Geyer, Curt
- Lebensdaten
- 1891 – 1967
- Geburtsort
- Leipzig
- Sterbeort
- Lugano (Kanton Tessin)
- Beruf/Funktion
- Politiker ; Journalist ; Publizist ; Abgeordneter
- Konfession
- konfessionslos
- Normdaten
- GND: 118539027 | OGND | VIAF: 64798993
- Namensvarianten
-
- Geyer, Curt Theodor
- Curt Geyer-Harding
- Klinger, Max
- Geyer, Curt
- Geyer, Curt Theodor
- Curt Geyer-Harding
- Klinger, Max
- Geyer, C.
- Geyer, Curt T.
- Geyer, Kurt
- Geyer, Kurt Theodor
- Geyer, Theodor Curt
- Kurt Geyer-Harding
- Geyer, Kurt T.
- Geyer, Theodor Kurt
Vernetzte Angebote
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- * Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin
- Sächsische Bibliographie
- * Jahresberichte für deutsche Geschichte - Online
Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
Personen in der GND - familiäre Beziehungen
Orte
Symbole auf der Karte
Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.
-
Geyer, Curt Theodor (seit 1949 Curt Geyer-Harding)
Pseudonym: Max Klinger (1933–1942)
1891 – 1967
Curt Geyer war zu Beginn der Weimarer Republik einer der einflussreichsten Politiker und Publizisten der radikalen Linken. Er hatte großen Anteil am Linkskurs der USPD und zählte Ende 1920 zu den Gründern der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands. Nach seinem Bruch mit der Sowjetunion avancierte er seit 1921 zu einem bedeutenden sozialdemokratischen Publizisten. Seit 1933 engagierte er sich im Exil als Vordenker der SPD im Sinne des späteren Godesberger Programms.
Lebensdaten
Geboren am 19. November 1891 in Leipzig Gestorben am 24. Juni 1967 in Lugano (Kanton Tessin) Konfession konfessionslos -
Autor/in
→Mike Schmeitzner (Dresden)
-
Zitierweise
Schmeitzner, Mike, „Geyer, Curt“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118539027.html#dbocontent
Geyer wurde durch seinen Vater, einen führenden sächsischen Sozialdemokraten, früh politisch geprägt, besuchte seit 1898 die Bürgerschule und Oberrealschule in Leipzig und studierte hier seit 1911 Geschichte und Nationalökonomie. Zu seinen akademischen Lehrern zählten u. a. Erich Brandenburg (1868–1946) und Karl Lamprecht (1856–1915). Im Frühjahr 1914 bei Brandenburg und Gerhard Seeliger (1860–1921) mit einer Dissertation über die politischen Parteien und öffentliche Meinung in Sachsen während der 1848er Revolution zum Dr. phil. promoviert, ging er im selben Jahr als Volontär zur „Leipziger Volkszeitung“, an der sein Vater bereits als Redakteur gearbeitet hatte.
Nach kurzer Tätigkeit bei der sozialdemokratischen „Fränkischen Tagespost“ (Nürnberg) war Geyer während des Ersten Weltkriegs v. a. als (Chef-)Redakteur der SPD-Blätter „Fränkischer Volksfreund“ (Würzburg) und „Leipziger Volkszeitung“ tätig. Den Krieg, an dem er wegen extremer Kurzsichtigkeit nicht teilnahm, sowie die Bewilligung der Kriegskredite durch die Mehrheit der SPD-Reichstagsfraktion lehnte Geyer ab. Mit seinem Vater, der bereits am 3. August 1914 in der Fraktion gegen die Kreditbewilligung gestimmt hatte, gehörte er 1917 zu den Gründern der USPD, in der er aufgrund seiner organisatorischen, rhetorischen und publizistischen Fertigkeiten zu einem Führer des linken Parteiflügels avancierte. Geyers weitere Karriere war eng mit der Revolution 1918/19 verknüpft: Im Dezember 1918 war er Delegierter des Ersten Reichskongresses der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin, auf dem ihn die USPD-Fraktion zum Vorsitzenden wählte. Seit Januar 1919 vertrat er seine Partei in der Nationalversammlung, seit Juni 1920 als Abgeordneter des Reichstags.
Im Februar wurde Geyer Vorsitzender des zu Beginn der Weimarer Republik einflussreichen Leipziger Arbeiter- und Soldatenrats und spielte beim mitteldeutschen Generalstreik im Frühjahr 1919 eine führende Rolle. Als rigoroser Verfechter einer Räte- und Minderheitsdiktatur unterlag er Ende 1919 jedoch in einem internen Konflikt mit den gemäßigten Kräften der Leipziger USPD, verließ daraufhin die Stadt und fungierte 1920 kurzzeitig als Chefredakteur der „Hamburger Volkszeitung“. Zu dieser Zeit forderte er einen Anschluss der USPD an die Kommunistische Internationale und eine Vereinigung mit der KPD, die im Dezember 1920 mit der Gründung der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands unter Führung von Paul Levi (1883–1930) vollzogen wurde.
Infolge der gewaltsamen „Märzaktion“ der KPD in Mitteldeutschland, die eine Revolution nach bolschewistischem Vorbild initiieren sollte, wandte sich Geyer vom linken Radikalismus ab und kehrte mit Levi über die Kommunistische Arbeitsgemeinschaft und USPD im September 1922 in die SPD zurück. In der Folgezeit unterstützte er als einflussreicher Publizist (v. a. „Der Radikalismus in der deutschen Arbeiterbewegung. Ein soziologischer Versuch“, 1923) und Redakteur des „Vorwärts“ im Ressort Innenpolitik den rechten, reformorientierten Parteiflügel.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme ging Geyer im Oktober 1933 in das Exil nach Prag und spielte als Chefredakteur des „Neuen Vorwärts“ – bis 1935 mit Friedrich Stampfer (1874–1957) – eine zentrale Rolle im publizistischen Kampf gegen die NS-Diktatur. Seit Ende 1933 beratendes Mitglied im Exil-Vorstand der SPD (Sopade), wandte er sich gegen den anfänglichen Linksruck und alle Überlegungen zu einem Bündnis mit der KPD. In seiner Schrift „Die Partei der Freiheit“ (1939) warb er für eine pluralistische, liberale Demokratie und die klare Orientierung am Westen. Unter Historikern gilt Geyer deswegen als wichtiger Vordenker der Exil-SPD und als Wegbereiter des späteren Godesberger Programms der SPD (1959) sowie der „Westernisierung“ der SPD.
Im Juni 1941 emigrierte Geyer nach London, wo er im Jahr darauf mit der Exil-SPD brach. Nach einem Entfremdungsprozess, der sich v. a. aus der Ernüchterung über die Zustimmung großer Teile des deutschen Volks zur NS-Diktatur speiste, warf er der SPD nun Nationalismus sowie indirekt eine Mitschuld am Aufstieg des Nationalsozialismus vor. Zeitweilig schloss er sich der einflussreichen, radikal antideutsch orientierten „Fight for Freedom“-Gruppe im geistigen Umfeld des Diplomaten Robert Gilbert Vansittart (1881–1957) an. Nach dem Zweiten Weltkrieg entschloss sich Geyer gegen eine Rückkehr nach Deutschland. Sein Ende 1947 unternommener Versuch, eine eigene Korrespondenz mit dem Titel „German Affairs“ herauszugeben, die v. a. den deutschen Nationalismus kritisierte, blieb erfolglos; die Korrespondenz musste nach wenigen Monaten wieder eingestellt werden. Von 1947 bis 1963 verdiente Geyer seinen Lebensunterhalt als Korrespondent deutscher Zeitungen, darunter der „Süddeutschen Zeitung“, in London. Seine in den letzten Lebensjahren verfassten, 1976 vom Münchner Institut für Zeitgeschichte edierten Erinnerungen „Die revolutionäre Illusion“ sind eine bedeutende Quelle für die Frühgeschichte der Weimarer Republik.
Teilnachlass:
Deutsche Nationalbibliothek, Deutsches Exilarchiv 1933–1945, Frankfurt am Main, EB 2008/071. (Curt Geyer und Irene Herzfeld)
Weitere Archivmaterialien:
Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, München, MS 266. (Erinnerungen Curt Geyer 1963/65, 9 Bde.)
Gedruckte Quelle:
Die revolutionäre Illusion. Zur Geschichte des linken Flügels der USPD. Erinnerungen von Curt Geyer, hg. v. Wolfgang Benz/Hermann Graml, 1976. (Onlineressource)
Monografien und Herausgeberschaften:
Politische Parteien und öffentliche Meinung in Sachsen von der Märzrevolution bis zum Ausbruch des Maiaufstands 1848–1849, 1914 (Diss. phil.); leicht überarb. Neuausg. u. d. T. Politische Parteien und Verfassungskämpfe in Sachsen von der Märzrevolution bis zum Ausbruch des Maiaufstandes 1848–1849, 1914.
