Behnke, Heinrich
- Lebensdaten
- 1898 – 1979
- Geburtsort
- Horn bei Hamburg
- Sterbeort
- Münster
- Beruf/Funktion
- Mathematiker
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 118508407 | OGND | VIAF: 14850020
- Namensvarianten
-
- Behnke, Heinrich Adolph Louis
- Behnke, Heinrich
- Behnke, Heinrich Adolph Louis
- Behnke, H.
- Behnke, Heinrich Adolf
- Behnke, Heinrich Adolph
Vernetzte Angebote
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- Isis Bibliography of the History of Science [1975-]
- * Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin
- Index Theologicus (IxTheo)
- * Jahresberichte für deutsche Geschichte - Online
Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
Orte
Symbole auf der Karte
Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.
-
Behnke, Heinrich Adolph Louis
1898 – 1979
Mathematiker
Heinrich Behnke prägte mit seinen international rezipierten Arbeiten in den 1920er und 1930er Jahren die Komplexe Analysis. Die sog. Münsteraner Schule der Komplexen Analysis, aus der mehr als 50 Promotionen hervorgingen, übte einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Mathematik in der Bundesrepublik nach 1945 aus.
Lebensdaten
Geboren am 9. Oktober 1898 in Horn bei Hamburg Gestorben am 10. Oktober 1979 in Münster Grabstätte Zentralfriedhof in Münster Konfession evangelisch -
Autor/in
→Volker Remmert (Wuppertal)
-
Zitierweise
Remmert, Volker, „Behnke, Heinrich“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118508407.html#dbocontent
Behnke besuchte die Oberrealschule St. Georg in Hamburg, an der er 1918 das Abitur erhielt. Nach kurzem Kriegsdienst studierte er seit 1918 Mathematik und Physik an der Universität in Göttingen und besuchte 1922 an der Universität Heidelberg philosophische Lehrveranstaltungen bei Karl Jaspers (1883–1969). 1923 folgte er seinem späteren Doktorvater Erich Hecke (1887–1947) an die neu gegründete Universität Hamburg und wurde mit der Arbeit „Über analytische Funktionen und algebraische Zahlen“ zum Dr. rer. nat. promoviert. Nach der Habilitation 1924 für Reine Mathematik im Bereich der Zahlentheorie wandte Behnke sich Fragen der Funktionentheorie mehrerer Veränderlicher (Komplexe Analysis) zu. Seine Ergebnisse, z. B. sein „Kantensatz“ von 1926, führten zur Berufung an die Universität Münster, wo er von 1927 bis 1967 als Professor für Mathematik wirkte. Einen Ruf an die Universität München lehnte er 1951 ab.
In Münster arbeitete Behnke mit Peter Thullen (1907–1996) und seit 1937 mit Karl Stein (1913–2000) zusammen. Mit Thullen publizierte er die Monografie „Theorie der Funktionen mehrerer komplexer Veränderlichen“ (1934), ein Meilenstein für die Entwicklung der Komplexen Analysis, die sich international zu einem dynamischen mathematischen Forschungsfeld entwickelte. Darüber hinaus pflegte er – auch in der Zeit des Nationalsozialismus – enge Verbindungen zu ausländischen Mathematikern, v. a. zu Henri Cartan (1904–2008) in Frankreich und Heinz Hopf (1894–1971) in der Schweiz, was für die stürmische Entwicklung der Münsteraner Schule der Komplexen Analysis nach 1945 von großer Bedeutung war, da Behnkes Schüler von diesen internationalen Kontakten stark profitierten. Kern der Münsteraner Schule war das Oberseminar, in dem Behnke Studierende mit der Komplexen Analysis vertraut machte. Neben Thullen und Stein waren Hans Grauert (1930–2011), Friedrich Hirzebruch (1927–2012), Reinhold Remmert (1930–2016) und Friedrich Sommer (1912–1998) seine Schüler, die zentrale Professuren für Mathematik in der Bundesrepublik erhielten.
Behnke engagierte sich in der Ausbildung von Gymnasiallehrkräften; 1932 gründete er mit Otto Toeplitz (1881–1940), der 1939 nach Palästina emigrierte, die Zeitschrift „Mathematisch-Physikalische Semesterberichte zur Pflege des Zusammenhangs von Schule und Universität“. Als Autor und Herausgeber sorgte er für einführende Literatur, wie „Grundzüge der Mathematik“ (3 Bde., 1958–1962), einem Überblickswerk, das insbesondere für Gymnasiallehrer geeignet war.
Die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 brachte für Behnke und seine Arbeitsgruppe starke Einschnitte. Neben der Emigration Thullens 1933 hemmte ihn die kritische Beobachtung durch Kollegen und Nationalsozialisten wegen seiner Mitgliedschaft in der Deutschen Demokratischen Partei (1919–1925) und wegen seines Sohns Hans, der als „halbjüdisch“ galt. 1938 wurde ihm vorgeworfen, dass er im Untertitel der Zeitschrift „Semesterberichte“ noch immer Toeplitzʼ Namen anführe. Gleichwohl wurde er 1938 zum Mitherausgeber der renommierten Zeitschrift „Mathematische Annalen“.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Behnke Dekan der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät in Münster und nahm seine internationalen Kontakte wieder auf, insbesondere zu Cartan, der die Münsteraner mit den wegweisenden Arbeiten der französischen Mathematikergruppe Bourbaki bekannt machte. Auf eine Gastprofessur in Uppsala 1948 folgten 1950 Forschungsaufenthalte an der Harvard University in Cambridge (Massachusetts, USA) und an der Princeton University (New Jersey, USA). Mit der Gründung und Leitung des Seminars für Didaktik des mathematischen Unterrichts in Münster 1951 als Begegnungsort für Gymnasiallehrkräfte setzte Behnke sein Engagement für die Verbindung von Hochschule und Schule erfolgreich fort; von 1952 bis 1962 war er Sekretär, Präsident und Vizepräsident der Internationalen Mathematischen Unterrichtskommission.
Behnke, der wissenschaftlich und menschlich hohes Ansehen in der Bundesrepublik und international genoss, wurde in der Nachkriegszeit eine der prägenden Gestalten der Mathematik für die weitere Entwicklung der Komplexen Analysis und für die Verbindung von Schule und Hochschule.
1921 | Mitglied der Deutschen Mathematiker-Vereinigung |
1936 | Mitglied der Leopoldina |
1952 | Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste |
1960 | Dr. sc. math. h. c., ETH Zürich |
1964 | Ehrenmitglied der Berliner Mathematischen Gesellschaft |
1968 | Dr. rer. nat. h. c., Freien Universität Berlin |
1969 | Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik |
1971 | Officier de l’ordre de la Couronne de chêne du Grand-Duché de Luxembourg |
1977 | Paulus-Plakette der Stadt Münster |
1977 | Heinrich-Behnke-Seminar für Didaktik der Mathematik, Universität Münster (weiterführende Informationen) |
Teilnachlass:
Universitätsarchiv Münster, Bestand 175.
Weitere Archivmaterialien:
Staatsarchiv Hamburg, 361-6. (Personalakte)
Universitätsarchiv Münster, Bestand 8 Nr. 875; Bestand 92 Nr. 54 u. Bestand 207 Nr. 390. (Personalakten)
Monografien und Herausgeberschaften:
Heinrich Behnke/Peter Thullen, Theorie der Funktionen mehrerer komplexer Veränderlichen, 1934.
Mathematische Annalen, 1938–1969. (Mithg.)
Heinrich Behnke/Friedrich Sommer, Theorie der Analytischen Funktionen einer komplexen Veränderlichen, 1955.
Der Strukturwandel der Mathematik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, 1956.
Heinrich Behnke/Kuno Fladt/Wilhelm Süss (Hg.), Grundzüge der Mathematik, 3 Bde., 1958–1962, 21966–1968, engl. 1980.
Semesterberichte. Ein Leben an deutschen Universitäten im Wandel der Zeit, 1978.
Aufsätze:
Zur Theorie der diophantischen Approximationen, in: Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Universität Hamburg 3 (1924), S. 261–318. (Habilitationsschrift)
Zur Theorie der diophantischen Approximationen (II. Der Real- und Imaginärteil von σ(x; α)), in: Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Universität Hamburg 4 (1925), S. 33-46. (Habilitationsschrift)
Über analytische Funktionen mehrerer Veränderlicher, I. Teil: Die Kanten singulärer Mannigfaltigkeiten, in: Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Universität Hamburg 4 (1926), S. 347–365.
Über analytische Funktionen mehrerer Veränderlicher, II. Teil: Natürliche Grenzen, in: Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Universität Hamburg 5 (1927), S. 290–312.
Heinrich Behnke/Karl Stein, Analytische Funktionen mehrerer Veränderlichen zu vorgegebenen Null- und Polstellenflächen, in: Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 47 (1937), S. 177–192.
Heinrich Behnke/Karl Stein, Modifikation komplexer Mannigfaltigkeiten und Riemannscher Gebiete, in: Mathematische Annalen 124 (1951), S. 1–16.
Bibliografie:
Uta Hartmann, Heinrich Behnke (1898–1979). Zwischen Mathematik und deren Didaktik, 2009, S. 301–316.
J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 6, 1936, S. 161, Bd. 7a, 1955, S. 127 f. u. Bd. 8, 1996, S. 307–309.
Heinz Griesel, Nachruf auf Prof. Dr. Dr. h. c. Dr. h. c. Heinrich Behnke, in: Zentralblatt für Didaktik der Mathematik 12 (1980), S. 160–162.
Horst Tietz, Heinrich Behnke, in: Mathematisch-Physikalische Semesterberichte zur Pflege des Zusammenhangs von Schule und Universität 27 (1980), S. 1–3.
Hans Grauert/Reinhold Remmert, In memoriam Heinrich Behnke, in: Mathematische Annalen 255 (1981), S. 1–4.
Karl-Heinz Schlote, Art. „Behnke, Heinrich Adolph Louis“, in: Siegfried Gottwald/Hans-Joachim Ilgauds/ders. (Hg.), Lexikon bedeutender Mathematiker, 1990, S. 42 f.
Volker Remmert, Ungleiche Partner in der Mathematik im „Dritten Reich“. Heinrich Behnke und Wilhelm Süss, in: Mathematische Semesterberichte 49 (2002), S. 11–27.
John J. O’Connor/Edmund F. Robertson, Art. „Heinrich Behnke“, in: MacTutor History of Mathematics Archive, 2004. (P) (Onlineressource)
Uta Hartmann, Heinrich Behnke (1898–1979). Zwischen Mathematik und deren Didaktik, 2009.
Fotografien, 1927–1970, Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach, Photo Collection.