Blass, Ernst

Lebensdaten
1890 – 1939
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Übersetzer ; Tanz- und Filmkritiker
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 119312069 | OGND | VIAF: 14902917
Namensvarianten

  • Stabler, Daniel / Pseudonym
  • Sternow, Erich / Pseudonym
  • Blass, Ernst
  • Stabler, Daniel / Pseudonym
  • Sternow, Erich / Pseudonym
  • Sthernow, Erich / Pseudonym

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Zitierweise

Blass, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119312069.html [31.01.2025].

CC0

  • Blass, Ernst

    Pseudonyme: Daniel Stabler; Erich Sternow

    1890 – 1939

    Schriftsteller, Übersetzer, Tanz- und Filmkritiker

    Ernst Blass gehörte zum Umkreis des Neuen Clubs und des Neopathetischen Cabarets in Berlin und wurde v. a. mit seinem ersten, frühexpressionistischen Lyrikband „Die Straßen komme ich entlang geweht“ (1912) bekannt. In Heidelberg von 1913 bis 1915 neoklassisch von Stefan George (1868–1933) und Paul Ernst (1866–1933) inspiriert, war Blass von 1914 bis 1921 Herausgeber der Zeitschrift „Die Argonauten“, ehe er in den 1920er Jahren als Chefkritiker für den Film im „Berliner Tageblatt“ tätig wurde. Sein Werk ist geprägt von den Ambivalenzen zwischen Großstadt und Provinz, Expressionismus und Klassizismus, Bürgertum und Bohème.

    Lebensdaten

    Geboren am 17. Oktober 1890 in Berlin
    Gestorben am 23. Januar 1939 in Berlin
    Grabstätte Jüdischer Friedhof (Abt. K 5, Reihe 3, Grab Nr. 9 9970) in Berlin-Weißensee
    Konfession jüdisch
  • 17. Oktober 1890 - Berlin

    1897 - 1908 - Berlin

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Königliches Wilhelms-Gymnasium

    1908 - 1915 - Berlin; seit 1913 Heidelberg

    Studium der Rechtswissenschaften

    Universität

    1914 - 1921 - Heidelberg

    Herausgeber

    Die Argonauten (literarisch-philosophische Monatsschrift)

    1916 - Heidelberg

    Promotion (Dr. iur.)

    Universität

    1916 - 1920 - Berlin

    Archivar

    Dresdner Bank

    1921 - 1923 - Berlin

    Tanzkritiker

    Berliner Börsen-Courier (Tageszeitung)

    1924 - Berlin

    Theater- und Filmkritiker

    Der Montag-Morgen (Wochenzeitung)

    1924 - Berlin

    Lektor

    Paul Cassirer Verlag

    1924 - 1933 - Berlin

    Mitarbeiter im Feuilleton; Filmkritiker

    Berliner Tageblatt (Tageszeitung)

    nach 1933 - Berlin

    Mitarbeiter

    Jüdische Rundschau (Monatszeitung)

    23. Januar 1939 - Berlin

    Nach dem Abitur am Königlichen Wilhelms-Gymnasium in Berlin 1908 studierte Blass hier auf Wunsch der Eltern Rechtswissenschaften und wandte sich in der Studienzeit der Literatur zu. Auf Vermittlung seines Schulfreunds Heinrich Eduard Jacob (1889–1967) wurde er 1910 Mitglied im Neuen Club, der ersten expressionistischen Autorenvereinigung, in der auch Georg Heym (1887–1912) und Jakob van Hoddis (1887–1942) entdeckt wurden. Er lernte Kurt Hiller (1885–1972) kennen und nahm an Treffen des Neopathetischen Cabarets und des Cabarets Gnu teil. 1912 veröffentlichte Blass erste Gedichte in dem von Hiller herausgegebenen Gedichtband „Der Kondor“ und seinen ersten Gedichtband „Die Straßen komme ich entlang geweht“, in dem er v. a. das Leben in der Großstadt thematisierte.

    1914 wurde Blass, der wegen epileptischer Anfälle in seiner Kindheit als kriegsuntauglich ausgemustert worden war, Herausgeber der monatlich im Verlag von Richard Weissbach (1882–1950) erscheinenden literarisch-philosophischen Monatsschrift „Die Argonauten“ in Heidelberg und lernte hier Karl Jaspers (1883–1969), Benno Elkan (1877–1960), Friedrich Burschell (1889–1970), Friedrich Sieburg (1893–1964), Jacob Picard (1883–1967) und Walter Feilchenfeldt (1894–1953) kennen. Durch die Ausstrahlung des George-Kreises entwickelte sich Blass’ Werk in dieser Zeit in neoklassischen Bahnen.

    1915 in Heidelberg bei Karl von Lilienthal (1853–1927) mit einer strafrechtlichen Dissertation zum Dr. iur. promoviert, kehrte Blass Ende desselben Jahrs nach Berlin zurück und war von 1916 bis 1920 als Archivar in der Dresdner Bank tätig. 1921 gab er seine Herausgeberschaft der „Argonauten“ auf und arbeitete bis 1923 als festangestellter Tanzkritiker für die Tageszeitung „Berliner Börsen-Courier“. 1921 erschien seine Porträtsammlung „Das Wesen der neuen Tanzkunst“, das einzige Buch, das zu Blass’ Lebzeiten eine zweite Auflage (1922) erfuhr.

    1924 war Blass ein halbes Jahr lang als Theater- und Filmkritiker bei der Wochenzeitung „Der Montag-Morgen“ angestellt, ehe er im November des Jahres Mitarbeiter im Feuilleton des „Berliner Tageblatts“ wurde. Während Blass in der ersten Hälfte der 1920er Jahre v. a. Tanzkritiken geschrieben hatte, konzentrierte er sich nun auf das neue Medium Film und verfasste über 400 Filmkritiken sowie Rezensionen zu Büchern zum Film und Essays über Schauspieler, Schauspielerinnen und Regisseure. Bis Anfang der 1930er Jahre, als er fast sein komplettes Sehvermögen verlor, war er Chefkritiker für den Film beim „Berliner Tageblatt“ und begleitete als solcher den Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm.

    Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Blass als Jude beim „Berliner Tageblatt“ entlassen. In seinen Publikationsmöglichkeiten massiv eingeschränkt, veröffentlichte er bis 1938 wenige Beiträge in der „Jüdischen Rundschau“ in dem von Salman Schocken (1877–1959) 1931 gegründeten Verlag, der vermutlich auch Blass’ Übersetzung von George Noel Gordon Lord Byrons (1788–1824) „Kain“ (1938) finanzierte. Fast erblindet und an Tuberkulose erkrankt, war Blass in seinen letzten Lebensjahren auf Geldspenden von Freunden angewiesen. Seine Grabrede hielt der Verleger Erich Lichtenstein (1888–1967).

    War Blass in Exilkreisen während des Zweiten Weltkriegs und nach dessen Ende in deutschen Literatenzirkeln weitgehend vergessen, so wurde er in den 1950er Jahren durch den Schriftsteller Karl Otten (1889–1963) wiederentdeckt, der Werke von Blass in seine Anthologien („Ahnung und Aufbruch“, 1957; „Das leere Haus. Prosa jüdischer Dichter“, 1959; „Expressionismus – grotesk“ und „Schofar. Lieder und Legenden jüdischer Dichter“, beide 1962) aufnahm. Seit den 1980er Jahren erfuhr v. a. Blass’ lyrisches Hauptwerk „Die Straßen komme ich entlang geweht“ Neuauflagen und eine Würdigung als frühexpressionistisches Meisterstück. In jüngster Zeit wurde im Rahmen einer Werkausgabe (3 Bde., 2009) und einer Sammlung seiner „Essays und Kritiken zum Film“ (2019) auch auf Blass’ Bedeutung als einflussreicher Kinokritiker der Weimarer Republik aufmerksam gemacht.

    1909 Mitglied von Der Neue Club
    1910 Mitglied von Das Neopathetische Cabaret
    1910 Mitglied von Cabaret Gnu
    1926 Mitglied der Gruppe 1925

    Nachlass:

    Privatbesitz.

    Weitere Archivmaterialien:

    Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar. (Korrespondenz)

    Archiv der Akademie der Künste, Berlin. (Korrespondenz)

    Universitätsarchiv Heidelberg. (Abgangszeugnis)

    Monografien:

    Die Straßen komme ich entlang geweht, 1912 (Onlineressource), Neuausg. u. d. T. Die Straßen komme ich entlang geweht. Gedichte, hg. u. mit einem Nachw. v. Thomas B. Schumann, 1975, u. d. T. Die Straßen komme ich entlang geweht. Sämtliche Gedichte, hg. u. mit einem Nachw. v. Thomas B. Schumann, 1980.

    Die Gedichte von Trennung und Licht, 1915. (Onlineressource)

    Die Tötung des Verlangenden (§ 216 RStGB), 1916. (Diss. iur.)

    Die Gedichte von Sommer und Tod, 1918. (Onlineressource)

    Der paradiesische Augenblick, 1920. (unter Pseudonym Daniel Stabler)

    Über den Stil Stefan Georges, 1920.

    Der offene Strom, 1921.

    Das Wesen der neuen Tanzkunst, 1921, 21922.

    Herausgeberschaft:

    Die Argonauten, Heidelberg 1914–1921.

    Übersetzung:

    George Noel Gordon Lord Byron, Kain. Ein Mysterium, 1938. (Onlineressource)

    Werkausgaben:

    Werkausgabe in drei Bänden, hg. v. Thomas B. Schumann, 2009.

    „in kino veritas“. Essays und Kritiken zum Film Berlin 1924–1933, ausgew., mit einem Nachw. versehen u. hg. v. Angela Reinthal, mit einem Geleitwort v. Dieter Kosslick, 2019.

    Bibliografie der Primär- und Sekundärliteratur:

    Angela Reinthal, „Wo Himmel und Kurfürstendamm sich berühren“. Studien und Quellen zu Ernst Blass (1890–1939), 2000, 22010, S. 396–508.

    Monografie:

    Angela Reinthal, „Wo Himmel und Kurfürstendamm sich berühren“. Studien und Quellen zu Ernst Blass (1890–1939), 2000, 22010.

    Aufsätze und Beiträge:

    Jacob Picard, Ernst Blass, seine Umwelt in Heidelberg und „Die Argonauten“. Biographisches Fragment, in: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde N. F. 3 (1961/62), S. 194–199.

    Thomas B. Schumann, „Funkelnd zwischen Stahl und der Blume Viola“. Einige Hinweise zu Ernst Blass, in: ders. (Hg.), Ernst Blass, Die Straßen komme ich entlang geweht. Sämtliche Gedichte, 1980, S. 163–182.

    Ursula Krechel, Aus der expressionistischen Bahn geweht. Ernst Blass. „Märzabend“, in: dies., Lesarten. Von der Geburt des Gedichts aus dem Nichts, 21991, S. 94–98.

    Sabina Becker, „Ultra-intellektuell und asphalten“. Zu Ernst Blass‘ Gedicht „An Gladys“, in: Reiner Marx/Christoph Weiß (Hg.), „Wir wissen ja nicht, was gilt“. Interpretationen zur deutschsprachigen Lyrik des 20. Jahrhunderts, 1993, S. 11–24.

    Angela Reinthal, „Aber Paul Ernst kann man schätzen“. Zur Rezeption Paul Ernsts bei Ernst Blass, in: Horst Thomé (Hg.), Paul Ernst. Außenseiter und Zeitgenosse, 2002, S. 205–216.

    Angela Reinthal, Ernst Blass in Heidelberg und „Die Argonauten“, in: Markus Bitterolf/Oliver Schlaudt/Stefan Schöbel (Hg.), Intellektuelle in Heidelberg 1910–1933. Ein Lesebuch, 2014, S. 59–70.

    Lexikonartikel:

    Ferdinand van Ingen, Art. „Ernst Blass“, in: Karl-Heinz Habersetzer (Hg.), Deutsche Schriftsteller im Porträt, Bd. 6, 1984, S. 29.

    N. N., Art. „Blass, Ernst“, in: Manfred Brauneck (Hg.). Autorenlexikon deutschsprachiger Literatur des 20. Jahrhunderts, 21985, S. 67.

    Karl Ludwig Schneider, Art. „Ernst Blass“, in: Herbert Wiesner (Hg.), Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, 21987, S. 72 f.

    Gero von Wilpert, Art. „Blaß, Ernst“, in: ders., Deutsches Dichterlexikon. Biographisch-bibliographisches Handwörterbuch zur deutschen Literaturgeschichte, 31988, S. 78.

    Hans J. Schütz, Art. „Blass, Ernst“, in: ders., Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen. Vergessene und verkannte Autoren des 20. Jahrhunderts, 1988, S. 44–48.

    Sabina Becker, Art. „Blass, Ernst“, in: Andreas B. Kilcher (Hg.), Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur, 2000, S. 70–72.

    Thomas B. Schumann/Angela Reinthal, Art. „Blass, Ernst“, in: Wilhelm Kühlmann (Hg.), Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, Bd. 1, 22008, S. 580 f.

    Gemälde (Öl/Leinwand) v. Oskar Kokoschka (1886–1980), 1926, Kunsthalle Bremen, Abbildung in: Paul Requadt, Unbürgerliche Dichterporträts des Expressionismus, 1995, S. 51.

    Zeichnung v. Benedikt Fred Dolbin (1883–1971), Abbildung in: Die literarische Welt 2 (1926), Nr. 37 v. 10.9.1926, S. 3. (Original vermutlich im Dolbin-Archiv im Institut für Zeitungsforschung, Dortmund)

    Bleistiftzeichnung v. Benedikt Fred Dolbin (1883–1971), Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar, Abbildung in: Karl-Heinz Habersetzer (Hg.), Deutsche Schriftsteller im Porträt, Bd. 6, 1984, S. 28

    Zeichnung v. Arthur Drey (1890–1965), Abbildung in: Die Aktion 2 (1912), Nr. 39 v. 25.9.1912, Sp. 1233 f.

    Fotografie v. Helmar Lerski (1871–1956), wohl 1928, Negativ im Deutschen Literaturarchiv, Marbach am Neckar.

  • Autor/in

    Angela Reinthal (Berlin)

  • Zitierweise

    Reinthal, Angela, „Blass, Ernst“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/119312069.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA