Glückel von Hameln

Lebensdaten
1645/46 – 1724
Geburtsort
Hamburg
Sterbeort
Metz
Beruf/Funktion
Kauffrau ; Verfasserin von Memoiren ; Autorin
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118539876 | OGND | VIAF: 19719354
Namensvarianten

  • Glikl Hamil
  • Glikl bas Juda Leib
  • Glückel von Hameln
  • Glikl Hamil
  • Glikl bas Juda Leib
  • Gliḳl bas Judah Leib
  • Gělîq, Hâmêl
  • Glickl bas Judah Leib, of Hamburg
  • Glikel, fun Hameln
  • Glikl, Hamil
  • Glikl, fun Hameln
  • Glikle
  • Gliḳel bat Layb
  • Gliḳel bat Leib
  • Gliḳel bat Leyb
  • Gliḳel bat Yehudah Leib, me-Hamburg
  • Gliḳel, Hamel
  • Gliḳel, me-Hameln
  • Gliḳel, von Hameln
  • Gliḳl bas̀ Yehudah Leyb
  • Gliḳl, me-Hameln
  • Gliql, Hamil
  • Gljukelʹ, fon Gamelʹn
  • Glueckel, of Hameln
  • Glückel
  • Glückel, Hameln
  • Glückel, von Hameln
  • Glückl
  • Glückl, von Hameln
  • Guelic
  • Hamel, Gliḳel
  • Hamel, Gliḳl
  • Hamel, Gl·i.kel
  • Hamelen, Gliḳel
  • Hameln, Glückel b. Loeb Pinkerle
  • Hameln, Glückel von
  • Hamil, Glikl
  • Hamil, Gliql
  • Hamil, Glueckel
  • Pinkerle, Glückel
  • גליקל
  • גליקל בת יהודה ליב, ‏מ‏המבורג‏
  • גליקל בת ליב
  • גליקל, בת יודה לייב
  • גליקל, ‏מ‏הומיל‏
  • האמיל, גליקל
  • האמל, גליקל בת ליב פינקרלה
  • האמלן, גליקל‏
  • המל, גליקל

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Zitierweise

Glückel von Hameln, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118539876.html [30.01.2025].

CC0

  • Glückel von Hameln

    Namensvarianten: Hamil; Glikl bas Juda Leib

    1645/46 – 1724

    Kauffrau, Verfasserin von Memoiren

    Die Kauffrau Glückel von Hameln wurde als Autorin von Memoiren in jüdisch-deutscher Sprache (1691–1719) bekannt. Nach deren Entdeckung und Publikation durch David Kaufmann (1852–1899) („Sichrojnes maras Glikl Hamil“, 1896), gefolgt von der Übertragung ins Deutsche 1910 durch Bertha Pappenheim (1859–1936) und 1913 durch Alfred Feilchenfeld (1860–1923) wurde Glückels Autobiografie als eines der bedeutendsten Zeugnisse jüdischen Privat- wie sozialen Lebens in der Neuzeit anerkannt.

    Lebensdaten

    geboren am 1645/46 in Hamburg
    gestorben am 17. September 1724 in Metz
    begraben in Metz
    Konfession jüdisch
    Denkwürdigkeiten der Glückel von Hameln (Titelblatt) == Titelblatt der deutschen Erstausgabe der „Denkwürdigkeiten der Glückel von Hameln“, hg. v. Alfred Feilchenfeld, Berlin 1913. (Onlineressource)
    Denkwürdigkeiten der Glückel von Hameln (Titelblatt) == Titelblatt der deutschen Erstausgabe der „Denkwürdigkeiten der Glückel von Hameln“, hg. v. Alfred Feilchenfeld, Berlin 1913. (Onlineressource)
  • 1645/46 - Hamburg

    1657 - Hameln

    Verlobung mit Chajim

    1660 - 1661 - Hamburg

    Übersiedlung zu ihren Eltern

    1661 - Hamburg

    Bezug eines eigenen Hauses in der Hamburger Neustadt

    1691 - Hamburg

    Beginn der Autobiografie

    1702 - Metz

    Bankrott des Ehemanns

    1715 - Metz

    Übersiedlung zur Tochter Mirjam

    1719 - Metz

    Beendigung der Autobiografie

    17. September 1724 - Metz

    Das Geburtsjahr Glückels von Hameln ist ungewiss; sie selbst macht verschiedene Jahresangaben. Wahrscheinlich wurde sie 1645 geboren, da sie über die Vertreibung der Juden aus Hamburg 1648 in der Endphase des Dreißigjährigen Kriegs (1618–1648) berichtet, bei der sie knapp drei Jahre gewesen wäre. Ihre Familie siedelte vorübergehend in das zu Dänemark gehörende Altona über. 1657 wurde sie mit Chajim aus Hameln verlobt, 1659 heiratete das Paar. In ihrer glücklichen Ehe brachten es beide zu Wohlstand in ihrem gemieteten Haus in der Hamburger Neustadt, einem aschkenasischen Wohnviertel. Chajim betrieb internationale und vielfältige Geschäfte, die Glückel nach seinem Tod 1689 weiterführte. Hierzu reiste sie zu Messen – ein gefährliches und für eine Frau höchst ungewöhnliches Unterfangen – und war in deutschen Landen unterwegs – in Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin und Amsterdam. Die existentiellen Belastungen als Kauffrau und Mutter ließen sie 1691 mit der Niederschrift der Erinnerungen beginnen. 1699 ging sie eine zweite Ehe mit einem reichen Witwer aus Metz ein, der aber bald Bankrott ging, sodass das Paar auf die Unterstützung seiner Kinder angewiesen war. Glückel handelte wohl nebenher mit Juwelen, blieb aber nach dem Tod des zweiten Ehemanns 1712 mit wenig Geld zurück und lebte bei Verwandten. 1715 zog sie in Metz gegen innere Widerstände zu ihrer Tochter Esther, wo sie 1719 die Niederschrift ihrer Erinnerungen beendete.

    Obwohl als fromme jüdische Frau nicht zur Autorin prädestiniert, verfasste Glückel ihre privaten Memoiren für ihre Nachkommen als Zeugnis über deren Herkunft. Glückel benutzte dafür hebräische Lettern in dem Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts noch gebräuchlichen judendeutschen Idiom. Sie beschrieb Geburten, Verlobungen und Hochzeiten, vielfach die Partner und Umstände lobend. Glückel berichtete auch über die Fluchtwelle von Juden in den Westen nach den Judenverfolgungen in Osteuropa im Gefolge des Kosakenaufstands 1648 und der Pestepidemie 1664. Dabei folgten viele Juden 1666 dem „Messias“ Schabtai Zwi aus Smyrna (1626–1676) – darunter Glückels Schwiegereltern, die nur bis Hildesheim gelangten –, der sie nach Vorderasien und Nordafrika führen wollte. Die Erschütterung der internationalen jüdischen Gemeinschaft durch die Affäre um den falschen Messias hielt Glückel in ihrer Autobiografie ebenso fest wie andere historische Vorkommnisse der Zeit, z. B. die Konflikte zwischen Schweden und Dänemark oder die Pest in Hamburg von 1664. Ihre Texte sind ein authentisches Zeugnis des westeuropäischen jüdischen Lebens in schwierigen Jahren und zugleich ein kulturgeschichtliches Dokument der jüdischen Frauenbildung an der Schwelle zu einer neuen Zeit, in der sich die Emanzipation der Juden abzuzeichnen begann. Sie enthalten neben einer Familienchronik vor historischem Hintergrund ein Kompendium erbaulicher Geschichten aus der jüdischen Traditionsliteratur, die Glückel dank ihrer Bildung im Elternhaus kannte.

    Glückel von Hameln gilt mit ihren über mehr als 28 Jahre reichenden privaten Aufzeichnungen in sieben Bänden als erste schreibende Jüdin der deutsch-jüdischen Geschichte. Ihr Originalmanuskript ist nicht erhalten. Im deutschsprachigen Raum bekannt wurde sie seit 1896, als der Budapester Gelehrte David Kaufmann (1852–1899) die „Erinnerungen der Frau Glikl Hamil“ in jiddischer Sprache nach der Abschrift von Glückels Sohn, dem Rabbiner Moses Hameln Goldschmidt, veröffentlichte. Die österreichische Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim (1859–1936), eine entfernte Verwandte Glückels, und der Lehrer an der Israelitischen Realschule in Fürth, Alfred Feilchenfeld (1860–1923 edierten sie 1910/13 in deutscher Übersetzung. Das Werk wurde ins Hebräische, Französische, Englische und Russische übersetzt. Glückels Leben diente als Vorlage für belletristische Werke: 1941 veröffentlichte Margoa Winston (eigtl. Minnie Hannah Winer Epstein, geb. 1895) ihr Theaterstück „Glückel of Hameln“, 1967 erschien Bea Stadtlers (1921–2000) Roman „The Adventures of Gluckel of Hameln“.

    Glückel war eine große Ausnahme in ihrer Zeit. Als fromme jüdische Frau ohne formelle Bildung, nur mit den Kenntnissen der Midraschliteratur ausgestattet, diente sie als vielfache Mutter, Partnerin ihres Mannes, dann als verwitwete Geschäftsfrau und Ernährerin der Großfamilie später als Vorbild im Kampf um die Frauenemanzipation. Jüdische Frauenrechtlerinnen, wie Pappenheim, haben sie als solche gewürdigt. Als Chronistin des deutsch-jüdischen Lebens an der Schwelle zur Moderne hat sie zudem künftigen weiblichen Schriftstellerinnen den Weg gewiesen.

    2016 Glückel-von Hameln-Straße, Hamburg-Altona-Nord

    Sichrojnes maras Glikl Hamil, hg. v. David Kaufmann, 1896. (jiddisch)

    Die Memoiren der Glückel von Hameln. Übers. v. Bertha Pappenheim nach der Ausg. v. David Kaufmann, 1910, Nachdr. mit Vorw. v. Viola Roggenkamp 1994, 2005.

    Denkwürdigkeiten der Glückel von Hameln. Übers. u. hg. v. Alfred Feilchenfeld, 1913, Nachdr. 1999.

    The Life of Glückel of Hameln 1646-1724. Übers. u. hg. v. Beth-Zion Abrahams, 1962. (englisch)

    Glikl. Memoires 1691-1719. Übers. u. hg. v. Chava Turniansky, 2006. (hebräisch)

    Glikl bas Jehudah Leib, Die Memoiren der Glückel von Hameln, 2015. (e-Book)

    Israela Klayman-Cohen, Die hebräische Komponente im Westjiddischen am Beispiel der Memoiren der Glückel von Hameln, 1994.

    Ulla Hinnenberg, Die Kehille. Geschichte und Geschichten der Altonaer jüdischen Gemeinde, 1996.

    Gabriele Jancke, Die זכרונות (sichronot, Memoiren) der jüdischen Kauffrau Glückel von Hameln zwischen Autobiographie, Geschichtsschreibung und religiösem Lehrtext. Geschlecht, Religion und Ich in der Frühen Neuzeit, in: Magdalene Heuser (Hg.), Autobiographien von Frauen. Beiträge zu ihrer Geschichte, 1996, S. 93–134.

    Monika Richarz (Hg.), Die Hamburger Kauffrau Glikl. Jüdische Existenz in der Frühen Neuzeit, 2001.

    Marianne Awerbuch, Vor der Aufklärung: Die Denkwürdigkeiten der Glückel von Hameln – ein jüdisches Frauenleben am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts, in: Willi Jasper/Joachim H. Knoll (Hg.), Preußens Himmel breitet seine Sterne ... Beiträge zur Kultur-, Politik- und Geistesgeschichte der Neuzeit. Festschrift zum 60. Geburtstag von Julius H. Schoeps 2002, S. 163–181.

    Natalie Zemon Davis, Mit Gott rechten. Das Leben der Glikl bas Judah Leib, genannt Glückel von Hameln, 2003.

    Elvira Groezinger, Glückel von Hameln: Kauffrau, Mutter und erste jüdisch-deutsche Autorin, 2004.

    Barbara Honigmann, Das Gesicht wiederfinden. Über Schreiben, Schriftsteller und Judentum. Essays, 2006.

    Nathanael Riemer, Some Parallels of Stories in Glikls of Hameln „Zikhroynes“, in: PaRDeS. Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien 14 (2008), S. 125–148.

    Matthias Morgenstern, Unterwegs in symbolischen Räumen. Mobilität in der späten jüdischen Vormoderne am Beispiel der Glückel von Hameln, in: H. P. Jürgens/Thomas Weller (Hg.), Religion und Mobilität. Zum Verhältnis von raumbezogener Mobilität und religiöser Identitätsbildung im frühneuzeitlichen Europa, 2010, S. 59–73.

    Bernhard Gelderblom, Die Juden von Hameln, 2011, S. 26–29.

    Ingeborg Grolle, Die jüdische Kauffrau Glikl (1646–1724), 2011.

    Helga Altkrüger-Roller, Couragierte Frauen aus Hameln & Umgebung, 2012, S. 12–19.

    kein authentisches Porträt bekannt.

    Gemälde (Öl/Leinwand) Bertha Pappenheim im Kostüm Glückels von Hameln v. Leopold Pilichowski (1869–1933), 1910–1914 oder 1925, Original verschollen, Fotografie im Leo Baeck Institute, New York City.

  • Autor/in

    Elvira Groezinger (Berlin)

  • Zitierweise

    Groezinger, Elvira, „Glückel von Hameln“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118539876.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA