Casparius, Hans

Lebensdaten
1900 – 1986
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
London Borough of Barnet (Middlesex, England)
Beruf/Funktion
Fotograf ; Schauspieler ; Regisseur ; Produzent ; Filmregisseur
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 123276322 | OGND | VIAF: 263337770
Namensvarianten

  • Casparius, Hans Gustav
  • Casparius, Hans
  • Casparius, Hans Gustav
  • Casparius, Hans G.
  • Ruys, Han
  • Kasparius, Hans
  • Kasparius, Hans Gustav
  • Kasparius, Hans G.

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Zitierweise

Casparius, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd123276322.html [02.04.2025].

CC0

  • Casparius, Hans Gustav

    1900 – 1986

    Fotograf, Schauspieler, Regisseur, Produzent

    Hans Casparius war ein stilistisch eigenwilliger Film- und Porträtfotograf sowie Fotoreporter, dessen Spektrum von der Landschafts- und Stadtfotografie bis zur Sport- und Rezeptfotografie reichte. Ende der 1920er Jahre wirkte er als Pionier der Standfotografie am Filmset. 1938 nach Großbritannien emigriert, spezialisierte er sich in London auf Farbfotografie. Zudem war er als Schauspieler, Regisseur und Produzent von Dokumentarfilmen tätig.

    Lebensdaten

    Geboren am 15. Juli 1900 in Berlin
    Gestorben am 16. Mai 1986 in London Borough of Barnet (Middlesex, England)
    Grabstätte eingeäschert im Golders Green Crematorium (Verbleib der Urne unbekannt) in London
    Konfession jüdisch
    Hans Casparius, Deutsche Kinemathek (InC)
    Hans Casparius, Deutsche Kinemathek (InC)
  • 15. Juli 1900 - Berlin

    - bis 1916 - Berlin

    Privatunterricht; Schulbesuch (Abschluss mit dem „Einjährigen“)

    Dorotheenstädtisches Realgymnasium

    1916 - 1917 - Berlin

    Volontär

    Warenhaus Arnold Müller

    1918 - 1918 - Prenzlau (Brandenburg)

    Militärdienst

    Artillerieregiment

    1918/19 - 1919 - Cottbus

    Arbeiter

    Spinnerei

    1919 - ca. 1925 - Berlin

    Mitarbeiter; seit 1925 Mit-Geschäftsführer

    Tuche en gros (Textilfirma)

    1928 - Deutschland; Österreich

    Filmschauspieler; Filmfotograf

    1930 - 1931 - Nord- und Westafrika (u. a. Marokko); Kanada; USA (u. a. New York City, Chicago, Alaska)

    Reisefotograf als Begleiter des Schriftstellers und Journalisten Richard Arnold Bermann (1883–1939)

    1931 - Berlin

    Inhaber

    Hans Casparius Photo-Film (Fotofachgeschäft)

    1932 - Berlin

    Inhaber

    Hans Casparius Photokopienanstalt und Photobedarfshandlung

    1933 - Libyen

    Reisefotograf als Begleiter Bermanns

    1933 - Wien

    Übersiedlung; Aufbau eines Bildarchivs

    Das Magazin für Jedermann (Zeitschrift)

    1934 - Palästina

    Reise

    1935 - London; Wien

    Übersiedlung; Rückkehr

    1938 - London

    Emigration; Inhaber

    Studio für Farbfotografie

    1940

    Mitarbeiter

    Army Bureau of Current Affairs

    1949

    Gründer; Inhaber

    Produktionsfirmen Music in Miniature; Amity Films

    16. Mai 1986 - London Borough of Barnet (Middlesex, England)

    Casparius erhielt im großbürgerlichen Elternhaus in Berlin eine umfassende musische Förderung und mit 13 Jahren eine Icarette-Kamera. Laut seinen Memoiren unterrichtete ihn ein Berliner Hoffotograf im Fotografieren. Nach dem Schulabschluss mit dem „Einjährigen“ am Dorotheenstädtischen Gymnasium 1916 wurde er Volontär im Warenhaus Arnold Müller und leistete 1918 einen dreimonatigen Militärdienst in Prenzlau (Brandenburg). Danach arbeitete er zeitweilig in einer Spinnerei in Cottbus und trat Ende 1919 in die väterliche Firma Tuche en gros (Berlin) ein, deren Geschäftsführung er nach dem Tod des Vaters mit seinem Bruder Richard für kurze Zeit übernahm.

    Nachdem er Schauspielunterricht genommen hatte, erhielt Casparius seit 1928 Nebenrollen an Theatern und in Filmen. Gefördert vom Regisseur Ernö Metzner (1892–1953), spielte er in dessen experimentellen Filmen „Freie Fahrt“ und „Überfall. Polizeibericht Überfall“ (beide 1928) sowie „Achtung! Liebe! Lebensgefahr“ (1929) mit und fotografierte bei den Dreharbeiten am Set. Damit begann seine Karriere als gefragter Standfotograf. Der Regisseur Georg Wilhelm Pabst (1885–1967) engagierte ihn in dieser Funktion für seine Filme, darunter „Die Büchse der Pandora“, „Tagebuch einer Verlorenen“ (beide 1929) und „Die 3-Groschen-Oper“ (1931). Den Durchbruch erlangte er mit seinen Fotografien für „Die weiße Hölle vom Piz Palü“ (1929). 1931/33 fotografierte Casparius für Filme von Paul Czinner (1890–1972), Hanns Schwarz (1888–1945) und Wilhelm Thiele (1890–1975), dokumentierte mit Handkameras die Dreharbeiten und gab dem Publikum so erstmals einen Blick hinter die Kulissen. Kameratechnisch erweiterte er das Spektrum der bis dahin statisch inszenierten und auf Posen setzenden Standfotografie.

    Casparius porträtierte zahlreiche Persönlichkeiten, darunter die Schauspielerinnen Elisabeth Bergner (1897–1986), Louise Brooks (1906–1985), Lotte Lenya (1898–1981), Valeska Gert (1892–1978), die Schauspieler Reinhold Schünzel (1888–1954) und Rudolf Forster (1884–1968), die Regisseure Pabst und Metzner sowie den Rabbiner Leo Baeck (1873–1956) und Sigmund Freud (1856–1939). Diese Fotos zeichnet eine spontane Unmittelbarkeit aus, ebenso wie seine Alltagsaufnahmen in Deutschland und England, von Straßenszenen sowie von Menschen, denen er auf seinen Reisen begegnete.

    Von Januar bis Mai/Juni 1930 reiste Casparius mit dem Schriftsteller und Journalisten Richard Arnold Bermann (1883–1939), Reisekorrespondent des „Berliner Tageblatts“ und der Wiener „Neuen Freien Presse“, als Bildbegleiter nach Nord- und Westafrika, wo etwa 2500 Fotografien entstanden, die er z. T. in Illustrierten veröffentlichte. Eine zweite Reise führte beide von Juli bis November 1931 nach Kanada und in die USA. Infolge der nationalsozialistischen Machtübernahme verlagerte Casparius sein Fotoarchiv 1933 von Berlin nach Wien. Im Frühjahr 1933 bereisten er und Bermann als Begleiter des ungarischen Geologen und Abenteurers Ladislaus von Almásy (1895–1951), des britischen Offiziers Hubert Jones Penderel (1890–1943) und des ungarischen Geodäten László Kádár (1908–1989) die Libysche Wüste und suchten die legendäre Oase Zarzura. Durch Casparius’ international veröffentlichte Bilder wurden die dabei entdeckten Felsmalereien in den Höhlen von Uwenat weltweit bekannt. Aus den Filmaufnahmen montierten er und Bermann den unvollendeten Dokumentarfilm „Nomaden der Wüste“ (1933, im Zweiten Weltkrieg verschollen).

    1934 bereiste Casparius Palästina und machte dabei zeitgeschichtlich bedeutende Aufnahmen des Lebens v. a. in den jüdischen Siedlungen, aber auch von der arabischen Bevölkerung, die er in „Das Palästina-Bilder-Buch“ veröffentlichte. Im Wiener Verlag Steyermühlen machte er sich 1935 mit der Technik der Farbfotografie vertraut. 1938 nach Großbritannien emigriert, eröffnete er in London das erste Studio für Farbfotografie. Seine freiwillige Meldung zum Kriegsdienst wurde aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt, stattdessen arbeitete er als Fotograf für das Army Bureau of Current Affairs. Fotografien fertigte er auch für die Exilregierungen und Fürstenhäuser von Luxemburg und Belgien sowie für die Exilregierung der Tschechoslowakei an.

    1942 dokumentierte Casparius fotografisch öffentliche Gebäude in England, ein Jahr später gestaltete er die Ausstellung „Rebuilding Britain“ in der National Gallery in London. Für die illustrierten Monatsmagazine „Good Housekeeping“ und „The Field“ sowie für das Londoner Kaufhaus „Fortnum and Mason“ fertigte er Koch- und Rezeptfotografien an. Mit der Sängerin Anne Balfour-Fraser (1923–2016) gründete er 1945 die Produktionsfirma Independent Cine Art Inc, für die u. a. unter der Regie von Peter Zadek (1926–2009) der Kurzfilm „Simon“ (1954) über einen geistig behinderten Jungen entstand. Als Regisseur und Produzent von Kurzdokumentarfilmen tätig, fand v. a. sein Film „Drums“ (1960) über die Bedeutung des Schlagzeugs in der Musik Beachtung. Seit 1960 verantwortete Casparius Werbefilme für die Lufthansa und realisierte für das European Liszt Centre die Kunstdokumentationen „Dante“ (1975) und „The Last Judgement / Michelangelo’s Day of Judgement“ (1978), wobei er Aufnahmen der Deckenmalereien der Sixtinischen Kapelle mit Ausschnitten aus Guiseppe Verdis (1813–1901) „Messa da Requiem“ kombinierte.

    Casparius‘ Porträts und seine Aufnahmen, die bei seinen Reisen entstanden, zeichnen große Unmittelbarkeit und Spontaneität aus. Bewusst verzichtete er auf Posen und künstliche Inszenierung. Auch als Standfotograf beim Film verstand er es, atmosphärisch dichte, vom Augenblick bestimmte Aufnahmen zu machen, die das Geschehen am Drehort lebendig festhielten. Seine Bedeutung und fortdauernde Rezeption als Fotograf wurde wesentlich durch die von der Deutschen Kinemathek initiierte und 1978 in der Staatlichen Kunsthalle Berlin gezeigte Ausstellung gefestigt.

    Fotografischer Nachlass:

    Stiftung Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin.

    Autobiografie:

    In My View. A Pictorial Memoir. 1986. (P)

    Bildbände:

    Das Palästina-Bilder-Buch. 96 Photographien v. Hans Casparius. Vorwort und Text zu den Bildern v. Arthur Rundt, 1934.

    Arnold Höllriegel [d. i. Richard Arnold Bermann], Zarzura, die Oase der kleinen Vögel. Die Geschichte einer Expedition in die Libysche Wüste. Mit 77 Aufnahmen v. Hans Casparius, 1938.

    Arnold Höllriegel [d. i. Richard Arnold Bermann], Amerika-Bilderbuch. Mit Fotografien v. Hans G. Casparius, hg. v. Michael Grisko, 2012.

    Ausstellungen:

    Ausstellung anlässlich der Premiere von „Die weiße Hölle vom Piz Palü“, Ufa-Palast am Zoo, 1929.

    Rebuilding Britain, Royal Institute of British Architects, National Gallery, London, 1943.

    Jürgen Berger/Hans-Michael Bock, Photo. Casparius. Filmgeschichte in Bildern – Berlin um 1930 – Auf Reisen, Werkausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Berlin, hg. v. d. Stiftung Deutsche Kinemathek in Zusammenarbeit mit der Landesbildstelle Berlin, der Berliner Festspiele GmbH und der Staatlichen Kunsthalle Berlin, 1978.

    Fritz Terveen, Hans G. Casparius. Berlin um 1900, Landesbildstelle Berlin, 1979.

    Filmografie:

    Darsteller:

    Anonymer Nebendarsteller, in: Freie Fahrt, 1928, Regie: Ernő Metzner. (auch Standfotograf)

    Anonymer Nebendarsteller, in: Die blaue Maus, 1928, Regie: Johannes Guter.

    Anonymer Nebendarsteller, in: Polizeibericht Überfall, 1928, Regie: Ernő Metzner. (auch Standfotograf)

    Graf Sternberg, in: Achtung! Liebe! Lebensgefahr! (Tonfassung: Rivalen im Weltrekord), 1930, Regie: Ernő Metzner.

    Regisseur:

    Die weiße Hölle vom Piz Palü, 1929, unveröffentlichter Werkfilm. (auch Kameramann)

    Ginsterrausch auf Hiddensee, unvollendeter Kurzdokumentarfilm, 1932. (auch Drehbuch, Kamera, Schnitt)

    The Apocalypse of St. John the Divine, Kurzdokumentarfilm, 1949. (auch Drehbuch)

    The Young Traveller in London, Kurzdokumentarfilm, 1954. (auch Drehbuch, Produktion)

    The Harvest is Tomorrow, Kurzdokumentarfilm, 1963. (auch Produktion)

    Nomaden der Wüste, 1933. (verschollen)

    Gayaza, Kurzdokumentarfilm, 1963. (auch Produktion)

    Dante, 1975. (auch Produktion)

    The Last Judgement / Michelangelo’s Day of Judgement, 1978. (auch Produktion)

    Standfotograf:

    Die weiße Hölle vom Piz Palü, 1929, Regie: Arnold Fanck/Georg Wilhelm Pabst.

    Die Büchse der Pandora, 1929, Regie: Georg Wilhelm Pabst.

    Tagebuch einer Verlorenen, 1929, Regie: Georg Wilhelm Pabst.

    Ariane, 1931, Regie: Paul Czinner.

    Die 3-Groschen-Oper, 1931, Regie: Georg Wilhelm Pabst.

    Zigeuner der Nacht, 1932, Regie: Hanns Schwarz.

    Großfürstin Alexandra, 1933, Regie: Wilhelm Thiele.

    Frühlingsstimmen, 1933, Regie: Paul Fejos.

    [Kenneth MacPherson], Casparius, in: Close Up, Nr. 1 v. 1.1.1930.

    [Hans Feld], Wir Berliner. Hans Casparius, in: Film-Kurier, Nr. 116 v. 16.5.1930.

    N. N., Casparius knipst, in: Die Filmwoche, Nr. 8, 1931.

    Nieter O’Leary, Hans Casparius, in: Prisma (Düsseldorf), Nr. 6, 1966.

    Oswell Blakestone, The Man who Ate his Own Models, in: Screen International v. 6.11.1976.

    Hans Michael Bock/Jürgen Berger (Hg.), Photo. Casparius, 1978.

    Bernd Allenstein, Photo Casparius, in: eppendorfer medienbrief, Nr. 16 v. April 1978.

    Rosetta Grigliè/Centro Internazionale Brera (Hg.), Photo Casparius, 1978.

    Hans Feld, In memoriam Hans Casparius. Globetrotter with a Magic Camera, in: AJR Information v. August 1986. (Onlineressource)

    Klaus Honnef, Fotografen im Exil, in: Exilforschung. Ein internationales Jahrbuch 21 (2003), S. 170–182.

    Wolfgang Jacobsen (Hg.), Hans Casparius. Von der Kamera berührt. Menschen, Gesichter, Gefühle, 2014. (W, L, P)

    Lexikonartikel:

    Hans Feld, Art. „Hans Casparius – Fotograf, Schauspieler, Regisseur“, in: CineGraph, Lieferung 10 (1988).

    Fotografie, Selbstporträt, 1931, Abbildung in: Arnold Höllriegel [d. i. Richard Arnold Bermann], Amerika-Bilderbuch. Mit Fotografien v. Hans G. Casparius, hg. v. Michael Grisko, 2012, S. 143.

    Fotografie, 1933, Abbildung in: Arnold Höllriegel [d. i. Richard Arnold Bermann], Zarzura, die Oase der kleinen Vögel. Die Geschichte einer Expedition in die Libysche Wüste. Mit 77 Aufnahmen v. Hans Casparius, 1938, zwischen S. 16 und 17, links unten.

    Fotografie, 1985, Deutsche Kinemathek, Abbildung in: Hans Casparius, In My View. A Pictorial Memoir, 1986, S. 122.

  • Autor/in

    Wolfgang Jacobsen (Berlin)

  • Zitierweise

    Jacobsen, Wolfgang, „Casparius, Hans“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.04.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/123276322.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA