Frisch, Karl Ritter von
- Lebensdaten
- 1886 – 1982
- Geburtsort
- Wien
- Sterbeort
- München
- Beruf/Funktion
- Zoologe ; Verhaltensforscher ; Hochschullehrer ; Wissenschaftler ; Biologe
- Konfession
- römisch-katholisch
- Normdaten
- GND: 118693670 | OGND | VIAF: 89778183
- Namensvarianten
-
- Frisch, Karl Ritter von
- Frisch, Karl von
- Frisch, K. von
- Frisch, Karl Adolf Robert von
- Frisch, Karl v.
- Friš, K.
- Friš, Karl
- Friš, Karl fon
- Von Frisch, Karl
- Frisch, Carl Ritter von
- frisch, karl ritther von
- Frisch, Carl von
- Frisch, Carl Adolf Robert von
- Frisch, Carl v.
- Friš, Carl
- Friš, Carl fon
- Von Frisch, Carl
Vernetzte Angebote
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- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
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Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
- Adrian Wenner (geb. 1928)
- Carl von Heß (1863–1923)
- Ernst Albert Scharrer (1905–1965)
- Felicitas Timpe
- Hans Przibram (1874–1944)
- Herbert Heran (1920–1992)
- Karl Daumer (geb. 1932)
- Karl Grobben (1854–1945)
- Konrad Lorenz (1903–1989)
- Martin Lindauer (1918–2008)
- Maximilian Renner (1919–1990)
- Nikolaas Tinbergen (1907–1988)
- Otto Körner (1858–1935)
- Richard Hertwig (1850–1937)
Personen in der GND - familiäre Beziehungen
Orte
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-
Frisch, Karl Ritter von
1886 – 1982
Zoologe, Verhaltensforscher
Karl Ritter von Frisch war ein Wegbereiter der Verhaltensforschung. Mit seinen Forschungen zur Sinnesphysiologie und intraspezifischen Kommunikation insbesondere bei Fischen und Bienen lieferte er zentrale Beiträge zur Physiologie, Neurobiologie und Verhaltensforschung. Für die Entschlüsselung der Kommunikation bei Bienen erhielt er 1973 mit Konrad Lorenz (1903–1989) und Nikolaas Tinbergen (1907–1988) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.
Lebensdaten
Geboren am 20. November 1886 in Wien Gestorben am 12. Juni 1982 in München Grabstätte Friedhof am Perlacher Forst in München Konfession römisch-katholisch -
Autor/in
→Christian Reiß (Regensburg)
-
Zitierweise
Reiß, Christian, „Frisch, Karl Ritter von“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.04.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118693670.html#dbocontent
Nach der Matura am Schottengymnasium in Wien 1905 studierte Frisch Medizin an der Universität Wien, legte 1908 sein Examen ab und wechselte an die Universität München, um bei Richard Hertwig (1850–1937) Zoologie zu studieren. 1909 nach Wien zurückgekehrt, arbeitete er bei dem Zoologen Hans Przibram (1874–1944) an der Biologischen Versuchsanstalt. Hier betrieb Frisch Forschungen zur neurophysiologischen Steuerung des Farbwechsels bei Fischen, bei denen ihn auch sein Onkel, der Wiener Physiologe Sigmund Exner (1846–1926), betreute. Mit der daraus hervorgehenden Dissertation „Ueber die Beziehungen der Pigmentzellen in der Fischhaut zum sympathischen Nervensystem“ wurde er 1910 bei Karl Grobben (1854–1945) zum Dr. phil. promoviert. Im Anschluss war Frisch Assistent bei Hertwig in München, wo er sich 1912 mit der Arbeit „Über farbige Anpassungen bei Fischen“ für Zoologie und Vergleichende Anatomie habilitierte und bis 1914 als Privatdozent tätig war.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs ging Frisch nach Wien zurück und arbeitete bei seinem Bruder Otto Ritter von Frisch (1877–1956) im Rudolfinerhaus, einem Krankenhaus. Nach Kriegsende kehrte er 1919 auf die Münchner Assistentenstelle zurück, bis er 1921 als Ordinarius für Zoologie und Direktor des Zoologischen Instituts an die Universität Rostock berufen wurde. 1923 folgte er einem Ruf auf dieselbe Position an die Universität Breslau (Schlesien, heute Wrocław, Polen), bevor er 1925 als Nachfolger Hertwigs wieder nach München wechselte. Hier verantwortete er den Neubau des Institutsgebäudes mit Mitteln der Rockefeller Foundation. Zur Vorbereitung dieses Projekts unternahm er 1930 auf Einladung der Stiftung eine ausgedehnte Vortragsreise durch die USA.
