Mahs, Ernst
- Lebensdaten
- 1807 – 1879
- Geburtsort
- St. Petersburg (Russland)
- Sterbeort
- Odessa (Russland, heute Ukraine)
- Beruf/Funktion
- Kaufmann ; Fabrikant ; Gutsbesitzer
- Konfession
- evangelisch-reformiert
- Normdaten
- GND: 1306575567 | OGND | VIAF: 9342169829200637320007
- Namensvarianten
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- Mahs, Ernst Baron von/seit 1873
- Mas, Arist Efimovič
- Mahs, Ernst
- Mahs, Ernst Baron von/seit 1873
- Mas, Arist Efimovič
- mas, arist efimovic
- Mahs, Ernst Arist Efimovich von
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Mahs, Ernst (1873 Ernst Baron von Mahs, Arist Efimovič Mas)
1807 – 1879
Kaufmann, Fabrikant, Gutsbesitzer
Ernst Mahs war einer der größten Getreideexporteure des Russischen Kaiserreichs. Einer St. Petersburger, ursprünglich Hamburger Kaufmannsfamilie entstammend, kam er als Vertreter des Hauses Stieglitz 1832 nach Odessa, entwickelte ab 1838 zügig sein Getreidegeschäft und war auch in Bankgeschäften aktiv. In Odessa leistete er viel für die Entwicklung von Hafen, Bankwesen und Börse und stiftete umfangreiche soziale Projekte für Bedürftige der Stadt.
Lebensdaten
Geboren am 1. März 1807 jul. In St. Petersburg (Russland) Gestorben am 30. Dezember 1879 jul. In Odessa (Russland, heute Ukraine) Grabstätte Familiengruft In Odessa Konfession evangelisch-reformiert -
Autor/in
→Wolfgang Sartor (Traben-Trarbach)
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Zitierweise
Sartor, Wolfgang, „Mahs, Ernst“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/1306575567.html#dbocontent
Mahs entstammte einer hamburgischen Kaufmannsfamilie mit jüdischen Wurzeln, die im 18. Jahrhundert nach St. Petersburg (Russland) kam und dort bis 1840 aktiv war. Er studierte nach dem Besuch der St. Annenschule in St. Petersburg an der dortigen Universität Jura und kam um 1830 in Verbindung mit dem großen Unternehmen Ludwig Stieglitz & Co. Ludwig Stieglitz (1779–1843) ernannte ihn 1832 zu seinem Vertreter in Odessa (Russland, heute Ukraine), wo seine Hauptaufgaben das Getreidegeschäft und die Bankgeschäfte für die in Odessa führende Firma Stieglitz waren. 1833/34 ergriff er im Auftrag des Gouverneurs von Noworossija, Michail Semjonowitsch Worontsow (1782–1856), erfolgreich Maßnahmen gegen die Hungersnot in den Schwarzmeergebieten, ebenso 1837 gegen die Cholera und die folgende Hungersnot. Von 1835 bis 1838 bestand eine gemeinsame Firma Stieglitz, Mahs & Co., die 1837 fast fünf Millionen Rubel im Getreideexport umsetzte.
1838 machte sich Mahs einvernehmlich mit Stieglitz unter dem Firmennamen Ernst Mahs Co. selbstständig, übernahm die Geschäfte von Stieglitz in Odessa und setzte den Export von Getreide fort; anfangs mit einem Umsatz von 280 000 Rubel, 1839 bereits mit 2,7 Millionen Rubel. In den 1840er und 1850er Jahren (Krimkrieg) sank sein Umsatz im Durchschnitt auf 1,2 Millionen Rubel, er organisierte aber den Export über den Landweg mit der Bahn Brody-Radzhiwilov-Berditschew nach Österreich. In den 1860er Jahren stieg der Exportumsatz stark auf 3,6 Millionen Rubel an, womit Mahs einer der drei größten Getreideexporteure Odessas wurde; 1864 war er mit 5,3 Millionen Rubel Umsatz der größte Exporteur in Odessa und einer der größten Exporteure des Russischen Kaiserreichs. Neben Getreide führte Mahs‘ Haus auch Wolle von Merinoschafen und Zucker aus, Anfang der 1870er Jahre wurde der Export auch über Nikolaew abgewickelt.
1859 stieg Eugen Schulz (1829–1909) in die Firma Ernst Mahs & Co. ein und wurde langjähriger Geschäftsführer. Seit den 1860er Jahren investierte Mahs in Industrie und Produktion: 1864 war er Mitgründer der Odessaer Gesellschaft für Gasbeleuchtung. 1871 kaufte er das Gut in Derebtschinsk im Podolsker Gouvernement mit 9 000 Hektar, wo 1877 auf Basis der großen Rübenzuckerproduktion eine Zuckerraffinerie entstand. Daneben besaß Mahs in Odessa eine Dampfmühle und in Zentralrussland eine holzverarbeitende Fabrik, die Gesellschaft der Nordischen Holzindustrie.
Mahs war an der Börse und im Bankwesen aktiv: Von 1842 bis kurz vor seinem Tod war er im Vorstand der Börse, von 1848 bis 1856 deren Vorsitzender, sonst dessen Stellvertreter (Ältester). Seine Firma fungierte auch als Handelsbank und vergab Kredite: Mahs’ Bankumsätze betrugen von 1877 bis 1880 zwischen 28 und 71 Millionen Rubel.
Er war 1871 Mitgründer der Russischen Bank für Auswärtigen Handel in St. Petersburg und bis 1874 deren Aufsichtsratsmitglied sowie 1872 Mitgründer der Nikolaewer Kommerzbank. In den 1860er Jahren war er Interessenvertreter des Hauses Rothschild.
Mahs arbeitete in vielen Ämtern und Kommissionen für die Stadt Odessa, v. a. für die städtische Wirtschaft. 1833/34 als Beauftragter für den Kampf gegen die Hungersnot, 1838/39 Kommissar für die Bekämpfung der Cholera, initiierte er auch die Quarantäneregelung für den Hafen in den 1840er Jahren. Der russischen Armee in Sewastopol spendete er 1854 eine große Menge Getreide. Bedeutend waren seine Leistungen für die Armen der Stadt. Insbesondere finanzierte er den Bau des Nachtasyls (Massowskij) und stellte testamentarisch 60 000 Rubel für dessen Unterhaltung zur Verfügung, ebenso sicherte er für das Knabenwaisenhaus bei der Evangelisch-Lutherischen Paulskirche die Gründungs- und Unterhaltsfinanzierung mit 15 000 Rubel; beide Häuser wurden 1880 fertiggestellt. Ehrenamtlich diente er als Konsul für die diplomatischen Vertretungen von Hannover (1838–1867) und Preußen (1860–1871) sowie des Nordddeutschen Bundes von 1868 bis 1871. 1873 erhielt er deshalb vom Deutschen Kaiser den Titel Baron verliehen, der 1874 vom Zaren bestätigt wurde.
Nach Mahs’ Tod führten seine Söhne Ernst von Mahs (1836–1903) und Thomas von Mahs (1842–1921) mit Schulz die Firma weiter. Die Haupttätigkeit blieb das Bankgeschäft, das 225 Millionen Rubel von insgesamt 245 Millionen Rubel des Gesamtumsatzes erbrachte. Im Getreidehandel blieb das Unternehmen einer der großen Exporteure, jedoch sank der Umsatz allmählich von ca. 400 000 Tschetwert auf 130 000 Tschetwert jährlich in den 1890er Jahren. Ausgebaut wurde besonders das Gut in Derebtschinsk von Mahs’ Enkel Ernst Arnold von Mahs (1868–1919); die Geschäfte in Odessa kamen weitgehend zum Erliegen. Mit der Revolution und dem Ende des Ersten Weltkriegs endete die Tätigkeit des Hauses Mahs in Russland, Ernst Arnold von Mahs wurde 1919 von Bolschewiki in Winntsa (heute Winnizja, Ukraine) ermordet.
1837 | Ritter des Guelphen-Ordens des Königreich Hannover |
1837 | russischer Orden des Heiligen Wladimir 3. Klasse |
1837 | russischer St. Anna Orden 2. Klasse (1866 mit Doppeladler) |
1837 | preußischer Roter Adler Orden 3. Klasse |
1838 | Goldmedaille der Stadt Odessa |
1838–1840 | Kirchenvorsteher der lutherischen Kirche in Odessa |
1844 | Mitglied im Institut für wohlgeborene Jungfrauen, Odessa |
1852 | Erblicher Ehrenbürger der Stadt Odessa |
1852 | Vorstand der reformierten Kirche Odessa |
1854 | russischer Kommerzienrat |
1854 | Mitglied der Kaiserlichen landwirtschaftlichen Gesellschaft Südrusslands (1858–1864 Schatzmeister) |
1855 | Vorsitzender des Komitees für die Fürsorge für unbemittelte Einwohner Odessas |
1856 | Mitglied im Institut für Arme und Kranke, Odessa |
1859 | russischer Orden des Heiligen Stanislaus 3. Klasse |
1864 | hannoverscher Guelphen-Orden 4. Klasse |
1865 | Mitglied im Komitee des Ambulatoriums, Odessa |
1866 | russischer St. Anna Orden 2. Klasse |
1867 | Ritter des Hannoverschen Ernst-August-Ordens |
1873 | Deutscher Baron (1874 durch den Zar bestätigt) |
1873 | Russischer Orden des Weißen Adlers |
1875 | Mitglied der Gesellschaft des Nachtasyls (Massowskij), Odessa |
1877 | Mitglied der Gesellschaft für Frauen, Odessa |
1878 | Vorstand des Zentralkomitees der Gesellschaft für Armenhilfe, Odessa |
Nachlass:
Dokumente und Briefe in Familienbesitz.
Weitere Archivmaterialien:
Russisches Staatliches Archiv Alter Akten, Moskau, F. 1261, op. 2, d. 630.
Archiv des Instituts für Geschichte der Akademie der Wissenschaften, St. Petersburg, F. 36, op. 1, N 1018, N 1019; F. 36, op. 2, d. 3; F. 36, op. 2, d. 102; F. 36, op. 1, d. 1023.
Russisches Staatliches Historisches Archiv, St. Petersburg, F. 1343, op. 39, d. 2990; F. 20, op. 12, d. 285.
Staatsarchiv des Chmelnitsker Gebietes, F. 113, op. 59, d. 248¸ d. 2486.
Staatsarchiv des Mykolaewer Gebietes, Mykolaew, F. 229, op. 1, d. 1621; F. 230, op. 1, d. 31, d. 10.899; F. 239, op. 1, d. 61, d. 75, d. 78, d. 108, d. 113, d. 122, d. 128.
Staatsarchiv des Odesaer Gebietes, Odesa, F. 1, op. 140, d. 78, op. 109, d. 560; F. 2, op. 2, d. 259; F. 16, op. 1, d. 105, op. 97, d. 40; F. 451, op. 2, d. 60, d. 924; F 630, op. 1, d. 256.
Archiv William Brandt & Sons, Universitätsbibliothek, Nottingham.
Archives Nationales du Monde du Travail, Roubaix.
Archive Banque Rothschild, Paris, 12P 132, 12P 133.
Gemeentearchieff, Rotterdam.
Archief van Stolk, Rotterdam, Best 419, Nr. 403–405.
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin, Abt. III, MdA II N 9 431.
Gedruckte Quellen:
Obzor wneschnej torgowli Rossii po evropejskoj i aziatskoj granicam [Übersicht des Außenhandels Russlands über die europäische und asiatische Grenze], 1870–1917.
Odesskij Komitet Torgowli i Manufaktura [Rechenschaftsbericht des Odessaer Komitees für Handel und Industrie] 1883–1900, 1884–1901.
Andreas Zenker, Geschäftiges Russland. Erinnerungen eines Bankiers, hg. v. Wolfgang Sartor, 2004.
Zeitungen:
Nikolaewskij listok objawlenij [Nikolaewer Anzeigenblätter], 1871, 1883, 1897.
Révue commerciale, Odessa, 1885.
Nikolaewskij Westnik [Nikolaewer Berichte], 1777–1879.
Wedomost’ gorodskogo obschtschestwennogo uprawlenija [Nachrichten der städtischen gesellschaftlichen Verwaltung], 1881, 1885.
Odessaer Deutsche Zeitung, 1875, 1880.
Odesskij Westnik [Odessaer Berichte], 1839–1865, 1880.
Monografien:
Taissa Michaijlowna Kitanina, Chlebnyj eksport Rossii v kontse XIX natschale XX vekov, 2011.
Patricia Herlihy, Odessa. A History 1794–1894, 1986.
Boris Wasilewitsch Ananitsch, Bankirskie doma v Rossii, Otscherki istorii tschastnogo predprinimatelstwa, 1991.
Dittmar Dahlmann/Carmen Scheide (Hg.), „…das einzige Land in Europa, das eine große Zukunft vor sich hat.“ Deutsche Unternehmen und Unternehmer im Russischen Reich im 19. und frühen 20. Jahrhundert, 1998.
Guido Hausmann/Wolfgang Sartor/Viktor Zacharov, Mas, Nemtsy v Rossii Enciklopedija K–O, hg. v. Alfred Eisfeld, 2004.
Guido Hausmann, Deutsche Kaufleute und Unternehmer im Wirtschaftsleben Odessas am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, 2005.
Wolfgang Sartor, Rossijskij zernovoj eksport XIX–XX ww. i torgowyj doma ‘Maas’ i ‘Dreyfus’, in: Istorija predprinimatelstwa v Rossii XIX natschalo XX vekov, 2008, S. 216–249.
Wolfgang Sartor, Das Haus Mahs. Eine internationale Unternehmerfamilie im Russischen Reich 1750–1918, 2009. (P)
Wolfgang Sartor, Clebnye eksportery tschernomorsko-azowskogo regiona, gruppy predprinimatelej i ich etnitscheskich sostaw [Getreideexporteure der Region des Schwarzen und Azowschen Meeres], 1834–1914, in: Grecke pіdpriеmnictwo і torgіwlja u Pіwnіtschnomu Pritschornomorї XVIII–XIX st. [Griechisches Unternehmertum in Handel und Industrie im Schwarzmeergebiet], Redaktion Gelina Harlaftis, 2012.
Pavel Wladimirowitsch Luzinov, Peterburgskie kuptsy, fabrikanty i bankiry schtiglitsy, 2014.
Nachrufe:
Odesskij Westnik Nr. 1 v. 1 jul. (13. greg. )1.1880, Nr. 2 v. 3. jul. (16. greg. )1.1880, Nr. 3 v. 4. jul. (16. greg. )1.1880.
Odessaer Deutsche Zeitung 1880, Nr. 1 v. 1. jul. (15. greg. )1.1880.
Zur Familie:
Genealogisches Handbuch des Adels, Bd. 16, Freiherrliche Häuser B, Bd. 2, 1957, S. 275–277 und Bd. 62, Freiherrliche Häuser B, Bd. VI, 1976, S. 244–247.
vier Fotografien in Privatbesitz, Familienarchiv von Mahs, z. T. Abbildungen in: Wolfgang Sartor, Das Haus Mahs. Eine internationale Unternehmerfamilie im Russischen Reich 1750–1918, 2009, S. 72 u. 113.