Karstedt, Oskar
- Lebensdaten
- 1884 – 1945
- Geburtsort
- Lübeck
- Sterbeort
- Sowjetisches Lager Oranienburg-Sachsenhausen
- Beruf/Funktion
- Kolonialexperte ; Ministerialbeamter im Reichsarbeitsministerium ; Geograf ; Kolonialbeamter ; Ministerialrat
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 133514501 | OGND | VIAF: 18415443
- Namensvarianten
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- Karstedt, Franz Oskar
- Karstedt, Oskar
- Karstedt, Franz Oskar
- Karstedt, Franz O.
- Karstedt, Oscar
- Carstedt, Oskar
- Carstedt, Franz Oskar
- Carstedt, Franz O.
- Carstedt, Oscar
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Karstedt, Franz Oskar
1884 – 1945
Kolonialexperte, Ministerialbeamter im Reichsarbeitsministerium
Oskar Karstedt war einer der führenden Kolonialexperten des Deutschen Reichs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Von 1919 bis 1945 spielte er auch eine bedeutsame Rolle innerhalb der Führungsspitze des Reichsarbeitsministeriums in Berlin. Als Leiter verschiedener Ministeriumsreferate verantwortete er u. a. die Bereiche Wohlfahrtspflege, Schrifttum und internationale Sozialpolitik.
Lebensdaten
Geboren am 10. März 1884 in Lübeck Gestorben am Oktober 1945 in Sowjetisches Lager Oranienburg-Sachsenhausen Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Martin Münzel (Berlin)
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Zitierweise
Münzel, Martin, „Karstedt, Oskar“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.04.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/133514501.html#dbocontent
Aufgewachsen in Lübeck, wo er die Realschule besuchte und am Gymnasium Katharineum das Abitur erhielt, studierte Karstedt seit 1902 Geografie, Geologie, Völkerkunde, Nationalökonomie und Kolonialwissenschaften in Leipzig, Helsinki und Berlin. In dieser Zeit bereiste er Russland, Skandinavien und Großbritannien. 1905 wurde Karstedt bei Joseph Partsch (1851–1925) mit einer geografischen Studie über das Schärenmeer zum Dr. phil. promoviert und begann im Oktober desselben Jahres auf Veranlassung des Auswärtigen Amts (AA) ein Studium der Kolonialwissenschaften an der Universität Berlin.
Im Anschluss an seinen Vorbereitungsdienst in der Kolonialabteilung des AA war Karstedt seit November 1906 im Verwaltungsdienst der Kolonie Deutsch-Ostafrika tätig. Nach seiner Ausbildung bei dem Gouverneur der Kolonie, Albrecht von Rechenberg (1861–1935), wurde er als Hilfsarbeiter bei der Bergbehörde in Daressalam und als kommissarischer Sekretär in den Bezirksämtern Tabora, Udjidji und Daressalam eingesetzt. Seit 1911 zudem als „Eingeborenenrichter“ tätig, übernahm Karstedt u. a. einen geologischen Sonderauftrag, wobei ihm seine guten Suaheli-Kenntnisse von Nutzen waren, und trat seit 1912 mit regelmäßigen Publikationen zu kolonialpolitischen Themen hervor.
1913 gab Karstedt aus gesundheitlichen Gründen seine Stellung in der Kolonialverwaltung auf und siedelte nach Berlin über, wo er von 1915 bis 1918 die Schriftleitung des Organs der Deutschen Kolonialgesellschaft, die „Deutsche Kolonialzeitung“, übernahm. 1917/18 zudem im Zentralkomitee des Deutschen Roten Kreuzes und in der Kriegsbeschädigtenfürsorge tätig, wurde Karstedt 1918 als Referent im Reichsausschuss der Kriegsbeschädigten wieder in den Staatsdienst übernommen, wechselte jedoch im Februar 1919 in das neu gegründete Reichsarbeitsministerium (RAM).
Im April 1919 zum Regierungsrat ernannt und 1920 zum Ministerialrat befördert, machte Karstedt innerhalb des Ministeriums rasch Karriere und besetzte einflussreiche Positionen, die z. T. direkt dem Staatssekretär Friedrich Syrup (1881–1945) zugeordnet waren. 1920 wurde Karstedt die Leitung der Unterabteilung „Wohlfahrtspflege“ übertragen, seit 1922 verantwortete er das Referat für allgemeine Organisations- und Haushaltsangelegenheiten. Darüber hinaus trat er als Herausgeber und Autor von Publikationen zu mehreren Arbeitsfeldern des RAM hervor, gab 1924 erstmals das „Handwörterbuch der Wohlfahrtspflege“ heraus und war von 1924 bis 1928 mit der Sozialpolitikerin Siddy Wronsky (1883–1947) Herausgeber der Zeitschrift „Die Fürsorge“, die 1925 in der „Deutschen Zeitschrift für Wohlfahrtspflege“ aufging. Mit Karstedts Übernahme des Referats „Schrifttum“ 1930 war zudem die Schriftleitung des vom Ministerium herausgegebenen „Reichsarbeitsblatts“ verbunden.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme übernahm Karstedt, der nicht Mitglied der NSDAP wurde, die Leitung des „Sonderreferats für die Beschwerden der nichtarischen Ärzte“. In dieser Funktion setzte er sich für jüdische Kassenärzte ein, denen die Zulassung auf Grundlage einer Verordnung vom 22. April 1933 entzogen werden sollte. In einigen Fällen wurden Beschwerden seitens der betroffenen Ärzte anerkannt und der Entzug von Kassenzulassungen infolgedessen rückgängig gemacht. Das RAM und v. a. Karstedt wurden aufgrund ihrer streng am Wortlaut der rechtlichen Bestimmungen orientierten Überprüfung der Ausschlusspraxis von Seiten der NS-Ärzteführung und NSDAP-Vertretern dem Reichsstatthalter in Braunschweig und Anhalt, Wilhelm Friedrich Loeper (1883–1935), attackiert.
Vor dem Hintergrund seiner auch von der NS-Führung anerkannten Kolonialexpertise wurde Karstedt 1941 von Reichsarbeitsminister Franz Seldte (1882–1947) zum Leiter der für die internationalen sozialpolitischen Beziehungen und die internationale Sozialpolitik zuständigen Abteilung Internationales ernannt. Im selben Jahr betraute die Auslandswissenschaftliche Fakultät der Universität Berlin Karstedt mit Lehrveranstaltungen zur kolonialen Sozialpolitik sowie zu „Eingeborenenfragen“ und ernannte ihn 1944 zum Honorarprofessor. Seit 1941 zudem Leiter der Sektion „Koloniale Sozialpolitik“ in der Kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrats, veröffentlichte Karstedt während des Zweiten Weltkriegs die Schriften „Die afrikanische Arbeiterfrage“ (1941) und „Probleme afrikanischer Eingeborenenpolitik“ (1942). Karstedt wurde Mitte Juni 1945 von Angehörigen der Roten Armee festgesetzt und im sowjetischen Speziallager Nr. 7 in Oranienburg-Sachsenhausen interniert, wo er kurz darauf starb.
1913 | Königlicher Kronen-Orden (Preußen), 4. Klasse |
1925 | Ehrenzeichen des Deutschen Roten Kreuzes, 2. Klasse |
1927 | ehrenamtlicher Geschäftsführer der „Hindenburg-Spende“ |
1939 | Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse |
1942 | Silberne Leibniz-Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften |
1942/43 | Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin |
1944/45 | Honorarprofessor, Universität Berlin |
Ehrenzeichen des Deutschen Roten Kreuzes, 1. Klasse | |
Eisernes Kreuz am weißschwarzen Bande | |
Friedrich-August-Kreuz | |
Mitglied des Kolonialausschusses der Akademie für Deutsches Recht | |
Komturkreuz der Italienischen Krone | |
König Ludwig-Kreuz | |
Mitglied des Reichskolonialbunds | |
Rote Kreuz-Medaille (Preußen), 3. und 2. Klasse | |
Württembergisches Charlottenkreuz |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 3901/104 928 (Reichsarbeitsministerium); R 43-II/1138b (Reichskanzlei); VBS 1/1050062 011 (PK/Parteikorrespondenz).
Gedruckte Quellen:
Fritz Goldschmidt, Meine Arbeit bei der Vertretung der Interessen der jüdischen Ärzte in Deutschland seit dem Juli 1933, 1979.
Monografien und Artikel:
Die südfinnische Skärenküste von Wiborg bis Hangö. Ein Beitrag zur Geographie der Ostseeküsten, 1905. (Diss. phil.)
Beiträge zur Praxis der Eingeborenenrechtsprechung in Deutsch-Ostafrika, 1912.
Die Bevölkerung Britisch-Ostafrikas und Ugandas, in: Maurice Smethurst Evans/Hugo Hardy/Oskar Karstedt (Hg.), Natal, Rhodesien, Britisch-Ostafrika, 1913, S. 121–162.
Deutsch-Ostafrika und seine Nachbargebiete. Ein Handbuch für Reisende, 1914.
Deutschlands koloniale Not. Im Auftrag des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees, 1917.
Koloniale Friedensziele, 1917.
Oskar Karstedt/Heinrich Rabeling, Die öffentliche Kleinrentnerfürsorge, 1923.
Internationale Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Erschließung überseeischer Gebiete. Zugleich ein Beitrag zum Problem der Vergrößerung des Welthandelsvolumens, 1931.
Hermann von Wissmann. Der Mann des zwölffachen Verstandes, 1933.
Die Durchführung der Arier- und Kommunistengesetzgebung bei den Kassen-Ärzten, Zahnärzten usw., in: Reichsarbeitsblatt 2 (1934), H. 15, S. 179–183.
Der weiße Kampf um Afrika, Bd. 1: Englands afrikanisches Imperium, 1937.
Der weiße Kampf um Afrika, Bd. 2: Deutschland in Afrika, 1938.
So treibt das Reich Sozialpolitik, 1940.
Oskar Karstedt/Peter Werder, Die afrikanische Arbeiterfrage. Die Inderfrage in Afrika, 1941, Nachdr. 2020.
Probleme afrikanischer Eingeborenenpolitik, 1942.
Herausgeberschaften:
Handwörterbuch der Wohlfahrtspflege, 1924, 21928.
Oskar Karstedt/Siddy Wronsky (Hg.), Die Fürsorge. Zeitschrift für alle Zweige der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege, 1924/25, bzw. Deutsche Zeitschrift für Wohlfahrtspflege, 1925‒1928.
Ernst Behrend/Oskar Karstedt/Siddy Wronsky (Hg.), Die Wohlfahrtspflege in Einzeldarstellungen, 1925/26.
Oskar Karstedt/Otto Martens (Hg.), Afrika. Ein Handbuch für Wirtschaft und Reise, 2 Bde., 1930, 41938.
Hermann A. L. Degener (Hg.), Wer ist’s? Unsere Zeitgenossen, Bd. 10, 1935, S. 785.
Stephan Leibfried/Florian Tennstedt, Berufsverbote und Sozialpolitik 1933. Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Machtergreifung auf die Krankenkassenverwaltung und die Kassenärzte. Analyse, Materialien zu Angriff und Selbsthilfe, Erinnerungen, 1980, 21981.
Thomas Gerst, Ausschluss jüdischer Ärzte aus der Kassenpraxis, in: Deutsches Ärzteblatt 110 (2013), H. 16 v. 19.4.2013, S. 770–772.
Alexander Nützenadel (Hg.), Das Reichsarbeitsministerium im Nationalsozialismus. Verwaltung – Politik – Verbrechen, 2017.
N. N., Art. „Karstedt, Franz Oskar“, in: Eckhard Hansen/Florian Tennstedt (Hg.), Biographisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1871 bis 1945, Bd. 2, 2018, S. 92 f. (Onlineressource)
Das Reichsarbeitsministerium 1933–1945. Beamte im Dienst des Nationalsozialismus / The Reich Ministry of Labour 1933–1945. Civil Servants of the Nazi State, hg. v. d. Stiftung Topographie des Terrors, 2019, S. 200–203. (P)
Fotografie, Juni 1941, Digitales Bildarchiv des Bundesarchivs, Bild 183-H28 189. (Onlineressource)