Sozialismus und Rätesystem. Die Richtlinien der Fraktion der U.S.P.D. auf dem zweiten Rätekongreß für den Aufbau des Rätesystems, 1919.
Für die dritte Internationale! Die U.S.P.D. am Scheidewege, 1920.
Der Radikalismus in der deutschen Arbeiterbewegung. Ein soziologischer Versuch, 1923.
Drei Verderber Deutschlands. Ein Beitrag zur Geschichte Deutschlands und der Reparationsfrage von 1920 bis 1924, 1924.
Führer und Masse in der Demokratie, 1926.
Volk in Ketten. Deutschlands Weg ins Chaos, 1934. (unter dem Pseudonym Max Klinger)
Revolution gegen Hitler! Die historische Aufgabe der deutschen Sozialdemokratie, [ca. 1933]. (anonym)
Die Partei der Freiheit, 1939, Nachdr. in: Kurt Klotzbach (Hg.), Drei Schriften aus dem Exil, 1974, S. 301–356.
Curt Geyer/Walter Loeb, Gollancz in German Wonderland, 1942.
Hitler’s New Order – Kaiser’s Old Order, 1942.
Masse und Macht. Von Bismarck zu Hitler, 1948.
Aufsätze:
Jörg Später, Der Vordenker Curt Geyer, in: ders., Vansittart. Britische Debatten über Deutsche und Nazis 1902–1945, 2003, S. 298–313.
Rainer Behring, Option für den Westen. Rudolf Hilferding, Curt Geyer und der antitotalitäre Konsens, in: Mike Schmeitzner (Hg.), Totalitarismuskritik von links. Deutsche Diskurse im 20. Jahrhundert, 2007, S. 135–160.
Mike Schmeitzner, Proletarische Diktatur oder freiheitliche Demokratie? Die Wandlungen des Curt Geyer, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung, 2008, S. 285–295.
Jan Gerber/Anja Worm, Die Legende vom „anderen Deutschland“ (Vorwort), in: Curt Geyer/Walter Loeb „Fight for Freedom!“. Die Legende vom „anderen Deutschland“, hg. v. Jan Gerber/Anja Worm, 2009, S. 9–31.
Bernward Anton, Curt Geyers Kampf gegen die Burgfriedenspolitik der Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg, in: Frank Jacob/Riccardo Altieri (Hg.), Krieg und Frieden im Spiegel des Sozialismus 1914–1918, 2018, S. 33–59.
Lexikon- und Handbuchartikel:
N. N., Art. „Curt Geyer“, in: Handbuch des Vereins Arbeiterpresse, hg. v. Vorstand des Vereins Arbeiterpresse. Vierte Folge, 1927, S. 158.
H. Naumann, Art. „Curt Geyer“, in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Biographisches Lexikon, hg. v. Institut für Marxismus-Leninismus, 1970, S. 155 f.
David W. Morgan, The Socialist Left and the German Revolution. A History of the German Independent Social Democratic Party 1917–1922, 1975, S. 460 f. (Biogramm).
Wolfgang Benz, Art. „Curt Geyer“, in: ders./Hermann Graml (Hg.), Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, 1988, S. 106.
Martin Schumacher, Curt Geyer, in: ders. (Hg.), M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945, 1991, S. 237.
Wilhelm Heinz Schröder, Curt Geyer, in: ders. (Hg.), Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1867–1933, 1996, S. 464 f.
Thomas Adam, Art. „Curt Theodor Geyer”, in: Manfred Asendorf/Rolf von Bokel (Hg.), Demokratische Wege. Deutsche Lebensläufe aus fünf Jahrhunderten, 1997, S. 206–208.
Werner Röder/Herbert A. Strauss, Art. „Curt Geyer“, in: dies. (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, 1999, S. 221.
Hermann Weber/Andreas Herbst, Art. „Curt Geyer“, in: dies., Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, 2004, S. 243 f.
Fotografie, ca. 1918, Abbildung in: Handbuch der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung. Weimar 1919. Biographische Notizen und Bilder, hg. v. Bureau des Reichstags, 1919, S. 362. (Onlineressource)