 1939 ohne Rezept erhältlich war, wurden in jüngerer Zeit in Zusammenhang mit Harbigs Weltrekorden gebracht. Aus diesen Gründen riefen Harbigs Aufnahme als Gründungsmitglied der Hall of Fame des deutschen Sports 2008 und das dafür angefertigte unkritische Porträt Ulrich Kaisers (1934–2015) Kritik hervor. Ungeachtet dessen wurde Harbig zum Namensgeber für Stadien, zahlreiche Sporthallen und Straßen.

    Sportliche Erfolge

    12. Juli 1936 Deutscher Meister im 800 Meter-Lauf (1:54,1 Minuten) Berlin
    1936 Bronze-Medaille als Schlussläufer des 4x400 Meter-Staffellaufs bei den Olympischen Spielen Berlin
    25. Juli 1937 Deutscher Meister im 800 Meter-Lauf (1:50,9 Minuten, deutscher Rekord) Berlin
    29. Juli 1938 Deutscher Meister im 800 Meter-Lauf (1:52,8 Minuten) Breslau (heute Wrocław, Polen)
    1938 Europameister im 800 Meter-Lauf und mit der 4x400 Meter-Staffel Paris
    18. Juni 1939 Weltrekord im 500 Meter-Lauf (1:01,7 Minuten) Erfurt
    9. Juli 1939 Deutscher Meister im 800 Meter-Lauf (1:49,4 Minuten, Weltrekord) Berlin
    15. Juli 1939 Weltrekord im 800 Meter-Lauf (1:46,6 Minuten) Mailand
    12. August 1939 Weltrekord im 400 Meter-Lauf (46,0 Sekunden) Frankfurt am Main
    11. Aug. 1940 Deutscher Meister im 800 Meter-Lauf (1:51,6 Minuten) Berlin
    24. Mai 1941 Weltrekord im 1000 Meter-Lauf (2:21,5 Minuten) Dresden
    20. Juli 1941 Deutscher Meister im 800 Meter-Lauf (1:54,0 Minuten) Berlin
    23. August 1941 Weltrekord mit der 4x800 Meter-Staffel (7:30,4 Minuten) Braunschweig
    26. Juli 1942 Deutscher Meister im 400 Meter-Lauf (0:48,1 Minuten) Berlin
  • Auszeichnungen

    seit 1950 Rudolf Harbig-Gedächtnispreis des Deutschen Leichtathletik-Verbands (jährlich)
    1951–1966 Internationales Rudolf-Harbig-Gedächtnis-Sportfest, Heinz-Steyer-Stadion oder Rudolf-Harbig-Stadion, Dresden (jährlich)
    1951–1970, seit 2018 Rudolf-Harbig-Stadion, Dresden
    2008 Gründungsmitglied der Hall of Fame des deutschen Sports
    Namensgeber zahlreicher Sportstätten und Straßen, u. a. Rudolf-Harbig-Weg, Ostragehege, Dresden (8.11.2013)
  • Quellen

    Nachlass:

    nicht bekannt.

    Weitere Archivmaterialien:

    Eheregister Dresden, Heiratsurkunde August Rudolf und Margarethe Helene Harbig (1911).

    Sterberegister Dresden, Sterbeurkunde Woldemar Rudolf Harbig (1945).

    Gedruckte Quellen:

    Woldemar Gerschler, Harbigs Aufstieg zum Weltrekord, 1939.

  • Literatur

    Monografien:

    Erhard Huhle/Ludwig Koppenwallner, Laufwunder Rudolf Harbig, Nürnberg 1949.

    Gerda Harbig, Unvergessener Rudolf Harbig, Leipzig [1955].

    Erhard Mallek, Rudolf Harbig. Der Wunderläufer aus Dresden, [2004].

    Aufsätze:

    Ulrich Popplow, Rudolf Harbig. Vom unbekannten Sportsmann zum Weltrekordläufer, in: Sozial- und Zeitgeschichte des Sports 2 (1988), H. 3, S. 8–30.

    Erik Eggers, Mythos in Ost und West. Der „Jahrhundertläufer“ Rudolf Harbig, in: Diethelm Blecking/Lorenz Peiffer (Hg.), Sportler im „Jahrhundert der Lager“. Profiteure, Widerständler und Opfer, 2012, S. 97–103.

    Ulrich Kaiser, Rudolf Harbig, in: Stiftung Deutsche Sporthilfe (Hg.), Hall of Fame des deutschen Sports, 2012, S. 144–147.

    Erik Eggers, Geschichtliche Aspekte in der präanabolen Phase, in: Giselher Spitzer (Hg.), Doping in Deutschland. Geschichte, Recht, Ethik. 1950–1972, 2013, S. 47–70.

    Karl-Heinz Keldungs, Rudolf Harbig, in: ders., Die deutsche Leichtathletik in 100 Porträts von Hanns Braun bis Malaika Mihambo, 2022, S. 56–60. (P)

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    Postwertzeichen der Deutschen Bundespost, 1968.

    Bronzerelief v. Karl Hillert (1927–2004), 1968.

  • Autor/in

    Erik Eggers (Kellinghusen, Holstein)

  • Zitierweise

    Eggers, Erik, „Harbig, Rudolf“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/123634245.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA