Brincken, Gertrud von den
- Lebensdaten
- 1892 – 1982
- Geburtsort
- Brinck-Pedwahlen (Kurland, Russland, heute Briņķpedvāles muiža, Lettland)
- Sterbeort
- Regensburg
- Beruf/Funktion
- Lyrikerin ; Schriftstellerin
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 118515373 | OGND | VIAF: 59875405
- Namensvarianten
-
- Brincken, Gertrud Marie Alice Freiin von den
- Brincken, Gertrud Marie Alice Freiin von den (verheiratete Schmied-Kowarzik)
- Brincken, Gertrud von den
- Brincken, Gertrud Marie Alice Freiin von den
- Brincken, Gertrud Marie Alice Freiin von den (verheiratete Schmied-Kowarzik)
- Brincken, Gertrud Freiin von den
- Brinkena, Ģertrūde fon den
- Kowarzik, Gertrud Schmied-
- Schmied Kowarzik, Gertrud
- Schmied-Kowarzik, Gertrud
- Brincken, Gertrud Marie Alice Freiin von den (verheiratete Schmied-Cowarzik)
- Cowarzik, Gertrud Schmied-
- Schmied Cowarzik, Gertrud
- Schmied-Cowarzik, Gertrud
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Brincken, Gertrud Marie Alice Freiin von den (verheiratete Gertrud Marie Alice Schmied-Kowarzik)
1892 – 1982
Lyrikerin, Schriftstellerin
Gertrud von den Brincken gehört neben Werner Bergengruen (1892–1964) und Siegfried von Vegesack (1888–1974) zu den herausragenden deutschbaltischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Brinckens Romane spiegeln die untergegangene Welt der Deutschbalten in Kurland (Russland, seit 1918 Lettland). Ihre Balladen erzählen leidvolle, tragische Geschichten. Ihre Gedichte kreisen um Liebe und Schmerz, ringen um und mit Gott und sind v. a. von der Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit geprägt.
Lebensdaten
-
Autor/in
→Iris von Gottberg (Wien)
-
Zitierweise
Gottberg, Iris von, „Brincken, Gertrud von den“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118515373.html#dbocontent
Brincken wuchs auf dem Familiengut Brinck-Pedwahlen (heute Briņķpedvāles muiža) sowie dem väterlichen Gut Neuwacken (heute Jaunpagasts, beides Kurland, Russland, heute Lettland) auf und erhielt Privatunterricht. 1902 übersiedelte die Familie in die Kreisstadt Mitau (Kurland, Russland, heute Jelgava, Lettland), wo Brincken bis 1910 ein deutsches Privatgymnasium besuchte. Ihre Kindheit und Jugend waren durch eine schwere chronische Erkrankung der Schwester und den Tod des Vaters belastet, die sich thematisch in ihrem Werk ebenso niederschlugen wie später das erlebte Leid während der beiden Weltkriege.
Einen Namen als Lyrikerin über die Grenzen Kurlands hinaus erwarb sich Brincken mit ihrem Erstlingsgedichtband „Wer nicht das Dunkel kennt“ (1911), in dem sie Zeugnis von menschlichem Unglück, begleitet von Not und Trauer, ablegte. Ihre erfolgreiche Schriftstellerkarriere setzte sie mit den Gedichtbänden „Lieder und Balladen“ (1917), „Aus Tag und Traum“ (1921) und „Schritte“ (1924) fort. Während des Ersten Weltkriegs trug Brincken als Krankenschwester und Englischlehrerin zum Lebensunterhalt der Familie bei, deren Vermögen 1914 vom Russischen Reich eingezogen worden war.
