Baum, Marie
- Lebensdaten
- 1874 – 1964
- Geburtsort
- Danzig
- Sterbeort
- Heidelberg
- Beruf/Funktion
- Sozialpolitikerin ; Publizistin ; Schriftstellerin ; Politikerin ; Sozialwissenschaftlerin
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 116087749 | OGND | VIAF: 5044393
- Namensvarianten
-
- Baum, Maria Johanna
- Baum, Marie
- Baum, Maria Johanna
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- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
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- * Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin
- Index Theologicus (IxTheo)
- * Jahresberichte für deutsche Geschichte - Online
Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
- Adam Remmele (1877–1951)
- Arthur Schlossmann (1867–1932)
- Frieda Duensing (1864–1921)
- Gertrud Bäumer (1873–1954)
- Haruthiun Abeljanz (1849–1921)
- Hermann Maas (1877–1970)
- Käthe Kollwitz (1867–1945)
- Marianne Plehn (1863–1946)
- Reinhard Goerdeler (1922–1996)
- Ricarda Huch (1864–1947)
- Walter Schmitthenner (1916–1997)
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Baum, Marie (eigentlich Maria Johanna Baum)
1874 – 1964
Sozialpolitikerin, Publizistin
Marie Baum war eine der vielseitigsten Persönlichkeiten der bürgerlichen Frauenbewegung und eine Wegbereiterin der modernen Sozialarbeit und Gesundheitsfürsorge. Als Fürsorgebeamtin, Politikerin, Dozentin und Publizistin engagierte sie sich über Jahrzehnte für Frauenbildung, Kinder- und Jugendfürsorge. 1933 aus dem Staatsdienst entlassen, verhalf sie in Heidelberg Hunderten jüdischer Bürger zur Ausreise aus dem NS-Staat.
Lebensdaten
Geboren am 23. März 1874 in Danzig Gestorben am 8. August 1964 in Heidelberg Grabstätte Bergfriedhof in Heidelberg Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Petra Schaffrodt (Heidelberg)
-
Zitierweise
Schaffrodt, Petra, „Baum, Marie“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/116087749.html#dbocontent
Aus einer bedeutenden, bildungsbürgerlichen Familie stammend, bereitete sich Baum seit 1891 in dem von ihrer Mutter geleiteten Danziger Verein „Frauenwohl“ auf das Abitur vor, das sie 1893 in Zürich ablegte. Anschließend studierte sie am dortigen Eidgenössischen Polytechnikum Naturwissenschaften mit dem Hauptfach Chemie. Mit einigen Kommilitoninnen, darunter Frieda Duensing (1864–1921), Marianne Plehn (1863–1946), Käthe Kollwitz (1867–1945) und v. a. Ricarda Huch (1864–1947), verband sie lebenslange Freundschaften.
1899 bei Haruthiun Abeljanz (1849–1921) über das Thema „p-Xylylhydroxylamin. Beiträge zur Kenntnis des 1-2-Naphtalendiazooxyds“ zur Dr. phil. promoviert, arbeitete Baum anschließend in der Patentabteilung der Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation in Berlin. 1902 trat sie eine Stelle als Fabrikinspektorin im badischen Staatsdienst an und zog nach Karlsruhe. Ihre Aufgabe war die Überwachung der gesetzlichen Arbeitsschutzbedingungen, wobei sie ihren Schwerpunkt auf die Mütter- und Säuglingsfürsorge legte. Aufgrund ihrer hohen Reputation auf diesem Gebiet wurde sie 1907 von Arthur Schlossmann (1867–1932) zur Geschäftsführerin des neu gegründeten Vereins für Säuglingsfürsorge in Düsseldorf ernannt. Nachdem die Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine, Gertrud Bäumer (1873–1954), die Soziale Frauenschule in Hamburg eröffnet hatte, wechselte Baum 1917 als Schulleiterin dorthin. Bis 1919 unterrichtete sie junge Frauen in Volkswirtschaft, Sozialpädagogik und Fürsorgewesen und trug zu einem neuen Standard der Berufsausbildung für Fürsorgerinnen bei.
