Boeselager, Georg
- Lebensdaten
- 1915 – 1944
- Geburtsort
- Kassel
- Sterbeort
- Sowjetunion (Narew-Front)
- Beruf/Funktion
- Offizier ; Widerstandskämpfer
- Konfession
- römisch-katholisch
- Normdaten
- GND: 118810723 | OGND | VIAF: 62345184
- Namensvarianten
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- Boeselager, Georg Freiherr von
- Boeselager, Georg
- Boeselager, Georg Freiherr von
- Boeselager, Georg von
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- Philipp Leopold Michael Hubertus Antonius Maria Freiherr von Boeselager
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Boeselager, Georg Dietrich Albert Alexander Freiherr von
1915 – 1944
Offizier, Widerstandskämpfer
Georg Freiherr von Boeselager gehörte seit 1942 zum Kreis der Verschwörer gegen Hitler in der Heeresgruppe Mitte um Henning von Tresckow (1901–1944). Er führte einen Kavallerieverband, der in der Partisanenbekämpfung eingesetzt wurde und zugleich als Verfügungstruppe zum Militärputsch in Berlin dienen sollte. Boeselager forderte eine politische Lösung anstelle eines rassenideologischen Vernichtungskriegs im Osten.
Lebensdaten
Geboren am 25. August 1915 in Kassel Gestorben am 27. August 1944 in Sowjetunion (Narew-Front) Grabstätte Friedhof in Burg Heimerzheim (Nordrhein-Westfalen) Konfession römisch-katholisch -
Autor/in
→Winfried Heinemann (Cottbus)
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Zitierweise
Heinemann, Winfried, „Boeselager, Georg“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118810723.html#dbocontent
Einer alten, katholisch-westfälischen Adelsfamilie entstammend, wuchs Boeselager auf Burg Heimerzheim nahe Bonn auf, legte 1934 am Aloisius-Kolleg der Jesuiten in Bad Godesberg sein Abitur ab und begann in Paderborn die Offizierslaufbahn. An den Feldzügen gegen Polen und Frankreich nahm er 1939/40 als Oberleutnant teil, wurde mehrfach ausgezeichnet und kurz nach Beginn des Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion 1941 zum Rittmeister ernannt. Über seine politischen Überzeugungen und seine Haltung zum Nationalsozialismus bis 1939 ist nichts bekannt.
Boeselager wusste aus Gesprächen mit Kameraden früh um deutsche Verbrechen im Ostkrieg. Der Bericht des Oberstleutnants Friedrich August Freiherr von der Heydte (1907–1994) in britischer Kriegsgefangenschaft, Boeselager sei im Krieg Zeuge der Erschießung polnischer Juden geworden, ist quellenmäßig nicht gesichert und lässt nicht klar erkennen, ob Boeselager selbst geschossen habe. Seit Januar 1942 diente Boeselager als Taktiklehrer an der Kavallerieschule für Schnelle Truppen in Krampnitz (Potsdam).
Boeselager entwickelte aus eigener Kriegserfahrung das Konzept einer selbstständig operierenden Kavallerieabteilung zur Sicherung des Hinterlandes: In den Weiten Russlands könnte ein kampfkräftiger berittener Verband in Regimentsstärke schnell auf Partisanen reagieren und diese auch in panzerungünstigem Gelände (Wald, Sumpf) bekämpfen. Im Januar 1943 traf er mit dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall Günther von Kluge (1882–1944), zusammen, bei dem sein Bruder Philipp Freiherr von Boeselager (1917–2008) Ordonnanzoffizier war. Boeselager unterbreitete Kluge sein Konzept und wurde von diesem mit der Aufstellung eines eigenständigen Kavallerieverbands beauftragt.
Boeselager war seit Januar 1943 Teil des militärischen Widerstandskreises um den Ersten Generalstabsoffizier (I a) der Heeresgruppe Mitte, Henning von Tresckow (1901–1944). An dem Plan, Adolf Hitler (1889–1945) bei einem Besuch der Heeresgruppe am 13. März 1943 zu erschießen, war er zentral beteiligt. Der Plan scheiterte, weil Kluge ihn zuletzt ablehnte, da Heinrich Himmler (1900–1945) nicht anwesend war und er bei einer alleinigen Ermordung Hitlers einen bewaffneten Konflikt zwischen Heer und SS befürchtete.
Im April 1943 übernahm Boeselager das zuletzt rund 3000 Mann umfassende Kavallerie-Regiment Mitte und wurde im selben Jahr zum Major und Oberstleutnant befördert. Im Juni 1943 legte er dem Heeresgruppenkommando einen „Erfahrungsbericht über die Kampftaktik der Partisanen und Möglichkeiten unsrerseits die Bandengefahr zu beschränken“ vor. Darin empfahl er die Evakuierung aller Männer bis 50 Jahre aus „banden-verseuchten“ Gebieten, anschließend dort angetroffene Männer sollten erschossen werden. Der Bericht beinhaltete zwar eine völkerrechtlich fragwürdige Kriegführung, forderte aber zugleich eine Abkehr von der Terrorpraxis des rassenideologischen Vernichtungskriegs und betonte, eine Befriedung der eroberten Territorien sei nur zu erreichen, wenn der sowjetischen Bevölkerung eine politische Perspektive gegeben werde.
Im Mai 1944 wurde Boeselagers Verband zur 3. Kavallerie-Brigade aufgewertet. Seit Mitte Juli 1944 wieder an der Ostfront eingesetzt, erlebte er den Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte und schickte rund 1200 Soldaten seiner Brigade unter Führung seines Bruders Philipp nach Westen zur Unterstützung des geplanten Staatsstreichs vom 20. Juli 1944. Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler kehrten die Einheiten zur Truppe zurück. Am 27. August 1944 fiel Boeselager bei Kämpfen zwischen Białystok und Warschau. Da die Gestapo seine Rolle im Widerstand nicht aufklären konnte, wurde er mit militärischen Ehren beigesetzt und postum zum Oberst befördert.
1939 | Eisernes Kreuz I. Klasse |
1941 | Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub (1944 postum mit Schwertern) |
1966 | Georg-von-Boeselager-Straße, Bonn |
1970 | Boeselager-Wettkampf der Panzeraufklärungstruppe der Bundeswehr und ihrer Verbündeten (bis 1996 jährlich, seit 1988 zweijährlich) |
1984 | Freiherr-von-Boeselager-Kaserne, Munster (Niedersachsen) |
1993 | Georg-von-Boeselager Sekundarschule, Swisttal (Nordrhein-Westfalen) |
2012 | Boeselagerstraße, Braunschweig |
Oberst-von-Boeselager-Straße, Freyung (Niederbayern) | |
Boeselagerstraße, Montabaur (Rheinland-Pfalz) |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg im Breisgau, RH 11-I/60 (enthält u. a. Nachrufe auf Boeselager); RH 19-II/172 (umfasst u. a. Boeselagers „Erfahrungsbericht über die Kampftaktik der Partisanen und Möglichkeiten unsrerseits die Bandengefahr zu beschränken“).
Heinz Doepgen, Georg von Boeselager. Kavallerie-Offizier in der Militäropposition gegen Hitler, 1986.
Friedrich Gerhard Hohmann (Hg.), Deutsche Patrioten in Widerstand und Verfolgung 1933–1945. Paul Lejeune-Jung, Theodor Roeingh, Josef Wirmer, Georg Freiherr von Boeselager. Ein Gedenkbuch der Stadt Paderborn, 1986.
Heinz Doepgen, Georg Freiherr von Boeselager (1915–1944), in: Wilhelm Janssen (Hg.), Rheinische Lebensbilder, Bd. 11, 1988, S. 343–377.
Thomas Reuther, Soldaten für den Staatsstreich. Die Heeresgruppe Mitte und der 20. Juli 1944, in: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung 3 (2004), H. 2, S. 4–7.
Winfried Heinemann, Georg und Philipp von Boeselager im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, in: Die Warte. Heimatzeitschrift für die Kreise Paderborn und Höxter, Nr. 143, 2009, S. 23–29.
Gedenkstätte Deutscher Widerstand.
WDR ZeitZeichen vom 25. August 2015. (Radio-Feature anlässlich des 100. Geburtstags von Boeselager)
Fotografien, Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sammlung Heinrich Hoffmann.