Während der NS-Zeit wurde Frisch als „Vierteljude“ eingestuft. Das Reichsunterrichtsministerium konnte erst 1941 die bis dahin unbekannte Abstammung seiner Großmutter mütterlicherseits nachweisen. Als Reaktion betonte Frisch die kriegswichtigen Aspekte seiner Forschung und verblieb so auf seinem Lehrstuhl. Aufgrund der Zerstörung des Zoologischen Instituts in München ging Frisch 1946 als Professor für Zoologie an die Universität Graz, 1949 reiste er ein weiteres Mal zu zahlreichen Vorträgen in die USA. Als politisch unbelastet geltend, kehrte er 1950 auf seinen alten Lehrstuhl in München zurück und baute das im Krieg stark zerstörte Institut wieder auf. Nach seiner Emeritierung 1958 blieb er bis zu seinem Tod 1982 wissenschaftlich tätig.
In seinen Forschungen beschäftigte sich Frisch v. a. mit der Sinnesphysiologie und dem Verhalten von Fischen und Bienen. Dabei verband er klassische Zoologie mit der experimentellen Methode, wie er sie insbesondere in der Biologischen Versuchsanstalt Wien kennengelernt hatte. Zu Beginn seiner Karriere untersuchte er den Zusammenhang zwischen der Sinneswahrnehmung und Farbveränderungen bei Fischen. Ausgangspunkt für seine Untersuchungen waren die Arbeiten von Carl von Heß (1863–1923), Professor für Augenheilkunde in München. Frisch widerlegte 1912 dessen 1909 veröffentlichte Auffassung, wonach alle Fische und Wirbellosen farbenblind seien, woraus sich eine Kontroverse zwischen beiden entwickelte, die Frisch 1914 für sich entschied. In den 1930er Jahren erweiterte er seine Untersuchungen auf den Geschmackssinn und das Gehör der Fische. Auch hier widerlegte er experimentell die u. a. von Otto Körner (1858–1935), Professor für Ohrenheilkunde in Rostock, vertretene Annahme, dass Fische über keinen Gehör- und Geruchssinn verfügen.
Mit der Übertragung dieses experimentellen Forschungsansatzes zwischen Sinnesphysiologie und Verhaltensforschung auf die Honigbiene fand Frisch sein Lebensthema. Auch bei diesen Tieren wies er verschiedene Sinnesleistungen wie den Geruchssinn sowie die Wahrnehmung von Farben, polarisiertem Licht und Magnetfeld nach. Dabei interessierte er sich v. a. für die Rolle dieser Sinnesleistungen bei der Orientierung im Raum und bei der intraspezifischen Kommunikation.
Wegweisend war seine Entdeckung der intraspezifischen Kommunikation bei Bienen mithilfe der sog. Tanzsprache. Anfang der 1920er Jahre stellte er erste Überlegungen zur Kommunikation der Bienen vor. In den folgenden Jahrzehnten entschlüsselte er die Tanzbewegungen der Bienen als Kommunikation über Ort und Entfernung (Schwänzeltanz) sowie Beschaffenheit (Rundtanz) neuer Nahrungsquellen. 1967 argumentierte der US-amerikanische Zoologe Adrian Wenner (geb. 1928) gegen Frischs Interpretation als Tanzsprache, weil er annahm, dass sich Bienen ausschließlich anhand des Geruchs orientieren. Die intensiv geführte Kontroverse wurde 1973 aufgrund weiterer Erkenntnisse anderer Forscher zugunsten Frischs entschieden. Im selben Jahr erhielt Frisch mit Konrad Lorenz (1903–1989) und Nikolaas Tinbergen (1907–1988) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.
Frisch publizierte zudem Texte für Imker und populärwissenschaftliche Beiträge. Ebenso machte er die Tanzsprache der Bienen mit Filmen bekannt, die er bereits in den 1920er Jahren angefertigt hatte und die nach 1945 über das Institut für den wissenschaftlichen Film an Schulen und Hochschulen gezeigt wurden. Zu seinen wichtigsten Schülern zählen die Zoologen Ernst Albert Scharrer (1905–1965), Martin Lindauer (1918–2008), Maximilian Renner (1919–1990), Herbert Heran (1920–1992) und Karl Daumer (geb. 1932). Frischs Forschungen legten den Grundstein für eine eigene Tradition innerhalb der Verhaltensforschung, die nach ihm und Lindauer benannt ist und heute zur Neuroethologie gezählt wird. Auch im weiteren Sinne hatte die von ihm entwickelte experimentelle Erforschung der intraspezifischen Kommunikation insbesondere von Insekten großen Einfluss auf die Biologie und verwandter Disziplinen.
1924 | korrespondierendes Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig (Pommern, heute Gdańsk, Polen) |
1926 | Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München (weiterführende Informationen) |
1935 | Mitglied der Leopoldina (weiterführende Informationen) |
1947 | korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen |
1949 | Dr. phil. h. c., Universität Bern |
1952 | Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste (weiterführende Informationen) |
1952 | auswärtiges Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences |
1954 | auswärtiges Mitglied der Royal Society, London |
1955 | Dr. h. c., ETH Zürich |
1956 | Ehrenring der Stadt Wien |
1957 | Ehrenmitglied der Deutschen Zoologischen Gesellschaft |
1957 | Dr. h. c., Universität Graz |
1959 | Bayerischer Verdienstorden |
1959 | auswärtiges Mitglied der Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen |
1960 | Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst |
1963 | Ehrendoktor, Harvard University, Cambridge (Massachusetts, USA) |
1963 | Balzan-Preis für Biologie |
1964 | Dr. h. c., Universität Tübingen |
1969 | Dr. h. c., Universität Rostock |
1973 | Nobelpreis für Medizin oder Physiologie (mit Nikolaas Tinbergen und Konrad Lorenz) (weiterführende Informationen) |
1974 | Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
1980 | Karl-von-Frisch-Medaille der Deutschen Zoologischen Gesellschaft (zweijährlich) (weiterführende Informationen) |
1981 | Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst |
1981 | Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien |
1995 | Karl-von-Frisch-Gymnasium, Dußlingen |
Karl-Ritter-von-Frisch-Weg, Würzburg |
Nachlass:
Bayerische Staatsbibliothek München, Sig. Ana 540.
Weitere Archivmaterialien:
selbst verfasster Lebenslauf, 1980. (Onlineressource)
Universitätsarchiv Rostock, Personalakte.
Universitätsarchiv München, Personalakte.
Aufsätze und Monografien:
Über die Beziehungen der Pigmentzellen in der Fischhaut zum sympathischen Nervensystem, in: N. N. (Hg.), Festschrift zum sechzigsten Geburtstage Richard Hertwigs, Bd. 3: Experimentelle Arbeiten, 1910. (Diss. phil.)
Über farbige Anpassung bei Fischen, in: Zoologische Jahrbücher. Abteilung Allgemeine Zoologie und Physiologie 32 (1912), S. 171–230. (Habilitationsschrift)
Über die „Sprache“ der Bienen. Eine tierpsychologische Untersuchung, in: Zoologische Jahrbücher. Abteilung Allgemeine Zoologie und Physiologie 40 (1923), S. 1–186.
Versuche über die Lenkung des Bienenfluges durch Duftstoffe, in: Naturwissenschaften 31 (1943), S. 445–460.
Karl von Frisch/Herbert Heran/Martin Lindauer, Gibt es in der „Sprache“ der Bienen eine Weisung nach oben oder unten?, in: Zeitschrift für vergleichende Physiologie 35 (1953), S. 219–245.
Karl von Frisch/Martin Lindauer/Karl Daumer, Über die Wahrnehmung polarisierten Lichtes durch das Bienenauge, in: Experientia 16 (1960). S. 289.
Tanzsprache und Orientierung der Bienen, 1965.
Honeybees. Do They Use Direction and Distance Information Provided by their Dancers?, in: Science 158 (1967), S. 1072–1076.
Bibliografie:
Hansjochem Autrum, Karl von Frisch. November 20, 1886–June 12, 1982, in: Journal of Comparative Physiology 147 (1982), S. 420–422.
Filme des Instituts für den wissenschaftlichen Film:
Hörvermögen der Elritze (Phoxinus laevis), C 38, 1936. (Onlineressource)
Geschmacksinn bei Fischen, C 57, 1936. (Onlineressource)
Geruchsinn der Bienen, C 56, 1936. (Onlineressource)
Sprache der Bienen, C 4, 1936. (Onlineressource)
Farbensinn der Bienen, C 3, 1936. (Onlineressource)
Geschmackssinn der Bienen, C 37, 1936. (Onlineressource)
Friedfische und Raubfische, C 103, 1937. (Onlineressource)
Tarsaler Geschmackssinn bei Fliegen, C 324, 1939. (Onlineressource)
Pollen- und Nektarsammeln der Honigbiene, C 606, 1950. (weiterführende Informationen)
Entwicklung der Honigbiene und des Bienenvolkes, C 607, 1950. (weiterführende Informationen)
Schreckstoffwirkung bei der Elritze, C 654, 1954. (Onlineressource)
Karl Friedrich Reimers, Karl Ritter von Frisch, München 1964, G 101, 1967. (Onlineressource)
Karl von Frisch/Martin Lindauer, Nachweis des Farbensehens bei der Honigbiene, C 1263, 1977. (Onlineressource)
Karl von Frisch/Martin Lindauer, Entfernungs- und Richtungsweisung bei der Honigbiene – Rund- und Schwänzeltanz, C 1335, 1979. (Onlineressource)
Monografien:
Ulrich Kreutzer, Karl von Frisch (1886–1982), 2010.
Tania Munz, The Dancing Bees. Karl von Frisch and the Discovery of the Honeybee Language, 2016, dt. 2018.
Aufsätze:
Kelle Dhein, Karl von Frisch and the Discipline of Ethology, in: Journal of the History of Biology 54 (2021), S. 739–767.
Christoph Hoffmann, Forschung und Freizeit. Karl von Frischs Aufenthalt in Neapel 1911, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 45 (2022), S. 651–673.
Artikel:
Richard W. Burkhardt, Art. „Frisch, Karl Ritter von“, in: Frederic L. Holmes (Hg.) Dictionary of Scientific Biography. Bd. 17., 2. Supplement, 1990, S. 312–320.
Brigitte Steyer, Karl von Frisch (1886–1982), in: Ilse Jahn (Hg.), Darwin & Co. Eine Geschichte der Biologie in Portraits, Bd. 2, 2001, S. 365–379. (P)
Gottfried Zirnstein, Art. „Frisch, Karl von“, in: Hans-Ludwig Wußing (Hg.), Fachlexikon abc. Forscher und Erfinder, 1992, S. 206 f. (P)
N. N., Art. „Frisch, Karl von“, in: Rolf Sauermost/Doris Freudig/Sabine Ganter (Red.), Lexikon der Naturwissenschaftler, 2000, S. 157 f. (P)
Nachrufe:
Martin Lindauer, Karl von Frisch. 20 Novembre1886–12 Juin 1982, in: Insectes Sociaux 30 (1983), S. 3–8. (P)
William H. Thorpe, Karl von Frisch. 20 November 1886–12 June 1982, in: Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society 29 (1983), S. 197–200. (P)
Hansjochem Autrum, Karl Ritter von Frisch. 20.11.1886–12.6.1982, in: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1983, S. 206–212. (Onlineressource)
Fotografien, um 1909/19–um 1960, Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek.