Bergmann, Gretel
- Lebensdaten
- 1914 – 2017
- Geburtsort
- Laupheim (Württemberg)
- Sterbeort
- New York City
- Beruf/Funktion
- Leichtathletin ; Sportlerin ; Physiotherapeutin
- Konfession
- jüdisch
- Normdaten
- GND: 119334275 | OGND | VIAF: 97670983
- Namensvarianten
-
- Bergmann, Margarethe
- Bergmann, Margarethe Minnie
- Lambert, Margaret
- Bergmann, Gretel
- Bergmann, Margarethe
- Bergmann, Margarethe Minnie
- Lambert, Margaret
- Bergmann, Margarete Minna
- Bergmann-Lambert, Margaret
- Lambert-Bergmann, Margaret
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Bergmann, Gretel (eigentlich Margarethe Minnie Bergmann, verheiratete Margaret Lambert)
1914 – 2017
Leichtathletin
Gretel Bergmann war eine der besten deutschen Leichtathletinnen, als ihr 1933 die professionelle Ausübung des Sports in Deutschland aufgrund ihrer jüdischen Herkunft untersagt wurde. 1936 verwehrte ihr das NS-Regime trotz überragender Leistungen im Hochsprung die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Berlin. Erst Jahrzehnte später erinnerte sich die internationale Sportwelt wieder an ihre Leistungen und ihr Schicksal.
Lebensdaten
Geboren am 12. April 1914 in Laupheim (Württemberg) Gestorben am 25. Juli 2017 in Queens County New York City Grabstätte Mount Hebron Cemetery in New York City Konfession jüdisch -
Autor/in
→Thomas Vordermayer (München)
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Zitierweise
Vordermayer, Thomas, „Bergmann, Gretel“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2022, zuletzt geändert am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/119334275.html#dbocontent
Bergmann wuchs in einer wirtschaftlich arrivierten und kulturell assimilierten Familie auf, in der jüdische Traditionen kaum eine Rolle spielten. Sie besuchte die jüdische Grundschule, dann als einziges Mädchen die städtische Realschule in Laupheim (Württemberg) und von 1930 bis 1933 eine Mädchenoberrealschule in Ulm. Hier trat Bergmann dem Ulmer Fußball-Verein 1894 (UFV) bei, für den sie bei regionalen Wettkämpfen in mehreren Sportarten antrat. In ihrer Paradedisziplin, dem Hochsprung, wurde sie 1931 mit übersprungenen 1,50 Metern Süddeutsche Meisterin und verteidigte den Titel im folgenden Jahr.
Im April 1933 schloss der UFV Bergmann aufgrund ihrer jüdischen Herkunft aus. Ein Studienplatz an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen in Berlin blieb ihr aus demselben Grund verwehrt. Ihrer professionellen Trainingsmöglichkeiten beraubt, schrieb sich Bergmann 1933 an der London Polytechnic ein und wurde für deren Sportteam im Juni 1934 mit der Höhe von 1,55 Metern britische Meisterin im Hochsprung.
Auf Druck des NS-Regimes kehrte Bergmann kurz darauf nach Laupheim zurück, um sich für einen Platz im deutschen Olympiateam zu qualifizieren. Der NS-Staat reagierte damit auf Ankündigungen aus den USA, Frankreich und Großbritannien, die Olympischen Spiele in Berlin zu boykottieren, sollte deutschen Athleten jüdischer Herkunft die Teilnahme an den Wettkämpfen verwehrt werden. Von 1934 bis 1936 absolvierte Bergmann eine Ausbildung zur Gymnastiklehrerin an der Sportschule Kiedaisch in Stuttgart.
Trotz widriger Trainingsbedingungen übersprang Bergmann 1935 erneut 1,55 Meter und egalisierte im Juni 1936 mit 1,60 Meter den von Elfriede Kaun (1914–2008) gehaltenen deutschen Rekord im Hochsprung. Trotzdem strich der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen unter Leitung von Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten (1887–1943) Bergmann im Juli 1936 aus dem Olympiakader, unmittelbar nachdem das Team der USA von New York City aufgebrochen war. Mit Erfolg spekulierte das NS-Regime darauf, dass die Boykottdrohung nun nicht mehr verwirklicht werden würde. Für Bergmann zerschlug sich so eine realistische Medaillenchance: Olympiasiegerin im Hochsprung wurde mit 1,62 Metern Ibolya Csák (1915–2006) aus Ungarn.
Im Mai 1937 emigrierte Bergmann in die USA und ließ sich in New York City nieder, wo sie u. a. als Putzkraft, Sportlehrerin und Physiotherapeutin arbeitete. Gleichzeitig setzte sie ihre sportliche Karriere erfolgreich fort und wurde im Oktober 1937 US-Meisterin im Hochsprung und Kugelstoßen. 1938 verteidigte sie ihren Titel im Hochsprung, gab 1939 jedoch den Leistungssport auf und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Bergmann geriet über Jahrzehnte in Vergessenheit, ehe ihre sportlichen Leistungen seit 1980 international wieder Anerkennung fanden. 1999 kehrte sie anlässlich der Verleihung des Georg-von-Opel-Preises an sie erstmals für kurze Zeit nach Deutschland zurück und versöhnte sich in der Folgezeit mit ihrer alten Heimat.
Bergmanns Schicksal im „Dritten Reich“ wurde 2008 von Regisseur Kaspar Heidelbach (geb. 1954) unter dem Titel „Berlin ’36“ nach einem Drehbuch von Eric Friedler (geb. 1971) und Lothar Kurzawa (geb. 1952) mit Karoline Herfurth (geb. 1984) in der Hauptrolle verfilmt. Im selben Jahr erkannte der Deutsche Leichtathletik-Verband den im NS-Staat unterdrückten deutschen Rekord Bergmanns aus dem Jahr 1936 offiziell an.
1980 | International Jewish Sports Hall of Fame, Wingate Institute, Netanya (Israel), stellvertretend für alle jüdischen Athleten, denen die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Berlin 1936 verwehrt wurde |
1983 | Ehrenplakette des Deutschen Leichtathletik-Verbands |
1995 | National Jewish Sports Hall of Fame and Museum, New York City |
1995 | Gretel-Bergmann-Sporthalle, Berlin, mit Gedenktafel (Onlineressource) |
1999 | Georg-von-Opel-Preis der Adam Opel AG, Kategorie „Unvergessene Meister“ |
2012 | Hall of Fame des deutschen Sports |
2014 | Staufermedaille in Gold des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg |
2014 | Bürgermedaille der Stadt Laupheim |
Nachlass:
Privatbesitz.
Gedruckte Interviews:
Interview mit Markus Tschiedert (September 2009), in: Gotthold Knecht (Hg.), Zeitzeugen aus Demokratie und Diktatur. Leben zwischen Anpassung und Widerstand, Bd. 4, 2010, S. 84-87. (ursprünglich erschienen in: Sonntag aktuell v. 13.9.2009. Übersetzung v. Markus Tschiedert)
Interview mit Christian Frietsch (September 2012), in: Christian Frietsch, Hitlers Angst vor dem jüdischen Gold. Der Fall Bergmann, die verhinderte Olympiasiegerin, 2013, S. 96-113. (Übersetzung v. Nadja Milke)
Interview mit Roland Ray (Februar 2014), in: Bergmann, Gretel, „Ich war die große jüdische Hoffnung“. Erinnerungen einer außergewöhnlichen Sportlerin, hg. v. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, 22015, S. 377-383. (Übersetzung v. Roland Ray)
„Ich war die große jüdische Hoffnung“. Erinnerungen einer außergewöhnlichen Sportlerin, hg. v. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, 2003, 22015. (Übersetzung des unveröff. amerik. Manuskripts durch Irmgard Hölscher) (P)
Monografien und Aufsätze:
Claudia Diederix, Ausgegrenzt, ausgebootet, zur Flucht getrieben. Die Lebensgeschichte der jüdischen Hochspringerin Gretel Bergmann, in: SportZeit. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 1 (2001), S. 5–30.
Gertrud Pfister, Gretel Bergmann – um den Olympiasieg betrogen, in: Annette R. Hofmann/Michael Krüger (Hg.), Südwestdeutsche Turner in der Emigration, 2004, S. 189–200.
Jutta Braun, Gretel Bergmann, in: Berno Bahro/Jutta Braun/Hans Joachim Teichler (Hg.), Vergessene Rekorde. Jüdische Leichtathletinnen vor und nach 1933, 2009, S. 89–99.
Fritz Glauninger, Als der Sport in Ulm 1933 nationalsozialistisch wurde – Juden im Ulmer Sport, in: „Vergessen die vielen Medaillen, vergessen die Kameradschaft“. Juden und Sport im deutschen Südwesten, hg. v. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, 2010, S. 107–145, hier S. 132–137.
Lorenz Peiffer, Gretel Bergmann – gefeiert, verfolgt und dann vergessen! Leistungen und Schicksal einer jüdischen Sportlerin in Deutschland, in: Martin Furtwängle/Christiane Pfanz-Sponagel/Martin Ehlers (Hg.), Nicht nur Sieg und Niederlage. Sport im deutschen Südwesten im 19. und 20. Jahrhundert, 2011, S. 177–192.
Lorenz Peiffer, Art. „Margaret Bergmann-Lambert“, in: Hall of Fame des deutschen Sports. Geschichte, Persönlichkeiten, Erfolge, hg. v. Stiftung Deutsche Sporthilfe, 2012, S. 76–81.
Udo Bayer, Jüdisches aus Laupheim. Prominente Persönlichkeiten einer Landjudengemeinde, 2015, S. 51–67.
Lexikonartikel:
Joseph M. Siegman, Art. „Gretel Bergmann“, in: ders., The International Jewish Sports Hall of Fame, 1992, S. 188.
Ludger Heid, Art. „Bergmann, Gretel“, in: Jutta Dick/Marina Sassenberg (Hg.), Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk, 1993, S. 56–58.
Gertrud Pfister, Art. „Gretel Bergmann“, in: The Shalvi/Hyman Encyclopedia of Jewish Women, 1999. (Onlineressource)
Klaus Amrhein, Art. „Bergmann, Margaret („Gretel“)“, in: Klaus Amrhein, Biographisches Handbuch zur Geschichte der deutschen Leichtathletik 1898–1998, 1999, S. 36 f.
Christine Schmidt, Art. „Gretel Bergmann“, in: FemBio. Frauen-Biographieforschung, o. J. [2014]. (Onlineressource)
International Jewish Sports Hall of Fame.
Hall of Fame des deutschen Sports.
Das Geburtshaus Gretel Bergmanns (Vergleich 1914 und 2018).
Interview mit Gretel Bergmann (Margaret Lambert) v. 3.5.1995, in: Visual History Archive Online der USC Shoah Foundation. (auch auf YouTube)
„The Margaret Lambert Story“, Episode der Serie „Foul Play“ des Olympic Channel, 2017. (umfasst zahlreiche historische Aufnahmen und persönliche Stellungnahmen Bergmanns)
zahlreiche Fotografien, Abbildung in: Gretel Bergmann, „Ich war die große jüdische Hoffnung“. Erinnerungen einer außergewöhnlichen Sportlerin, hg. v. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, 22015.