Nach ihrer Heirat 1925 übersiedelte Brincken, bedingt durch berufliche Wechsel ihres Ehemanns, 1927 nach Frankfurt an Main, 1933 nach Gießen und 1934 nach Friedberg (Hessen). Weit entfernt von ihrer baltischen Familie und ihrer Heimat machte Brincken v. a. den Trennungsschmerz zum Thema weiterer Gedichte, so in „Das Heimwehbuch“ (1926). 1939 zog sie mit ihrer Familie nach Mödling bei Wien, wo sie ihre erfolgreichsten Jahre als Schriftstellerin erlebte: Die Romane „März“ (1937), „Herbst auf Herrenhöfen“ (1939) und „Unsterbliche Wälder“ (1941) erfuhren mehrere Auflagen. Positive Darstellungen über das Zusammenleben von Letten, Deutschen, Juden und Russen in Kurland wurden von der NS-Zensur größtenteils gestrichen. Der Roman „Niemand“ (1943), für eine, später kriegsbedingt aufgegebene, Verfilmung vorgesehen, bildet den ersten Teil einer Trilogie, deren beide weiteren Teile stark verkürzt als Doppelroman „Nächte“ (1981) kurz vor Brinckens Tod erschienen. In diesen Werken schilderte sie den Verfall und Untergang des herrschaftlichen Lebens auf kurländischen Gütern.
1944/45 floh Brincken mit ihren Kindern vor der Sowjetarmee nach Schloss Unterbruck (Oberpfalz), trug bis zur Übersiedlung nach Regensburg 1950 als Englischlehrerin zur Versorgung der Familie bei und verfasste in diesem Zusammenhang das kleine Lehrbuch „2222 English Words“ (1945/46). Weitere Buchveröffentlichungen dieser Zeit sind der Jugendroman „Helmut sucht einen Freund“ (1949) sowie die Gedichtbände „Stimme im Dunkel“ (1949) und „Heimwehbuch II“ (1950).
Gegen Ende ihres Lebens widmete sich die mit zahlreichen Ehrungen bedachte Brincken nochmals verstärkt dem Schreiben. Neben ihrer Autobiografie „Land unter“ (1976) und dem großen zweistimmigen (gereimt/ungereimt) Lyrikband „Wellenbrecher“ (1976) entstanden der Gedichtzyklus „Judas Ischariot“ (1974), der von ihrem Ringen und Rechten mit Gott zeugt, das Nachkriegsschauspiel „Die Sintflut steigt“ (1977) und der philosophische Roman „Alle Ismaele“ (2019). Der Nachlassband „Gezeiten und Ausklang“ (1992) enthält kritische Gedichte über das nationalistische Deutschland, die sie während der NS-Zeit nicht veröffentlichen konnte.
Von Brinckens Gedichten wurden mehrere vertont, viele in andere Sprachen übertragen, v. a. in das Lettische. Werke und neue Anthologien, die seit Brinckens Tod als Übersetzung in Lettland erschienen, zeugen vom anhaltenden Interesse an ihrem Werk auch im Baltikum. Ihre lyrischen Vorbilder waren v. a. Rainer Maria Rilke (1875–1926), Hermann Hesse (1877–1962) und die Balladen Börries von Münchhausens (1874–1945).
1975 | Preis des Ostdeutschen Kulturrats, Bonn |
1976 | Nordgau-Kulturpreis, Kategorie „Dichtung“, der Stadt Amberg (Oberpfalz) |
1977 | Albertus-Magnus-Medaille der Stadt Regensburg |
1979 | Ehrengabe des Andreas-Gryphius-Preises der KünstlerGilde e. V. Esslingen |
1982 | Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
1992 | Gedenkveranstaltungen zum 100. Geburtsjahr und 10jährigen Todestag in Regensburg und auf dem Schirren-Tag des Deutsch-Baltischen Kulturwerks in Lüneburg |
1996 | Gedenkstein des Bildhauers Ojārs Feldbergs auf Brinķu-Pedvāle (Brinck-Pedwahlen) |
1999 | Ausstellung „Die Dichterin Gertrud von den Brincken und Tukums“ auf Schloss Durbe bei Tukums (Lettland) |
2002/03 | Wanderausstellung „Die Dichterin Gertrud von den Brincken und Tukums“, Lüneburg und Schloss Döttingen (Hohenlohe) |
2012 | Gedenktafel am Wohnhaus (1915–1925), Tukums (Lettland) |
2013 | Umweltobjekt „Tor zwischen Vergangenheit und Zukunft“, Tukums |
2015 | Dauerausstellung des Museums Tukums auf Schloss Durbe (Fotografien, Zeichnungen, Werke) |
Nachlass:
Archiv des Herder-Instituts, Marburg an der Lahn, DSHI_100_Brincken, Gertrud von den. (Korrespondenz, Tonaufnahmen, Werke, unveröffentlichte Manuskripte, Würdigungen, Varia) (weiterführende Informationen)
Gedichtbände:
Wer nicht das Dunkel kennt. Gedichte, 1911, verändert aufgenommen in: Aus Tag und Traum. Balladen und Lieder, 21927, S. 141–157.
Lieder und Balladen, 1917, 31926.
Aus Tag und Traum. Balladen und Lieder, 1920 [Umschlag: 1921], 21927 mit einem Anhang: Jugendgedichte Wer nicht das Dunkel kennt.
Schritte... Neue Lieder und Balladen, 1924, 21927.
Das Heimwehbuch. Blätter vom Baltischen Baum, 1926, 2/31929.
Unterwegs. Gedichte, 1942.
Stimme im Dunkel, 1949.
Heimwehbuch II, 1950, 21954.
Judas Ischarioth. Ein lyrischer Zyklus, 1974.
Daß wir uns trennen mußten ..., 1975.
Wellenbrecher. Zweistimmige Lyrik, 1976.
Postume lyrische Anthologien:
Gezeiten und Ausklang. Lyriksammlungen in einem Band, aus dem Nachlass hg. v. Winno von Löwenstern, 1992.
Gesamtauswahl der Lyrik aus sieben Jahrzehnten in vier Bänden, hg. v. Iris von Gottberg, 2011:
Bd. 1: Halt beschützend über mir die Hand. Frühe Gedichte (1911–1927). (Onlineressource)
Bd. 2: Durch die Lande geht ein großes Raunen. Balladen und lyrische Zyklen (1917–1942). (Onlineressource)
Bd. 3: Doch auch ein Wort kann viel sein. Gedichte aus der Wanderschaft (1928–1958). (Onlineressource)
Bd. 4: Was ich noch sagen wollte. Späte Gedichte und zweistimmige Lyrik (1959–1982). (Onlineressource)
Kad mājās nāc … / Wenn du nach Hause kommst …. Zweisprachige (Lettisch-Deutsch) Gedichtauswahl, nachgedichtet v. Valdis Bisenieks, 2012.
Romane und Prosabücher:
März. Roman, 1937.
Herbst auf Herrenhöfen. Roman, 1939, 31941.
Unsterbliche Wälder. Roman, 1941, 21942.
Niemand. Roman, 1943, 2/31944.
Helmut sucht einen Freund. Mit 20 Zeichnungen von Lilo Kleeberg, 1949. (Jugendbuch)
Land unter. Erlebnisse aus zwei Weltkriegen, Bolschewikenzeit und Nachkriegsjahren, o. J. [1976] (Onlineressource); lett. 2015.
Nächte. Roman in 2 Teilen, 1981.
Alle Ismaele. Ein philosophischer Roman, 2019. (Onlineressource)
Novellen und Erzählungen:
Der Kanzelstein, in: Velhagen & Klasings Monatshefte 57, Bd. 2 (1942/43), S. 581–653.
Aina. Erzählung, 1958.
Abschied. Eine Auswahl [aus Lyrik und Prosa], 1961.
Ismael. Fünf Fragmente, mit sechs farbigen Radierungen von Erich [Arik] Brauer, 1971.
Eine Handvoll Alltäglichkeiten. Erzählungen, 1980.
Schauspiele:
Die Sintflut steigt. Ein Spiel in 13 Bildern, 1977.
Wasser der Wüste. Ein Schauspiel in 5 Aufzügen, 1977.
Englischlehrbuch:
2222 English Words. A little Book for Self-Instruction, o. J. [1945/46].
Bibliografie:
Gesamtliste der publizierten Erzählungen und Aufsätze, der unveröffentlichten Roman-Manuskripte und Kurzgeschichten sowie der Gedichtvertonungen und Übersetzungen im Nachlass, Archiv des Herder-Instituts, Marburg an der Lahn.
Monografien:
Caroline von Gottberg, Gertrud von den Brincken. Nächte und Niemand, unveröffentlichte Magisterarbeit, Universität Leipzig 2006.
Iris von Gottberg, Licht und Schatten im Staffellauf der Generationen. Familiengeschichten um Gertrud von den Brincken, 2010.
Iris von Gottberg, Die Kindheit der Dichterin Gertud von den Brincken in der untergegangenen Welt von Kurland, mit Illustrationen von Gulweig Kröger, 2020.
Aufsätze und Buchbeiträge:
Otto von Petersen, Gertrud von den Brincken, in: Baltische Monatshefte (1933), S. 563–573.
Wilhelm Schneider, Die auslanddeutsche Dichtung unserer Zeit, 1936, S. 98–102.
Else Frobenius, Baltische Frauen, in: Der Deutsche im Osten. Baltendeutsche Sondernummer 2, H. 11 v. Januar 1940, S. 51–55.
Doro Radke, Die baltische Dichterin Gertrud von den Brincken, in: Heinz Radke/Hans-Ulrich Engel (Hg.), Geschichtsbewußtsein – groß geschrieben. Ein gesamtdeutsches Programm, 1984, S. 137–139.
Michael Garleff, Verlorene Welt und geistiges Erbe. Geschichtsdeutung deutschbaltischer Schriftsteller. Siegfried von Vegesack und Gertrud von den Brincken, in: Carola L. Gottzmann (Hg.), Unerkannt und (un)bekannt. Deutsche Literatur in Mittel- und Osteuropa, 1991, S. 299–322.
Winno von Löwenstern, Vorwort des Herausgebers, in: Gertrud von den Brincken, Gezeiten und Ausklang. Gedichte aus dem Nachlaß, 1992, S. 7–15.
Louis Ferdinand Helbig, Die deutschbaltische Literatur im 20. Jahrhundert und ihre Rolle im lettisch-deutschen Dialog, in: Journal of Baltic Studies 29 (1998), S. 297–314.
Carola L. Gottzmann, Die ewige Suche nach dem Ratschluß Gottes. Analyse einiger Werke Gertrud von den Brinckens, in: Petra Hörner (Hg.), Vergessene Literatur. Ungenannte Themen deutscher Schriftstellerinnen, 2001, S. 87–114.
Iris von Gottberg, Nachworte in: Gertrud von den Brincken, Gesamtauswahl der Lyrik in vier Bänden, 2011, Bd. 1, S. 193–198, Bd. 2, S. 187–202, Bd. 3, S. 191–199 u. Bd. 4, S. 175–180.
Inta Dišlere, Leben und Werk Gertrud von den Brinckens im Kontext der lettischen Zeitgeschichtsforschung, in: Michael Garleff (Hg.), Zur Rezeption deutschbaltischer Literatur im 20. Jahrhundert, 2019, S. 145–170.
Lexikonartikel:
May Redlich, Art. „Gertrud von den Brincken“, in: dies, Lexikon deutschbaltischer Literatur, 1989, S. 60 f.
Andrea Stoll, Art. „Gertrud von den Brincken“, in: Walter Killy (Hg.), Literaturlexikon, Bd. 2, 1989, S. 214.
Carola L. Gottzmann, Art. „Gertrud von den Brincken“, in: dies./Petra Hörner (Hg.), Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. Bd. 1, 2007, S. 287–296.
Iris von Gottberg, Art. „Brincken, Gertrud von den“, in: Béatrice Didier/Antoinette Fouque/Mireille Calle-Gruber (Hg.), Le Dictionnaire universel des Créatrices, T. 1, 2013, S. 655.
Brincken, Gertrud v. den (1892–1982), in: Baltisches Biografisches Lexikon digital.
Brincken, Gertrud von den, in: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen. (P)
Bernhard M. Baron/Bayerische Staatsbibliothek, Gertrud von den Brincken, in: Literaturportal Bayern. (P)
Gertrud von den Brincken, in: schmied-kowarzik.net. (Lebenslauf, Werke, Literatur, Onlineausgaben von Erzählungen und Autobiografischem, P)
Anton Reyntjes, Eine Sammlung von Gedichten von Gertrud von den Brincken.
Kreidezeichnung, Gertrud von den Brincken und Walther Schmied-Kowarzik, v. Lia Baronesse von Bistram, 1947, Familienbesitz.