Hamburger, Käte
- Lebensdaten
- 1896 – 1992
- Geburtsort
- Hamburg
- Sterbeort
- Stuttgart
- Beruf/Funktion
- Literaturwissenschaftlerin ; Germanistin ; Philosophin ; Kritikerin
- Konfession
- jüdisch
- Normdaten
- GND: 118545264 | OGND | VIAF: 44311728
- Namensvarianten
-
- Hamburger, Käte
- Hamburger, Käte
- Hamburger, Käthe
- Hamburŭgŏ, K'aet'e
- Hamburger, Cäte
- Hamburger, Cäthe
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Personen im NDB Artikel
- Bernd Hoffmann (geb. 1957)
- Clemens Baeumker (1853–1924)
- Dorrit Cohn (1924–2012)
- Ernst Cassirer, 1874–1945
- Friedrich Schiller (1759–1805)
- Fritz Martini (1909–1991)
- Hans Christian Andersen (1805–1875)
- Hans Dieter Mück (geb. 1947)
- Heinrich Heine (1797–1856)
- Helmut Kreuzer (1927–2004)
- Henrik Ibsen (1828–1906)
- Herlinde Koelbl (geb. 1939)
- Ingrid Strohschneider-Kohrs (1922–2014)
- Jean Paul (1763–1825)
- Jean-Paul Sartre (1905–1980)
- Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
- Jürgen Kühnel (1944–2018)
- Novalis (1772–1801)
- Paul Hofmann (1880–1947)
- Rainer Maria Rilke (1875–1926)
- Reinhard Döhl (1934–2004)
- Thomas Mann (1875–1955)
Orte
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Hamburger, Käte
1896 – 1992
Literaturwissenschaftlerin
Käte Hamburger war eine deutsch-jüdische Literaturwissenschaftlerin und Philosophin. Für ihr wissenschaftliches Werk, das literaturhistorische Studien u. a. zu Novalis (1772–1801), Thomas Mann (1875–1955) und Rainer Maria Rilke (1875–1926) sowie literaturtheoretische Arbeiten, v. a. die „Logik der Dichtung“ (1957) umfasst, erhielt sie internationale Aufmerksamkeit.
Lebensdaten
Geboren am 21. September 1896 in Hamburg Gestorben am 8. April 1992 in Stuttgart Grabstätte Pragfriedhof in Stuttgart Konfession jüdisch Käte Hamburger, DLA Marbach (InC) -
Autor/in
→Andrea Albrecht (Heidelberg)
-
Zitierweise
Albrecht, Andrea, „Hamburger, Käte“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118545264.html#dbocontent
Hamburger entstammt einer reformiert-jüdischen Bankiersfamilie. Nach ihrem externen Abitur am traditionsreichen Johanneum in Hamburg nahm sie 1917 ein Studium der Philosophie (u. a. bei Ernst Cassirer, 1874–1945), Kunst- und Literaturgeschichte und Geschichte in Berlin auf und setzte es in München fort. Hier wurde sie 1922 bei Clemens Baeumker (1853–1924) mit einer philosophischen Studie zu Friedrich Schiller (1759–1805) zur Dr. phil. promoviert. Weil ihre Aussichten auf eine akademische Karriere als jüdische Frau gering waren, nahm sie eine Tätigkeit als Buchhändlerin in Hamburg auf, bemühte sich aber weiterhin, seit 1928 unterstützt durch den Philosophen Paul Hofmann (1880–1947) in Berlin, um ihre akademische Weiterqualifikation. Es entstanden Studien zu Jean Paul (1763–1825), Novalis (1772–1801) sowie zu Thomas Mann (1875–1955), ohne dass sich Hamburgers Habilitationspläne hätten realisieren lassen. Mit Mann, den sie 1932 persönlich kennenlernte, stand sie seither im Briefkontakt.
Nach einem Studienaufenthalt in Frankreich floh Hamburger 1934 vor den Nationalsozialisten nach Göteborg (Schweden), wo sie, unterstützt durch die jüdische Gemeinde, ihren Unterhalt als Sprachlehrerin und Kulturjournalistin bestritt und weitere literaturwissenschaftliche Arbeiten auf Schwedisch und Deutsch verfasste. Das Vorhaben, in Schweden nach 1945 erneut zu promovieren, um die Chancen auf eine universitäre Anstellung zu erhöhen, scheiterte ebenso wie Bewerbungen an die Universitäten Uppsala und Stockholm. Auch in Deutschland fand sie keine Unterstützung, bis sich 1956 der Stuttgarter Literaturwissenschaftler Fritz Martini (1909–1991) für sie einsetzte und ihr die Remigration ermöglichte. 1957 habilitierte sich Hamburger an der TH Stuttgart mit ihrer Studie „Die Logik der Dichtung“ und lehrte hier anschließend als Privatdozentin, von 1959 bis zu ihrem Ruhestand 1976 als außerplanmäßige Professorin für Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft. In diesen Jahren entstanden weitere literaturwissenschaftliche Studien zu Schiller, Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Heinrich Heine (1797–1856), Rainer Maria Rilke (1875–1926), Jean-Paul Sartre (1905–1980), Hans Christian Andersen (1805–1875), Henrik Ibsen (1828–1906), Thomas Mann und anderen, immer wieder auch literaturtheoretischen Themen.
Internationale Anerkennung erhielt Hamburger v. a. für ihre Verbindung von literaturtheoretischen, sprachanalytischen und philosophischen Fragen, mit der sie in „Die Logik der Dichtung“ das Spezifische literarischer Rede bestimmte und wesentliche Impulse für die Fiktionstheorie, die Gattungstheorie und den literaturwissenschaftlichen Strukturalismus gab. Mit ihrem Namen verbunden ist insbesondere der Versuch, Kriterien zu entwickeln, mit denen sich allein auf der Basis von Textmerkmalen (Tempus, Deiktika, Zeitadverbien) die Fiktionalität eines Textes erkennen lässt. Der Gebrauch des so genannten epischen Präteritums beispielsweise erzeugt demnach in einem fiktionalen Text – anders als in einem faktualen Text, also in Sachtexten, Briefen und für Hamburger auch in der Lyrik – keine zeitliche Distanzierung, es bezeichnet keine Vergangenheit. Vielmehr hat das epische Präteritum nach Hamburger eine atemporale Funktion und vermittelt den Eindruck von Gegenwärtigkeit.
Hamburgers Anregungen fanden in der Literaturwissenschaft starke positive wie negative Resonanz: Weil die von ihr genannten Kriterien zu keiner strengen Differenzierung von Fiktion und Wirklichkeitserzählung führen, geht man heute eher von einer Reihe von Indizien für die Identifikation von Fiktionalität aus. Gleichwohl spielen Hamburgers Einsichten in der Narratologie weiterhin eine zentrale Rolle. In Anerkennung ihrer besonderen Verdienste richtete das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2009 bundesweit zehn „Käte Hamburger Kollegs für geisteswissenschaftliche Forschung“ ein. Seit 2014 verfolgt die Universität Stuttgart mit der Käte-Hamburger-Forschungsstelle das Ziel, Hamburgers Werk zu sammeln und in einer Online-Edition verfügbar zu machen sowie Forschungen zu ihrem Schaffen zu befördern. Zu Hamburgers Schülerinnen und Schülern zählen u. a. Dorrit Cohn (1924–2012), Reinhard Döhl (1934–2004), Helmut Kreuzer (1927–2004), Jürgen Kühnel (1944–2018), Hans Dieter Mück (geb. 1947) und Ingrid Strohschneider-Kohrs (1922–2014).
1957 | Mitglied der Deutschen Schiller-Gesellschaft Marbach am Neckar | |
1958 | Mitglied der Thomas-Mann-Gesellschaft Zürich | |
1962 | Mitglied der Goethe-Gesellschaft Weimar | |
1962 | Mitglied der Hölderlin-Gesellschaft | |
1966–1971 | Mitglied des Deutschen PEN-Zentrums | |
Mitglied der International Federation of University Women | ||
Ehrenmitglied der Modern Language Association | ||
1966 | Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland | |
1984 | Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg | |
1987 | Dr. theol. h. c., Universität Göttingen | |
1989 | Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg | |
1999 | Käte-Hamburger-Weg, Göttingen | |
2009 | Käte Hamburger Kollegs für geisteswissenschaftliche Forschung | |
2013 | Käte Hamburger-Preis für herausragende Bachelorarbeiten in der germanistischen Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart |
Nachlass:
Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar.
Monografien:
Schillers Analyse des Menschen als Grundlage seiner Kultur- und Geschichtsphilosophie. Ein Beitrag zum Problem des Individualismus, dargestellt auf Grund seiner philosophischen Schriften, Typoskript 1922. (Diss. phil.)
Thomas Mann und die Romantik. Eine problemgeschichtliche Studie, 1932.
Leo Tolstoi: Gestalt und Problem, 1950, schwed. 1945.
Die Logik der Dichtung, 1957, 2. stark überarb. Aufl. 1968, 41994, engl. 1973, 2. überarb. Aufl. 1993, kroat. 1976, serb. 1982, franz. 1986, span. 1995, slowen. 2004, korean. 2001.
Von Sophokles zu Sartre. Griechische Dramenfiguren antik und modern, 1962, 51974.
Philosophie der Dichter. Novalis, Schiller, Rilke, 1966.
Rilke in neuer Sicht, 1971.
Kleine Schriften, 1976, 2. erw. Aufl. u. d. T. Kleine Schriften zur Literatur und Geistesgeschichte, 1986.
Wahrheit und ästhetische Wahrheit, 1979.
Thomas Manns biblisches Werk, 1981.
Das Mitleid, 1985.
Ibsens Drama in seiner Zeit, 1989.
Aufsätze:
Die Individuation der Gottesidee bei Jean-Paul, in: Jean-Paul-Blätter 3 (1928), S. 8–13.
Das Todesproblem bei Jean-Paul, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 7 (1929), S. 446–474.
Novalis und die Mathematik. Eine Studie zur Erkenntnistheorie der Romantik, in: Romantik-Forschungen, hg. v. Paul Kluckhohn/Erich Rothacker, 1929, S. 113–185.
Zwei Formen literatursoziologischer Betrachtung. Zu Erich Auerbachs Mimesis und Georg Lukàcs' Goethe in seiner Zeit, in: Orbis Litterarum 7 (1949), S. 142–160.
Zum Strukturproblem der epischen und dramatischen Dichtung, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 25 (1951), H. 1, S. 1–26.
Das epische Präteritum, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 27 (1953), H. 3, S. 330–357.
Das Opfer der delphischen Iphigenie, in: Wirkendes Wort 4 (1953/54), S. 221–231.
Die Zeitlosigkeit der Dichtung, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 29 (1955), S. 413–426.
Schillers Fragment ‚Der Menschenfeind‘ und die Idee der Kalokagathie, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 30 (1956), S. 367–400.
Der Epiker Thomas Mann, in: Orbis Litterarum 13 (1958), S. 7–14.
Schiller und Sartre, in: Jahrbuch der deutschen Schiller-Gesellschaft 3 (1959), S. 34–70.
Zum Problem des Idealismus bei Schiller, in: Jahrbuch der deutschen Schiller-Gesellschaft 4 (1960), S. 60–70.
Briefe:
Käte Hamburger/Klaus Schröter, Um Thomas Mann. Der Briefwechsel 1964–1990, hg. v. Klaus Schröter, 1994.
Thomas Mann/Käte Hamburger, Briefwechsel, hg. v. Hubert Brunträger, 1999.
Josef Körner, Philologische Schriften und Briefe, hg. v. Ralf Klausnitzer, 2001.
Bibliografien:
Johanna Bossinade/Angelika Schaser (Hg.), Käte Hamburger. Zur Aktualität einer Klassikerin, 2003, S. 209–214. (Bio-Bibliografie)
Claudia Löschner, Denksystem. Logik und Dichtung bei Käte Hamburger, 2013, S. 203–227.
Käte Hamburger, Aufsätze und Gedichte zu ihren Themen und Thesen. Zum 90. Geburtstag hg. v. Helmut Kreuzer/Jürgen Kühnel, 1986.
Konrad Feilchenfeldt, Rahel-Philologie im Zeichen der antisemitischen Gefahr (Margarete Susman, Hannah Arendt, Käte Hamburger), in: Rahel Levin Varnhagen. Studien zu ihrem Werk im zeitgenössischen Kontext, hg. v. Sabina Becker, 1987, S. 187–195.
Herlinde Koelbl, Hamburger, Käte, Interview, in: dies., Jüdische Portraits: Photographien und Interviews, 1989, S. 108–112. (P)
Howard Pollack, Novalis and Mathematics Revisited. Paradoxes of the Infinite in the Allgemeine Brouillon, in: Athenäum 7 (1997), S. 113–140.
Gesa Dane, Käte Hamburger (1896–1992), in: Christoph König/Hans-Harald Müller/Werner Röcke (Hg.), Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Porträts, 2000, S. 189–198.
Gesa Dane, Käte Hamburgers Brief an Rudolf Unger vom 3. Juli 1932, in: Querelle. Jahrbuch für Frauenforschung 6 (2001), S. 166–175.
Johanna Bossinade/Angelika Schaser (Hg.): Käte Hamburger. Zur Aktualität einer Klassikerin, 2003.
Caroline Domenghino, Käte Hamburger’s Logik der Dichtung in Contemporary Narrative Theory, in: Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur 100 (2008), H. 1, S. 25–32.
Marcel Lepper, „Genau und anders“. Zum Nachlass von Käte Hamburger, in: Zeitschrift für Germanistik 18 (2008), H. 3, S. 734–738.
Michael Scheffel, Käte Hamburger, in: Matias Martinez/Michael Scheffel (Hg.), Klassiker der modernen Literaturtheorie, 2010, S. 148–167.
Claudia Löschner: Denksystem. Logik und Dichtung bei Käte Hamburger, 2013.
Andrea Albrecht/Claudia Löschner (Hg.), Käte Hamburger. Kontext, Theorie und Praxis, 2015.
Lexikonartikel:
Gesa Dane, Art. „Hamburger, Käte“, in: Internationales Germanistenlexikon 1800–1950, hg. v. Christoph König, Bd. 2, 2003, S.657–660. (W, L)
Anke Hees, Aart. „Hamburger, Käte“, in: Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert, Bd. 14, hg. v. Konrad Feilchenfeldt, 2010, Sp. 15–18. (W, L)
Utz Maas, Art. „Hamburger, Käte“, in: ders., Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933–1945. (Onlineressource)
Waltraud Schiffels, Art. „Käte Hamburger“, in: FemBio. Frauen-Biographieforschung. (Onlineressource)
Käte-Hamburger-Forschungsstelle, Universität Stuttgart. (Bibliografie, P)
Fotografie v. Herlinde Koelbl (geb. 1939), in: dies., Jüdische Portraits. Photographien und Interviews, 1989, S. 109.