Bieberbach, Ludwig

Lebensdaten
1886 – 1982
Geburtsort
Goddelau bei Darmstadt
Sterbeort
Oberaudorf (Oberbayern)
Beruf/Funktion
Mathematiker
Konfession
unbekannt
Normdaten
GND: 116162961 | OGND | VIAF: 110761832
Namensvarianten

  • Bieberbach, Ludwig Elias Georg Moses
  • Bieberbach, Ludwig
  • Bieberbach, Ludwig Elias Georg Moses
  • Biberbach, L.
  • Bieberbach, L.
  • Bieberbach, Ludwig Georg Elias Moses

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Zitierweise

Bieberbach, Ludwig, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116162961.html [31.01.2025].

CC0

  • Bieberbach, Ludwig Elias Georg Moses

    1886 – 1982

    Mathematiker

    Ludwig Bieberbach, v. a. für Funktionentheorie ausgewiesen, wurde durch seinen Beitrag zur Lösung des 18. Hilbertschen Problems, die von ihm aufgestellte Bieberbachsche Vermutung (1916), bekannt. Erfolgreich als Lehrbuchautor und einflussreich als Fachpolitiker, wandte er sich 1933 mit großer Überzeugung dem Nationalsozialismus zu („Deutsche Mathematik“) und war daher nach 1945 in der Mathematik in Deutschland isoliert.

    Lebensdaten

    Geboren am 4. Dezember 1886 in Goddelau bei Darmstadt
    Gestorben am 1. September 1982 in Oberaudorf (Oberbayern)
    Konfession evangelisch-lutherisch
    Ludwig Bieberbach (Mitte), MFO (InC)
    Ludwig Bieberbach (Mitte), MFO (InC)
  • 4. Dezember 1886 - Goddelau bei Darmstadt

    bis 1898

    Privatunterricht

    1898 - 1905 - Bensheim (Südhessen)

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Gymnasium

    1905 - 1906 - Heidelberg

    Militärdienst

    1906 - 1910 - Heidelberg; seit 1907 Göttingen

    Studium der Mathematik

    Universität

    1910 - Göttingen

    Promotion (Dr. phil.)

    Universität

    1910 - Zürich

    Habilitation für Mathematik

    Universität

    1910 - 1913 - Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland)

    Privatdozent

    Universität

    1913 - 1915 - Basel

    ordentlicher Professor für Mathematik

    Universität

    1915 - 1921 - Frankfurt am Main

    ordentlicher Professor für Mathematik

    Universität

    1921 - 1945 - Berlin

    ordentlicher Professor für Reine Mathematik (1927/28 u. 1935–1945 Dekan der Philosophischen Fakultät; 1936–1945 Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät)

    Universität

    1933

    Mitglied

    SA

    1933

    Mitglied

    NS-Dozentenbund

    1933 - 1935 - Berlin

    stellvertretender Rektor

    Universität

    1936 - 1944

    Mitgründer und Herausgeber

    Deutsche Mathematik (Zeitschrift)

    1937

    Mitglied

    NSDAP

    1945 - 1946

    Internierung

    1949 - Basel

    Gastdozent

    Universität

    1949 - 1952 - Berlin

    wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Alexander Dinghas (1908–1974)

    Freie Universität

    1. September 1982 - Oberaudorf (Oberbayern)

    Bieberbach besuchte seit 1898 das Gymnasium in Bensheim (Südhessen), erhielt 1905 das Abitur und leistete anschließend Militärdienst in Heidelberg, wo er Vorlesungen über Funktionentheorie bei Leo Königsberger (1837–1921) hörte. Das Studium der Mathematik setzte er seit 1906 an der Universität in Göttingen bei David Hilbert (1862–1943) und Felix Klein (1849–1925) fort und schloss es 1910 mit der von Klein betreuten Dissertation „Zur Theorie der automorphen Funktionen“ ab. Bieberbach wechselte an die Universität Zürich, wo er sich im selben Jahr mit der Arbeit „Über die Bewegungsgruppen der Euklidischen Räume“ für Mathematik habilitierte, in der er einen Teil des 18. Hilbertschen Problems löste (1911/12 publiziert). Nach wenigen Jahren als Privatdozent an der Universität in Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland) folgten ordentliche Professuren für Mathematik von 1913 bis 1915 an der Universität in Basel und an der neu gegründeten Universität Frankfurt am Main. 1921 folgte er einem Ruf auf die Professur für Reine Mathematik an der Universität Berlin.

    Bieberbachs Forschungsschwerpunkte lagen v. a. in der (geometrischen) Funktionentheorie und Gruppentheorie. In seinem 1916 publizierten Aufsatz „Über die Koeffizienten derjenigen Potenzreihen, welche eine schlichte Abbildung des Einheitskreises vermitteln“ stellte er die erst 1984 bewiesene „Bieberbachsche Vermutung“ auf, die einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Funktionentheorie hatte. Bieberbach galt als einer der begabtesten Mathematiker seiner Generation und war ein erfolgreicher Lehrbuchautor („Funktionentheorie“, 1922; „Differentialgleichungen“, 1923, ²1926; „Analytische Geometrie“, 1930).

    In den 1920er Jahren war Bieberbach ein einflussreiches Mitglied der mathematischen Fachgemeinschaft in Deutschland, u. a. von 1921 bis 1934 als Schriftführer der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV). Seine offene Hinwendung zum Nationalsozialismus 1933 löste vielerorts Erstaunen aus und führte zu zahlreichen Konflikten. In dem Beitrag „Persönlichkeitsstruktur und mathematisches Schaffen“ konzipierte Bieberbach im April 1934 mit der „Deutschen Mathematik“ einen eigenen Beitrag zur nationalsozialistischen Rassenideologie. Als Sprachrohr der „Deutschen Mathematik“ gründete er 1936 mit Theodor Vahlen (1869–1945) als nominellem und ihm als tatsächlichem Herausgeber die Zeitschrift „Deutsche Mathematik“, die durch die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft finanziert wurde. 1934 scheiterte Bieberbachs Versuch, in der DMV das Führerprinzip einzuführen, worauf er 1935 aus der DMV austrat. Bieberbachs 1938 erschienene Monografien „Galilei und die Inquisition“ und „Carl Friedrich Gauß. Ein deutsches Gelehrtenleben“ zeugen von seiner Begabung als Schriftsteller und Sympathie für nationalsozialistische Ideen. Bieberbachs politisches Verhalten zwischen 1933 und 1945 führte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu seiner Entlassung. Er erhielt nie wieder eine Professur.

    Vor seiner Hinwendung zum Nationalsozialismus hatte Bieberbach in Frankfurt am Main und Berlin eine Reihe später bedeutender Schüler, z. B. Hubert Cremer (1897–1983), Werner Fenchel (1905–1988), Helmut Grunsky (1904–1986), Karl Reinhardt (1895–1941), Kurt Schröder (1909–1978) und Wilhelm Süss (1895–1958). Mit Süss, der von 1938 bis 1945 als Vorsitzender der DMV großen fachpolitischen Einfluss hatte und zumindest partiell unter Bieberbachs Einfluss stand, verband ihn eine lebenslange Freundschaft, die nach 1945 für Bieberbach von Bedeutung war, da Süss sich um seine Rehabilitierung bemühte.

    Abgesehen von einem Aufenthalt als Gastdozent an der Universität Basel 1949 und anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin bis 1952 konzentrierte sich Bieberbach auf seine Tätigkeit als Lehrbuchautor. In den 1950er Jahren scheiterten trotz seiner politischen Vergangenheit Versuche, ihn zu emeritieren. Bieberbach genoss wissenschaftlich nach wie vor hohes Ansehen, spielte aber nach 1945 keine Rolle mehr in der Mathematik in Deutschland.

    1910–1936, 1975–1982 Mitglied der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (1921–1934 Schriftführer)
    1922–1937 Mitglied und Vorsitzender des Fachausschusses für Mathematik in der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft
    1924–1945 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften (1939–1945 Sekretar der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse; 1945 gestrichen) (weiterführende Informationen)
    1924 Mitglied der Leopoldina

    Teilnachlass:

    Universitätsbibliothek Göttingen, Cod. Ms. L. Bieberbach.

    Archiv des Deutschen Museums München, NL 357.

    Weitere Archivmaterialien:

    Archiv der Humboldt Universität zu Berlin, B 220. (Personalakte)

    Archiv der Freien Universität Berlin, Rektorat 1495. (Personalakte)

    Zur Theorie der automorphen Funktionen, 1910. (Diss. phil.)

    Über die Bewegungsgruppen der Euklidischen Räume (Teil I u. II), in: Mathematische Annalen 70 (1911), S. 297–336 u. 72 (1912), S. 400–412. (Habilitationsschrift)

    Über die Koeffizienten derjenigen Potenzreihen, welche eine schlichte Abbildung des Einheitskreises vermitteln, in: Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften 38 (1916), S. 940–955.

    Mathematische Annalen, 1920–1928. (Mithg.)

    Funktionentheorie, 1922.

    Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, 1922–1934. (Hg.)

    Differentialgleichungen, 1923, ²1926.

    Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik, 1927–1945. (Mithg.)

    Analytische Geometrie, 1930.

    Persönlichkeitsstruktur und mathematisches Schaffen, in: Unterrichtsblätter für Mathematik und Naturwissenschaften. Organ des Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts 40 (1934), S. 236–243, abweichende Fassung, in: Forschungen und Fortschritte. Nachrichtenblatt der Deutschen Wissenschaft und Technik 10 (1934), S. 235–237.

    Deutsche Mathematik, 1936–1944. (Hg.)

    Galilei und die Inquisition, 1938, ²1942

    Carl Friedrich Gauß. Ein deutsches Gelehrtenleben, 1938.

    J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 5, 1925, S. 108 f., Bd. 6, 1936, S. 214, Bd. 7a, 1956, S. 178 u. Bd. 8, 1997, S. 394 f.

    Helmut Lindner, „Deutsche“ und „gegentypische“ Mathematik. Zur Begründung einer „arteigenen Mathematik“ im „Dritten Reich“ durch Ludwig Bieberbach, in: Herbert Mertens/Steffen Richter (Hg.), Naturwissenschaft, Technik und NS-Ideologie, 1980, S. 88–115.

    Jacob Korevaar, Ludwig Bieberbach’s Conjecture and it‘s Proof by Louis de Branges, in: The American Mathematical Monthly 93 (1986), S. 505–514.

    Helmut Grunsky, Ludwig Bieberbach zum Gedächtnis, in: Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 88 (1986), S. 190–205.

    Herbert Mehrtens, Ludwig Bieberbach and „Deutsche Mathematik“, in: Esther R. Phillips (Hg.), Studies in the History of Mathematics, 1987, S. 195–241.

    Louis de Branges, Das mathematische Erbe von Ludwig Bieberbach (1886–1982), in: Nieuw Archiv voor Wiskunde 9 (1991), S. 366–370.

    Volker Remmert, Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung im „Dritten Reich“. I: Krisenjahre und Konsolidierung, u. II: Fach- und Parteipolitik, in: Mitteilungen der Deutschen Mathematiker Vereinigung 12 (2004), S. 159–177 u. 223–245.

    John J. O’Connor/Edmund F. Robertson, Art. „Ludwig Georg Elias Moses Bieberbach“, in: MacTutor History of Mathematics Archive, 2010. (P) (Onlineressource)

    Hans Wußing, Art. „Bieberbach, Ludwig“, in: Siegfried Gottwald/Hans-Joachim Ilgauds/Karl-Heinz Schlote (Hg.), Lexikon bedeutender Mathematiker, 1990, S. 57.

    Fotografien, 1954 u. 1958, Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach, Photo Collection.

  • Autor/in

    Volker Remmert (Wuppertal)

  • Zitierweise

    Remmert, Volker, „Bieberbach, Ludwig“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/116162961.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA