Ender, Otto
- Lebensdaten
- 1875 – 1960
- Geburtsort
- Altach (Vorarlberg)
- Sterbeort
- Bregenz (Vorarlberg)
- Beruf/Funktion
- Jurist ; Politiker ; österreichischer Bundeskanzler
- Konfession
- römisch-katholisch
- Normdaten
- GND: 123490758 | OGND | VIAF: 50136513
- Namensvarianten
-
- Ender, Otto
- Эндер, Отто
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Ender, Otto
1875 – 1960
Jurist, Politiker, österreichischer Bundeskanzler
Als langjähriger Landeshauptmann von Vorarlberg und als Bundeskanzler (1930/31) war Otto Ender einer der zentralen politischen Protagonisten der Ersten Republik Österreich. Er erarbeitete federführend die 1934 unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (1892–1934) erlassene, autoritär-„ständestaatliche“ Verfassung. Von den Nationalsozialisten 1938 vorübergehend verhaftet und anschließend mit „Gauverbot“ für Tirol-Vorarlberg belegt, trat Ender bis zu seinem Lebensende nicht mehr politisch hervor.
Lebensdaten
Geboren am 24. Dezember 1875 in Altach (Vorarlberg) Gestorben am 25. Juni 1960 in Bregenz (Vorarlberg) Grabstätte Friedhof St. Gallus in Bregenz Konfession römisch-katholisch -
Autor/in
→Ernst Bruckmüller (Wien)
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Zitierweise
Bruckmüller, Ernst, „Ender, Otto“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/123490758.html#dbocontent
Ender besuchte seit 1888 das Jesuitengymnasium Stella Matutina in Feldkirch (Vorarlberg) und studierte nach der Matura 1896 Rechtswissenschaften in Innsbruck, Freiburg im Üechtland, Prag und Wien. 1901 in Innsbruck zum Dr. iur. promoviert, arbeitete er seit 1902 als Advokaturs-Konzipient in Feldkirch und Wien, ehe er 1908 eine Anwaltskanzlei in Bregenz eröffnete. Seit etwa dieser Zeit Mitglied der von Karl Lueger (1844–1910) geführten Christlichsozialen Partei (CSP), scheiterte Ender 1912 mit einer Kandidatur für den Vorarlberger Landtag und wirkte ab 1913 als Direktor, von 1915 bis 1919 als Oberdirektor der Bregenzer Landes-Hypothekenbank.
Seit 1915 Obmann der Vorarlberger CSP, profilierte sich Ender im Ersten Weltkrieg u. a. als Leiter der Bregenzer Kriegs-Getreideverkehrsanstalt und als Mitglied des Ernährungsbeirats in Wien. Bei Kriegsende und Übergang zur Ersten Republik wurde er am 3. November 1918 Landeshauptmann von Vorarlberg und behielt dieses Amt – mit kurzer Unterbrechung 1930/31 – auf Basis einer absoluten Mehrheit seiner Partei im Landtag bis Juli 1934.
Zu Beginn seiner Amtszeit unterstützte Ender eine Vorarlberger Anschlussbewegung an die Schweiz, die bei einer Volksabstimmung am 11. Mai 1919 über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen 81 % der Stimmen mobilisierte, jedoch infolge der Gegnerschaft der Wiener Regierung und der Siegermächte des Ersten Weltkriegs, aber auch infolge mangelnder Unterstützung aus der Schweiz erfolglos blieb. Im April 1919 beteiligte er sich an der Bildung von Volksmilizen und leitete seit 1922 die Heimwehr-Formation „Vorarlberger Heimatdienst“ als Instrument des Landeshauptmanns unter ausdrücklicher Ablehnung faschistischer Tendenzen, wie sie in anderen Heimwehren virulent waren.
Nach dem Scheitern der Vorarlberger Separatismus-Initiative stellte sich Ender loyal auf den Boden der österreichischen Bundesverfassung von 1920, die er intensiv und in föderalistischem Sinn mitgestaltete. Er wandte sich in den Länderkonferenzen von Salzburg und Linz (Februar und April 1920) u. a. gegen die Übertragung der Finanzhoheit auf den Bund; auf seine Idee scheint die Befristung der Aufteilung der einheitlich eingenommenen Steuern („Finanzausgleich“) zurückzugehen. Als eine Novellierung der Verfassung 1925 zur Verschiebung von Länderkompetenzen auf die Bundesebene führte, kritisierte Ender dies scharf; er stimmte mit dem Tiroler Abgeordneten Richard Steidle (1881–1940) als einziger Abgeordnete im Bundesrat gegen die Novelle.
In Enders Amtszeit als Landeshauptmann fielen u. a. die Errichtung eines neuen Landesarchivs in Bregenz (1919) sowie der Tuberkuloseheilstätte Gaisbühel nahe Feldkirch (1920), der Neubau des Regierungsgebäudes (1921), der Bau des Wasserkraftwerks Gampadelswerk (1922–1925), die Gründung der Vorarlberger Illwerke AG (1924) und der Erwerb der Aktienmehrheit der Vorarlberger Kraftwerke (1928/29). Als begabter Verwaltungsjurist befasste sich Ender intensiv mit Fragen der Verwaltungsreform.
Ender folgte einem auf lokaler und regionaler Selbstbestimmung gründenden Verständnis von Demokratie, das sich gegenüber der überregionalen Staatlichkeit, v. a. gegenüber Zentralisierungs- und Vereinheitlichungstendenzen des Bundes, zwar loyal, aber kritisch distanziert positionierte. Im wachsenden Fremdenverkehr erkannte er ökonomische Chancen, fürchtete aber den vermeintlich verderblichen Einfluss der Großstädter auf die Vorarlberger Bevölkerung. Obgleich die Zensur in der Republik offiziell abgeschafft war, verhinderte Ender ohne Berechtigung die Aufführung von Sergei Eisensteins (1898–1948) Stummfilm „Panzerkreuzer Potemkin“ (1926). Als Politiker und Wahlkämpfer griff Ender wiederholt antisemitische Stereotype auf, wie sie in der CSP üblich waren, und stimmte dem faktischen Ausschluss von Juden vom Staatsdienst zu; die jüdische Bevölkerungsminderheit galt ihm als erhebliche Gefahr für die Einheit des österreichischen Volkes.
Nach dem Scheitern der Regierung Carl Vaugoins (1873–1949) wurde Ender am 4. Dezember 1930 zum Bundeskanzler der Republik bestellt. Die von ihm geführte Koalition aus CSP, Großdeutscher Volkspartei und dem Landbund für Österreich brachte zwar einen neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern durch, scheiterte jedoch mit seinem Projekt einer österreichisch-deutschen Zollunion (Schober-Curtius-Plan) am internationalen Widerstand. Der Konkurs der Wiener Creditanstalt für Handel und Gewerbe, der damals größten Bank Österreichs, im Mai 1931 und die sich anschließende Frage der Finanzierung der Bundeshaftung führten zum Ende der Regierung Enders, der für deren Fortführung Sondervollmachten verlangt hatte, die ihm im Nationalrat verwehrt worden waren.
Nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler am 16. Juni 1931 amtierte Ender vom 14. Juli 1931 bis 24. Juli 1934 erneut als Landeshauptmann von Vorarlberg. Im Juli 1933 trat er als Minister ohne Geschäftsbereich in das Kabinett von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (1892–1934) ein, der ihn beauftragte, eine neue „ständische“ Verfassung auszuarbeiten, die am 1. Mai 1934 proklamiert wurde. Ender, der im selben Jahr eine von ihm kommentierte Druckfassung der Verfassung herausgab, wirkte damit maßgeblich am Ende der parlamentarischen Demokratie und ihrer Ablösung durch ein autoritäres Herrschaftssystem mit.
Seit 15. Juli 1934 Präsident des Rechnungshofs in Wien, dem die Prüfung der Gebarung der öffentlichen Hand oblag, wurde Ender nach dem „Anschluss“ Österreichs an das „Dritte Reich“ am 27. März 1938 in der Wohnung von Landeshauptmann Ernst Winsauer (1890–1962) verhaftet und blieb bis zum 15. September in nationalsozialistischer „Schutzhaft“. Nach seiner Freilassung im September 1939 erhielt er von der Gestapo Gauverbot für Tirol-Vorarlberg, lebte bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs zurückgezogen in Wien und Salzburg und übersiedelte 1945 wieder nach Bregenz. Er nahm kein politisches Amt mehr an, blieb aber bis zu seinem Tod in seinem früheren politischen Umfeld eine hoch angesehene Persönlichkeit. Er engagierte sich erfolgreich für die Übernahme des Landesmuseums durch das Land sowie – vergeblich – für die Schiffbarmachung des Rheins.
1896 | Mitglied der CV-Verbindung „Austria“, Innsbruck |
1898–1901 | Mitglied der CV-Verbindungen „Teutonia“ (Freiburg im Breisgau), „Ferdinandea“ (Prag) und „Norica“ (Wien) |
1919–1934 | Vorsitzender des Landesschulrats |
1919–1934 | Mitglied der Internationalen Rheinregulierungskommission, Rorschach |
1925–1934 | Präsident des Verwaltungsrats der Vorarlberger Illwerke |
1946–1956 | Präsident des Vorarlberger Auto-Touring-Clubs (zuvor 1923–1938 Ausschussmitglied) |
1947 | Präsident des österreichischen Rheinschifffahrtsverbands |
1947–1949 | Vorstand des Vorarlberger Landesmuseumsvereins |
1954–1957 | Präsident der Vorarlberger Stellanervereinigung |
Ehrenmitglied der katholischen Mittelschulverbindung „Kustersberg“, Bregenz | |
Großes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich | |
Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich | |
Komturkreuz des Ordens des Heiligen Gregor | |
Großkreuz des griechischen Erlöserordens | |
Ehrenzeichen des Deutschen Roten Kreuzes I. Klasse | |
Ehrenmedaille der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie | |
Dr. h. c., Universität Innsbruck |
Nachlass:
Vorarlberger Landesarchiv, Bregenz, Rep. 14-206. (weiterführende Informationen)
Weitere Archivmaterialien:
Vorarlberger Landesarchiv, Bregenz. (Handakten LH Ender u. Akten der Landesregierung)
Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Wien, Bundeskanzleramt. (Personalakte u. Akten Büro Ender)
Archiv des Rechnungshofes, Wien, Grundzahl 139. (Personalakte)
Die neue österreichische Verfassung, mit dem Text des Konkordates, 1934. (Hg.)
Die Übergangsbestimmungen zur neuen österreichischen Verfassung, 1934. (Hg.)
Die neue Österreichische Verfassung mit dem Text des Konkordates, 1934, 41935. (Hg.)
Die Schule in der neuen Verfassung, 1935.
Das neue Österreich. Staatsbürgerkunde mit Bildern, 1935. (Hg.)
Vorarlberg und Österreich, in: Montfort. Zeitschrift für Geschichte, Heimat- und Volkskunde Vorarlbergs 1 (1946), H. 9/12, S. 201–205. (Onlineressource)
Vorarlbergs Schweizer-Anschluß-Bewegung von 1918 bis 1924, 1952.
Hannes Huebmer, Dr. Otto Ender, 1957.
Gerhard Wanner, Otto Ender, in: Friedrich Weissensteiner/Erika Weinzierl (Hg.), Die österreichischen Bundeskanzler. Leben und Werk, 1983, S. 160–172. (P)
Werner Dreier, Zwischen Kaiser und „Führer“. Vorarlberg im Umbruch 1918–38, 1986.
Walter Zirker, Art., „Ender, Otto“, in: ders., Vorarlberger in Parlament und Regierung (1848–2000), Ein Lexikon der Politiker/innen von Frankfurt am Main, Kremsier, Wien, Straßburg, Luxemburg und Brüssel, 2001, S. 124–128.
Christian Koller, „... der Wiener Judenstaat, von dem wir uns unter allen Umständen trennen wollen“. Die Vorarlberger Anschlussbewegung an die Schweiz, in: Helmut Konrad/Wolfgang Maderthaner (Hg.), Das Werden der Ersten Republik. ...der Rest ist Österreich, Bd. 1, 2008, S. 83–102.
Gerhard Hartmann, Art. „BK LH Präs. a.D. RA Dr. Otto Ender“, in: Österreichischer Cartellverband. Biographisches Lexikon, 2012. (P) (Onlineressource)
Peter Melichar, Art. „Ender Otto“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon. Online-Edition, 2017. (P) (Onlineressource)
Peter Melichar, Otto Ender 1875–1960. Landeshauptmann, Bundeskanzler, Minister. Untersuchungen zum Innenleben eines Politikers, 2018. (P)
Peter Melichar, Was erzählen Dinge? Über den weitgehend vergessenen Landeshauptmann und Bundeskanzler Otto Ender, in: Österreich in Geschichte und Literatur 63 (2019), S. 175–197.
Peter Melichar, War Otto Ender ein (Austro-)Faschist? Zur politischen Haltung eines österreichischen Politikers der Zwischenkriegszeit, in: Montfort. Zeitschrift für Geschichte Vorarlbergs 73 (2021), S. 49–64. (Onlineressource)
Rötelzeichnung v. Bartle Kleber (1884–1953), 1925, Familienbesitz, Abbildung in: Peter Melichar, Otto Ender 1875–1960. Landeshauptmann, Bundeskanzler, Minister. Untersuchungen zum Innenleben eines Politikers, 2018, S. 294.
Gemälde (Öl/Leinwand) v. Alois Mennel (1894–1948), ca. 1929, Privatbesitz, Abbildung in: ebd., S. 191.
Porträtbüste v. Franz Plunder, 1932, Privatbesitz, Abbildung in: ebd., S. 332.
Gemälde (Öl/Leinwand) v. Ernst Hochschartner (1877–1947), ca. 1935, vorarlberg museum, Abbildung in: ebd., S. 91.
zwei Fotografien, 1938, Bayerische Staatsbibliothek München, Fotoarchiv Heinrich Hoffmann.
Gemälde (Öl/Leinwand) v. Sergius Pauser (1896–1970), 1944, Familienbesitz, Abbildung in: Peter Melichar, Otto Ender 1875–1960. Landeshauptmann, Bundeskanzler, Minister. Untersuchungen zum Innenleben eines Politikers, 2018, S. 95.
Gemälde (Öl/Leinwand) v. Leopold Fetz (1915–2012), 1951/52, vorarlberg museum, Abbildung in: ebd., S. 103.
Otto-Ender-Medaille v. Arnold Hartig (1878–1972), 1956, Familienbesitz, Abbildung in: ebd., S. 12.
Otto-Ender-Medaille v. Johann Köttenstorfer (1911–1995), 1963, voralberg museum, Abbildung in: ebd.
Porträtbüste v. Emil Gehrer (1913–1992), 1964, vorarlberg museum, Abbildung in: ebd., S. 332.