1919 trat Baum der Deutschen Demokratischen Partei bei, die sie bis 1921 als Abgeordnete in der verfassunggebenden Nationalversammlung und im Reichstag vertrat. Im selben Jahr zur Oberregierungsrätin im badischen Arbeitsministerium ernannt, war sie eine der ranghöchsten Beamtinnen der Weimarer Republik. Nachdem ihre Arbeit im Bereich der Wohlfahrtspflege durch personelle und finanzielle Einschnitte von Seiten des nun zuständigen Innenministers Adam Remmele (1877–1951) behindert wurde, beantragte sie 1926 ihre Versetzung in den Ruhestand.
Anschließend freiberuflich tätig, verfasste Baum grundlegende Schriften zur Kinder- und Familienfürsorge und hielt Vorträge in Deutschland, Italien und den USA. 1928 erhielt sie einen Lehrauftrag für soziale Fürsorge und Wohlfahrtspflege am Institut für Sozial- und Staatswissenschaften der Universität Heidelberg. Sie analysierte die Sozialpolitik und hielt Vorlesungen über Jugendwohlfahrt, Frauenarbeit und Gesundheitsfürsorge. Ihre Sachkenntnis und ihr Einsatz für Bildung und Sozialarbeit sowie ihre Erfolge für eine gut funktionierende Fürsorgearbeit mit effektiven Organisationsstrukturen machten sie zu einer Kapazität auf diesen Gebieten.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Baum im Juli 1933 aufgrund der jüdischen Herkunft ihrer Großmutter mütterlicherseits im Rahmen des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ der Lehrauftrag entzogen. Ihrer öffentlichen Wirkungsmöglichkeiten beraubt, organisierte sie mit dem Heidelberger Pfarrer Hermann Maas (1877–1970) die „Hilfsstelle für bedrohte Nichtarier“ und verhalf bis 1944 Hunderten jüdischer Bürger durch Beschaffung von Devisen und Bürgschaften zur Ausreise aus Deutschland. Während Maas 1944 deportiert wurde, blieb sie von weiteren Repressalien verschont.
1946 erhielt Baum erneut einen Lehrauftrag am Institut für Sozial- und Staatswissenschaften der Universität Heidelberg und gab bis 1952 Lehrveranstaltungen zu Sozialpolitik, Sozialismus, Frauenfragen, Arbeit und Familie. 1946 wurde in ihrer Wohnung die freie Studentenvereinigung „Friesenberg“ gegründet, die bis 1986 bestand und namhafte Mitglieder hatte, darunter der Jurist Reinhard Goerdeler (1922–1996) und der Althistoriker Walter Schmitthenner (1916–1997). 1950 veröffentlichte Baum die bis 1964 mehrfach wiederaufgelegte Biografie „Leuchtende Spur. Das Leben Ricarda Huchs“ und gründete 1956 die Ricarda-Huch-Abteilung im Deutschen Literaturarchiv Marbach am Neckar.
Nach ihrem Abschied vom Lehrbetrieb 1952 blieb Baum schriftstellerisch tätig und verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens zurückgezogen in Heidelberg. Mit ihren Impulsen für eine moderne Sozialarbeit wirkte sie weit über ihren Tod hinaus. In Anerkennung ihrer Bedeutung für die Stadt und Universität Heidelberg wurde im Jahr 2000 der in der Universitätsbibliothek vorhandene Nachlass Baums wissenschaftlich erschlossen.
1919–1931 | Vorstandsmitglied im Bund Deutscher Frauenvereine |
1946/47 | Mitglied im „Aktionskomitee Freier Sozialismus“ |
1949 | Ehrenbürgerin der Universität Heidelberg |
1953 | Ehrenmitglied in der Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen (GEDOK), Ortsverband Heidelberg |
1954 | Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
1962 | Ehrenmitglied des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge |
1975 | Marie-Baum-Schule, Heidelberg |
2000 | Marie-Baum-Straße, Karlsruhe |
seit 2012 | „Marie-Baum-Preis für soziales und kulturelles Engagement“ des Fördervereins der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg |
2014 | Marie-Baum-Straße, Heidelberg |
2016 | Marie-Baum-Haus der Diakonie in Bonn (stationäre Rehabilitation für Jugendliche mit psychischen Erkrankungen) |
Nachlass:
Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3675. (weiterführende Informationen)
Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar. (Briefe, Autografen, Fotografien)
Petra Schaffrodt, Nachlassverzeichnis Dr. Marie Baum, 2000.
Die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, in: Schriften des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit, 1905, H. 74, S. 89–125.
Drei Klassen von Lohnarbeiterinnen in Industrie und Handel der Stadt Karlsruhe, 1906.
Sterblichkeit und Lebensbedingungen der Säuglinge im Kreise Neuss, 1909.
Der Einfluß der gewerblichen Arbeit auf das persönliche Leben der Frau, 1910.
Marie Baum/Hermann Hecker, Kulturarbeit im Lazarett, 1915.
Wohnweise kinderreicher Familien in Düsseldorf – Stadt und Land. Eine statistische Studie, 1917.
Grundriß der Gesundheitsfürsorge, 1919, 21923.
Familienfürsorge, 1927, 21928, Neuaufl. 1951.
Beiträge zur planmäßigen Ausgestaltung der Erholungsfürsorge für Kinder und Jugendliche, 1928.
Das Familienleben in der Gegenwart. 182 Familienmonographien, hg. v. Alice Salomon/Marie Baum, 1930.
Wohlfahrtspflege als Lehrfach an den Universitäten, in: Soziale Praxis. Zentralblatt für Sozialpolitik und Wohlfahrtspflege 40 (1931), H. 28, Sp. 927–933.
Gedanken zu Ernst Jüngers Werk, in: Die Frau 45 (1937/38), S. 80–89.
Leuchtende Spur. Das Leben Ricarda Huchs, 1950, 41964.
Rückblick auf mein Leben, 1950.
Einführung zum Tagebuch der Anne Frank, 1950.
Vergessene und Unvergessene aus der Stadt Heidelberg, in: Hermann Maas/Gustav Radbruch (Hg.), Den Unvergessenen. Opfer des Wahns 1933–1945, 1952, S. 98–104.
Anna von Gierke. Ein Lebensbild, 1954.
Ricarda Huch. Briefe an die Freunde, ausgew. u. eingef. v. Marie Baum, 1955.
Der alte und der neue Marianne-Weber-Kreis, in: Klaus Mugdan (Hg.), Der Marianne-Weber-Kreis. Festgabe für Georg Poensgen zu seinem 60. Geburtstag, 1958, S. 7–17.
Monografien:
Petra Schaffrodt, Marie Baum. Ein Leben in sozialer Verantwortung, Katalog zur Ausstellung im Universitätsmuseum Heidelberg, 2000.
Ruth Mendelssohn-Bartholdy, Frauenbewegung und Soziale Arbeit. Marie Baum (1874–1964) zum Beispiel, 2002.
Aufsätze und Artikel:
Ilse Reicke, Marie Baum, in: dies. (Hg.), Die großen Frauen der Weimarer Republik, 1984, S. 46–50.
Jutta Bendt/Karin Schmidgall, Marie Baum, in: Ricarda Huch. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs Marbach, 1994, S. 76–79.
Heide-Marie Lauterer, „Weil ich von dem Einsatz meiner Kräfte die Überwindung der Schwierigkeiten erhoffte.“ Marie Baum, in: Ilona Scheidle (Hg.), Frauengestalten. Soziales Engagement in Heidelberg, 1995, S. 55–116.
Heide-Marie Lauterer, Das andere Deutschland. Marie Baum, in: Jürgen C. Heß (Hg.), Heidelberg 1945, 1996, S. 294–309.
Heide-Marie Lauterer, Außenseiterin am „Institut der Außenseiter“. Die Lehrbeauftragte Marie Baum, in: Reinhard Blomert/Hans Ulrich Eßlinger/Norbert Giovannini (Hg.), Heidelberger Sozial- und Staatswissenschaften zwischen 1918 und 1958, 1997, S. 255–266.
Hugo Maier, Baum, Marie. Praxiswissenschaftlerin, Sozialpolitikerin, in: ders. (Hg.), Who is Who der Sozialen Arbeit, 1998, S. 59–64.
Manfred Berger, Wer war... Marie Baum? Pioniere der sozialen Arbeit, in: Sozialmagazin 23 (1998), H. 12, S. 6–8.
Christa Paulini, Marie Baum, in: Maike Eggemann (Hg.), Wegbereiterinnen der modernen Sozialarbeit, 1999, S. 204–228.
Wolfgang Bocks, Marie Baum, in: Elisabeth-Noelle-Neumann (Hg.), Baden-Württembergische Portraits. Frauengestalten aus fünf Jahrhunderten, 2000, S. 203–214.
Sabine Andresen, Marie Baum und die Bildung des Sozialen, in: Dagmar Beinzinger/Isabell Diehm (Hg.), Frühe Kindheit und Geschlechterverhältnisse. Konjunkturen in der Sozialpädagogik, 2003, S. 37–53.
Heide-Marie Lauterer, Marie Baum und der Heidelberger Freundeskreis, in: Bärbel Meurer (Hg.), Marianne Weber. Beiträge zu Werk und Person, 2004, S. 91–110.
Ilona Scheidle, Die Wissenschaftlerin und Politikerin Marie Baum. Mit ganzer Kraft für den Aufbau einer menschlicheren Gesellschaft, in: dies. (Hg.), Heidelbergerinnen, die Geschichte schrieben. Frauenporträts aus fünf Jahrhunderten, 2006, S. 121–130.
Angela Borgstedt, Marie Baum. Chemikerin, Sozialwissenschaftlerin und Sozialfürsorgerin, Politikerin und Schriftstellerin, in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg 23 (2010), S. 321–349.
Birgit Bender-Junker, Marie Baum (1874–1964), in: Soziale Arbeit 61 (2012), S. 474 f.
Helga Ibarth, Marie Baum – Marianne Plehn. Biographische und zeitgeschichtliche Reminiszenzen, in: Westpreußen-Jahrbuch 63 (2013), S. 73–83.
Ilona Scheidle, Eine Folge der gegen Frauen verhängten Schranken. Marie Baum (1874–1964), in: Markus Bitterolf/Oliver Schlaudt/Stefan Schöbel (Hg.), Intellektuelle in Heidelberg 1910–1933, 2014, S. 27–45.
Walburga Hoff, Im Zwiespalt zwischen Wissenschaft und weiblicher Kulturmission. Marie Baum und das Problem der Disziplinbildung sozialer Arbeit, in: Sonja Häder/Ulrich Wiegmann (Hg.), An der Seite gelehrter Männer. Frauen zwischen Emanzipation und Tradition, 2017, S. 104–127.
Felicitas von Aretin, Die Freundschaft zwischen der Chemikerin und Sozialreformerin Marie Baum (1874–1964) und der Schriftstellerin und Historikerin Ricarda Huch (1864–1947), in: dies. (Hg.), Mit Wagemut und Wissensdurst. Die ersten Frauen in Universitäten und Berufen, 2018, S. 118–127.
Reinhard Riese, Marie Baum. Teil des anderen Deutschlands, in: Norbert Giovannini (Hg.), Stille Helfer. Eine Spurensuche in Heidelberg, 2019, S. 105–108.
Petra Nellen, „und eine Insel im Sturm“. Maria von Graimberg und die Katholische Soziale Frauenschule. Mit einem Blick auf Marie Baum und Marianne Weber, in: ebd., S. 117–131.
Fotografie, ca. 1918, Abbildung in: Handbuch der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung. Weimar 1919. Biographische Notizen und Bilder, hg. v. Bureau des Reichstags, 1919, S. 338. (Onlineressource)
Fotografie, ca. 1920, Abbildung in: Reichstags-Handbuch. I. Wahlperiode 1920, hg. v. Bureau des Reichstags, 1920, S. 467. (Onlineressource)
Zahlreiche Fotografien im Nachlass Baums in Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3675. Auswahl gedruckt in: Petra Schaffrodt, Nachlassverzeichnis Dr. Marie Baum, 2000 sowie in Petra Schaffrodt, Marie Baum. Ein Leben in sozialer Verantwortung, Katalog zur Ausstellung im Universitätsmuseum Heidelberg, 2000.