Branco, Helene

Lebensdaten
1816 – 1894
Geburtsort
Düsseldorf
Sterbeort
Bernau bei Berlin
Beruf/Funktion
Lyrikerin
Konfession
unbekannt
Normdaten
GND: 1234931001 | OGND | VIAF
Namensvarianten

  • Dilia Helena
  • Dilia Thelyma Nelly Helene Rödlich
  • Branco, Helene
  • Dilia Helena
  • Dilia Thelyma Nelly Helene Rödlich

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Zitierweise

Branco, Helene, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd1234931001.html [30.01.2025].

CC0

  • Dilia Helena (eigentlich Dilia Thelyma Nelly Helene Rödlich, verheiratete Helene Branco)

    1816 – 1894

    Lyrikerin

    Helene Branco war eine der meistzitierten konservativ-bürgerlichen Schriftstellerinnen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihre unter dem Pseudonym Dilia Helena veröffentlichten Gedichte und Aphorismen erschienen in eigenen Bändchen mit teils mehreren Auflagen und in zeitgenössischen Anthologien. Nach 1900 geriet sie weitgehend in Vergessenheit.

    Lebensdaten

    Geboren am 13. Oktober 1816 in Düsseldorf
    Gestorben am 27. Februar 1894 in Bernau bei Berlin
    Konfession evangelisch-reformiert
    Dilia Helena (InC)
    Dilia Helena (InC)
  • 13. Oktober 1816 - Düsseldorf

    - Potsdam; Berlin

    Schulbesuch; weitere Ausbildung unbekannt

    1841 - Potsdam

    Führung eines bürgerlichen Haushalts und Salons

    um 1850 - Potsdam

    Beginn der geistigen Erkrankung

    um 1855 - 1859 - Zehlendorf bei Berlin

    Aufenthalt

    Pflegeanstalt Asyl Schweizerhof

    1859 - 1894 - Alt-Landsberg bei Berlin; Bernau bei Berlin

    Aufenthalt

    private Pflegeanstalt Köhler; private Pflegeanstalt Zeidler

    27. Februar 1894 - Bernau bei Berlin

    Dilia Helena erhielt in Wetzlar, Potsdam und Berlin eine standesgemäße Erziehung. Nach ihrer Heirat 1841 lebte sie in Potsdam. Früh zeigten sich psychische Erkrankungen; ihre zweite Lebenshälfte verbrachte die zuvor populäre Lyrikerin deshalb verstummt in privaten Pflegeheimen. Als junge Frau verkehrte Dilia Helena in Berlin in Romantikerkreisen um Franz Theremin (1780–1846) und Ludwig Tieck (1773–1853), die sie als Lehrmeister, Förderer und Freunde verehrte. In fünf schmalen Bändchen, vermehrte Neuausgaben mitgezählt, publizierte sie unter Pseudonym knapp zweihundert Gedichte, dazu zahlreiche „Kindersprüche“ und Aphorismen. Breitenwirkung erzielte sie dank der Aufnahme einiger Texte in die beliebten, auflagenstarken Anthologien der Zeit, z. B. in Franz Brümmers (1836–1923) „Hausschatz deutscher Lyrik seit 1849“ (1878), Hermann Kletkes (1813–1886) „Deutschlands Dichterinnen“ (1853) und Karl Julius Löschkes (1809–1887) „Zu Herzensfreude und Seelenfrieden“ (1861). Mehr als 90 Gedichte wurden vertont, u. a. von Franz Abt (1819–1885), Gustav Graben-Hoffmann (1820–1900), Carl Loewe (1796–1869) und Pauline Viardot-Garcia (1821–1910). In Potsdam führte Dilia Helena ein gastfreundliches Haus nach dem Vorbild der Berliner Salons; ihre Korrespondenz mit Freundinnen, Schriftstellern und Komponisten ist bis auf wenige Einzelfunde verschollen.

    Tieck schwärmte in seinem Vorwort von Dilia Helenas „Liedern“ (1848) als einem „Strauß feiner und zarter Waldblümchen“. Neben banaler Gelegenheitslyrik und kunsthandwerklich gebauten, ausschließlich gereimten Versen gelang ihr eine Reihe Gedichte, die dem romantischen, tieckschen Ideal der Auflösung von Sprache in „Lieder- und Tongedanken“ gerecht werden. Sprachschöpferisch hebt sich Dilia Helena aus der Vielzahl der schreibenden bürgerlichen Frauen ihrer Zeit heraus. Inhaltlich jedoch markiert ihr Werk keinen Fortschritt in der Geschichte der Frauenlyrik. Mit ihren Themenkreisen Natur und Liebe, Elfen und Geister, Weltschmerz und Kindestod variierte sie romantische Klischees, doch lässt die Verarbeitung eigener Erfahrungen existenziellen Ernst aufscheinen. Heftige Kontroversen lösten einige ihrer enthusiastischen Liebesgedichte aus, die mit bedingungsloser Unterwerfung der Frau unter den ikonisierten Mann traditionelle Weiblichkeitsbilder beschworen. So polarisierte Dilia Helena die zeitgenössische Literaturkritik in Bewunderung für eine „echt weibliche Natur“ einerseits, z. B. Carl Barthel (1817–1853), und Spott über eine Antipodin der Frauenemanzipation andererseits, z. B. Joseph Gostwick (1814–1887) und Robert Harrison. Die neuere literaturgeschichtliche Forschung, z. B. Günter Häntzschel (geb. 1939) interpretiert ihr lyrisches Werk als sozialgeschichtliches Dokument und liest es als extremes Beispiel für weibliches Rollenverhalten im 19. Jahrhundert.

    Nachlass:

    Familienarchiv Freiherr von Branca, München. (Splitternachlass)

    Weitere Archivmaterialien:

    Bayerische Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, München.

    Deutsches Literaturarchiv, Handschriftenabteilung, Marbach am Neckar.

    Gedichte von Dilia Helena, 1841.

    Lieder von Dilia Helena. Mit einem Vorworte v. Ludwig Tieck, 1848, ²1852, ³1868.

    Neuere Lieder von Dilia Helena, 1849.

    Bibliografie:

    Winfried Mogge, Dilia Helena (1816–1894). Eine vergessene Dichterin der Spätromantik, 2020. (W, L, Qu, P, Konkordanz der Gedichte, Diskografie).

    Carl Barthel, Die deutsche Nationalliteratur der Neuzeit in einer Reihe von Vorlesungen dargestellt, 21851, S. 536–538, 31853, S. 575–577, 41855, S. 578–580.

    Rudolf Gottschall, Die deutsche Nationalliteratur des neunzehnten Jahrhunderts. Literarhistorisch und kritisch dargestellt, Bd. 3, 21861, S. 228, 31872, S. 260, 41875, S. 271.

    Karl Schütze (Hg.), Deutschlands Dichter und Schriftsteller von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, 1862, S. 52.

    Joseph Gostwick/Robert Harrison, Outlines of German Literature, 1873, S. 527 f.

    Heinrich Kurz, Geschichte der neuesten deutschen Literatur von 1830 bis auf die Gegenwart. Mit ausgewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller, 31874, S. 61.

    Heinrich Gross (Zusammenstellung), Deutschlands Dichterinen [sic!] und Schriftstellerinen [sic!]. Eine literarhistorische Skizze, 21882, S. 153.

    Julius Wiegand, Die Frau in der modernen deutschen Literatur. Plaudereien, 1903, S. 51.

    Günter Häntzschel, Die deutschsprachigen Lyrikanthologien 1840 bis 1914. Sozialgeschichte der Lyrik des 19. Jahrhunderts, 1997, S. 297–299.

    Winfried Mogge, Wilhelm Branco (1844–1928). Geologe – Paläontologe – Darwinist. Eine Biografie, 2018, S. 32–39. (L, P)

    Winfried Mogge, Dilia Helena (1816–1894). Eine vergessene Dichterin der Spätromantik, 2020. (W, L, Qu, P, Konkordanz der Gedichte, Diskografie).

    Zeitschriftenartikel:

    N. N., Zur Geschichte der neuesten Lyrik, in: Blätter für literarische Unterhaltung, Nr. 121, 1849, S. 481–483.

    N. N., Literaturblätter, in: Frankfurter Konversationsblatt. Belletristische Beilage zur Oberpostamts-Zeitung, Nr. 157, 1851, S. 626 f.

    N. N., Bücherschau, in: Neue Illustrirte [sic!] Zeitschrift. Ordinäre Ausg., Nr. 40, 1853, S. 319.

    Lexikonartikel:

    Franz Brümmer, Art. „Branco, Helene“, in: ders., Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mitteilungen über deutsche Dichter aller Zeiten, Bd. 1, 1876, S. 86.

    Reinhard Müller, Art. „Helena, Dilia“, in: Wilhelm Kosch (Begr.), Deutsches Literatur-Lexikon, Bd. 7, ³1979, Sp. 821.

    Elisabeth Friedrichs, Art. „Branco, Helene“, in: dies., Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. Ein Lexikon, 1981, S. 36.

    N. N., Art. „Branco, Helene“, in: Herbert Jacob (Bearb.)/Marianne Jacob (Red.), Deutsches Schriftsteller-Lexikon. 1830–1880, Bd. 1, 1995, S. 603 f. (W, L)

    Pastellzeichnung, wahrscheinlich v. Marie Rödlich (Schwester), um 1840/41, Abbildung in: Winfried Mogge, Dilia Helena (1816–1894). Eine vergessene Dichterin der Spätromantik, 2020, Buchumschlag u. Frontispiz, S. 2.

    Fotografie, Atelier Hermann Rieck Bernau, um 1880/90, Abbildung in: Winfried Mogge, Dilia Helena (1816–1894). Eine vergessene Dichterin der Spätromantik, 2020, S. 36.

  • Autor/in

    Winfried Mogge (Berlin)

  • Zitierweise

    Mogge, Winfried, „Branco, Helene“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/1234931001.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA