Nedo, Pawoł
- Dates of Life
- 1908 – 1984
- Place of birth
- Kotitz (heute Weißenberg bei Bautzen)
- Place of death
- Leipzig
- Occupation
- Volkskundler ; Verbandspolitiker ; Lehrer ; Ethnologe ; Ministerialrat
- Religious Denomination
- evangelisch-lutherisch
- Authority Data
- GND: 128828234 | OGND | VIAF: 60145740
- Alternate Names
-
- Nedo, Paul
- Nedo, Pawoł
- nedo, pawol
- Nedo, Paul
- Nedo, P.
- Nedo, Pavo
- Nedo, Paweł
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Nedo, Pawoł (Paul)
1908 – 1984
Volkskundler, Verbandspolitiker
Pawoł Nedo wirkte im „Dritten Reich“ und nach dem Zweiten Weltkrieg als führender politischer Vertreter für die Rechte der Sorben, einer ethnischen Minderheit mit westslawischer Sprache in der Lausitz. Von 1955 bis 1968 Professor für Volkskunde in Leipzig und Berlin-Ost, standen die sorbische Volksdichtung und Gegenwartskultur im Fokus seiner wissenschaftlichen Arbeit.
Dates of Life
Geboren am 1. November 1908 in Kotitz (heute Weißenberg bei Bautzen) Gestorben am 24. Mai 1984 in Leipzig Grabstätte Südfriedhof in Leipzig Konfession evangelisch-lutherisch -
Author
→Annett Bresan (Bautzen)
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Citation
Bresan, Annett, „Nedo, Pawoł“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/128828234.html#dbocontent
Nedo wuchs in einer Arbeiterfamilie auf und besuchte seit 1922 die Landständische Oberschule in Bautzen. Nach dem Abitur 1928 studierte er bis 1931 Volksschulpädagogik an der Universität Leipzig und beschäftigte sich in dieser Zeit mit seiner ethnischen Identität als Sorbe, die in seinem Elternhaus kaum eine Rolle gespielt hatte. Von 1932 bis 1937 war er in seiner Oberlausitzer Heimat als Volksschullehrer tätig. Von der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 erhoffte sich Nedo einen Aufschwung der sorbischen „Volkstumsarbeit“. Er begann sich im sorbischen Kulturleben zu engagieren und wurde Ende 1933 zum Vorsitzenden der Domowina, des Dachverbands sorbischer Vereine, gewählt. Nach anfänglicher Tolerierung wurden in den folgenden Jahren die ohnehin fortschreitenden Assimilierungserscheinungen durch die gleichgeschaltete politische und gesellschaftliche Atmosphäre und gezielte antisorbische Maßnahmen forciert. Nachdem Nedo 1937, wie andere sorbische Lehrer und Geistliche, in Gebiete außerhalb der Lausitz versetzt werden sollte, quittierte er im April 1937 den Staatsdienst und siedelte nach Berlin über, wo er bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs als Angestellter einer polnischen Genossenschaftsbank seinen Lebensunterhalt verdiente. Anschließend war er als Gutsverwalter tätig.
Im Oktober 1942 wurde Nedo zum Kriegsdienst eingezogen und als Rechnungsführer einer Kraftfahrabteilung an der Ostfront eingesetzt. Infolge der Verhaftung eines sorbischen Aktivisten wurde er Ende November 1944 wegen angeblicher „Vorbereitung zum Hochverrat“ inhaftiert. Er erlebte das Ende des Zweiten Weltkriegs als Untersuchungshäftling des Volksgerichtshofs Berlin und kehrte im Sommer 1945 nach Bautzen zurück. Hier wurde Nedo auf Empfehlung des Landrats, Jan Cyž (1898–1985), Schulrat für den Schulbezirk Bautzen-Nord und initiierte 1946 die Gründung einer sorbischen Oberschule in Bautzen und eines Sorbischen Instituts für Lehrerbildung in Radibor bei Bautzen. Gleichzeitig übernahm er erneut den Vorsitz der Domowina.
Nedo trat im Herbst 1945 der KPD bei und forcierte die politische Einbindung der Sorben in die Gesellschaft der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR. Der größte Erfolg seines Engagements war die Verabschiedung des Gesetzes zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung durch den Sächsischen Landtag am 23. März 1948, das erstmals einen Anspruch der Sorben auf Schutz und Förderung regelte. Infolgedessen wurde Nedo mit der Gründung einer staatlichen Verwaltungsinstanz beauftragt und wirkte bis Dezember 1950 als Leiter des Sorbischen Kultur- und Volksbildungsamts in Bautzen, ehe er, intern als bürgerlicher Nationalist diffamiert, den Vorsitz der Domowina niederlegte und Bautzen verließ.
Nach zwei kurzen leitenden Funktionen in der Kunst- und Kulturverwaltung des Landes Sachsen wandte sich Nedo 1952 volkskundlichen Arbeiten zu und übernahm bis 1961 die wissenschaftliche Leitung des Zentralhauses für Laienkunst (seit 1956 Institut für Volkskunstforschung) in Leipzig. Seit 1951 war er zusätzlich als Lehrbeauftragter an der Universität Leipzig tätig und wirkte seit 1954 als Leiter des Fachausschusses Volkskunde im Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands (seit 1958 Deutscher Kulturbund). 1955 wurde Nedo mit einer Studie über sorbische Volksmärchen bei Edmund Schneeweis (1886–1964) zum Dr. phil. promoviert, im selben Jahr zum kommissarischen Direktor des Sorbischen Instituts der Universität Leipzig berufen und seit 1959 mit der Wahrnehmung einer Professur für Sorbische und deutsche Volkskunde betraut. Zu seinem Spezialgebiet zählten die volkskundliche Erzählforschung, v. a. die Märchenforschung, sowie die theoretischen Grundlagen der ethnografischen Gegenwartsforschung. 1963 mit der Studie „Grundriß der sorbischen Volksdichtung“ für Volkskunde habilitiert, folgte Nedo 1964 einem Ruf auf die Professur für deutsche und westslawische Volkskunde an der Humboldt-Universität zu Berlin. Hier initiierte er ein volkskundliches Fernstudium für Museologen und Kulturpraktiker, ehe er 1968 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig emeritiert wurde. Im Ruhestand trat er bis Mitte der 1970er Jahre als Herausgeber historischer Quellenwerke und Märchenbücher sowie als Autor populärwissenschaftlicher Schriften zur sorbischen Volkskunde hervor.
1954 | (Karl Friedrich Wilhelm) Wander-Medaille in Silber (Auszeichnung der DDR für Verdienste im Schulwesen) |
1958 | Ćišinski-Preis (Staatspreis der DDR) |
1971 | ständiges Ehrenmitglied im Vorstand der Société Internationale d´Ethnologie et de Folklore |
1974 | Vaterländischer Verdienstorden der DDR in Bronze |
1978 | Vaterländischer Verdienstorden der DDR in Silber |
1983 | Vaterländischer Verdienstorden der DDR in Gold |
Nachlass:
Sorbisches Kulturarchiv, Bautzen, SKA N III.
Weitere Archivmaterialien:
Sorbisches Kulturarchiv Bautzen, SKA D I-III (Archiv der Domowina) sowie weitere Bestände und Nachlässe.
Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden. (Personalaktenbestand der Landesregierung Sachsen)
Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Staatsfilialarchiv Bautzen. (Bestand Wendenabteilung)
Universitätsarchiv Leipzig, Akten der Philosophischen Fakultät zu Leipzig betr. Sorbisches Institut.
Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin. (Personalakte Dr. Paul Nedo; Phil.Fak., Promotion Paul Nedo)
Monografien und Herausgeberschaften:
Sorbische Volkstrachten, 1951, Nachdr. 1954.
Die Tracht der Sorben um Schleife, 1954, Neuausg., bearb. u. erw. v. Albrecht Lange, 1984.
Sorbische Volksmärchen. Systematische Quellenausgabe mit Einführung und Anmerkungen, 1956. (Diss. phil.)
Die Lausitz. Sorbische Trachten, 1956.
Serbski směch. Směški a tryski z luda [Lachende Lausitz. Sorbische Volksschwänke], 1957, dt. 1957; überarb. Neuausg. u. d. T. Wóslace hnězdo. Směški a tryski z luda [Das Eselsnest. Sorbische Volksschwänke], 1983, 21983; niedersorb. 1983.
Der Kienpeter. Eine Auswahl sorbischer Volksmärchen, 1964, 51975; slowak. 1965, 31971; tschech. 1965, 41970; obersorb.1966; litau. 1971; poln. 1972; slowen. 1973; ukrain. 1973.
Folklorystyka. Ogólne wprowadzenie, 1965.
Grundriß der sorbischen Volksdichtung, 1966. (Habilitationsschrift)
Rolf Langematz/Paul Nedo, Sorbische Volkskunst, 1968.
Wolfgang Jacobeit/Pawoł Nedo (Hg.), Probleme und Methoden volkskundlicher Gegenwartsforschung. Vorträge und Diskussionen einer internationalen Arbeitstagung in Bad Saarow, 1969.
Die Sorben in der DDR. Vom Leben des kleinsten slawischen Volkes, 1973.
Sorbische Kultur. Eine Einführung in Vergangenheit und Gegenwart, 1975, 21980.
Pawoł Nedo/Viera Gašparíková/Jaromír Jech/Helena Kapełuś (Hg.), Klinkotata lipka. Bajki zapadnych Słowjanow [Die gläserne Linde. Westslawische Märchen], 1972; dt. 1972, 51979; poln. 1972, 31980; slowak. 1972, 31978; tschech. 1972, 21977; slowen. 1979; ukrain. 1981.
Aufsätze und Artikel:
Zur Geschichte der sorbischen Volkskunde, in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung, Reihe C 1 (1953), S. 126–132.
Krabat. Zur Entstehung einer demokratischen sorbischen Volkserzählung, in: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 2 (1956), S. 33–50.
Czorneboh und Bieleboh. Zwei angebliche slawische Kultstätten in der Oberlausitz, in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung, Reihe C 6/7 (1963/64), S. 5–18.
Sorbische Volkskunde als Inselforschung, in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung, Reihe C 8 (1965), S. 98–115.
Vorwort, in: Bernhard Waurick, Von Sibirien durch China und Indien. Eine ungewöhnliche Reise in den Jahren 1915–1917, 1973.
Arnošt Mukas Beitrag zur sorbischen Volkskunde, in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung, Reihe A 22 (1975), S. 163–173.
Traditionelle Volkskultur in der sorbischen nationalen und kulturellen Bewegung 1849–1945, in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung, Reihe C 19 (1976), S. 45–55.
Vorwort, in: Karl Gottlob Anton, Erste Linien eines Versuches über der alten Slawen Ursprung, Sitten, Gebräuche, Meinungen und Kenntnisse, fotomechan. Neudr. der Ausgabe v. 1783/1789, 1976, 21987.
Bibliografie:
Annett Bresan, Pawoł Nedo 1908–1984. Ein biografischer Beitrag zur sorbischen Geschichte, 2002, S. 315–344.
Monografien und Artikel:
Gerhard Kettmann, Zur Bedeutung historischer Quellen und Archivforschungen für die Volkskunde im sächsischen Raum. Prof. Dr. Paul Nedo zum 60. Geburtstag, in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung C 14 (1971), S. 49–72.
Wolfgang Jacobeit, Paul Nedo und die Volkskunde in der DDR, in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung C 27 (1984), S. 115–118.
Hinc Cuška, Pawoł Nedo, 1988.
Peter M. Jahn, Paul Nedo (1908–1984). Tendenzen und Hintergründe seiner marxistisch-leninistischen Theorie der Ethnographie, in: Hannelore Bernhardt (Red.), Geschichte der Völkerkunde und Volkskunde an der Berliner Universität. Zur Aufarbeitung des Wissenschaftserbes, 1991, S. 80–89.
Annett Bresan, Pawoł Nedo 1908–1984. Ein biografischer Beitrag zur sorbischen Geschichte, 2002. (W, P)
Annett Bresan, Art. „Paul Nedo (1908–1984)“, in: Sächsische Lebensbilder, Bd. 6/2, 2009, S. 519–540. (P)
Annett Bresan, Art. „Pawoł Nedo (Paul Nedo)“, in: Sächsische Biografie, 2016. (P) (Onlineressource)
Festschrift:
Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung, C 11/12 (1968/69). (P)
Nachrufe:
Frank Förster, Paul Nedo 1908–1984, in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung C 27 (1984), S. 114.
Manfred Bachmann, Gedenkworte für Prof. Dr. Paul Nedo [...] am 2. Juni 1984 auf dem Südfriedhof in Leipzig (Auszug), in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung C 28 (1985), S. 111–113.
Wilhelm Zeil, In memoriam Paul Nedo, in: Zeitschrift für Slawistik 30 (1985), S. 151 f.
Mikławš Dypman-Budyski, Prof. Dr. Pawoł Nedo, in: Minoritas (1985), S. 71–73.
Wolfgang Jacobeit, Paul Nedo zum Gedenken. in: Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte 29, N. F. 14 (1986), S. 180–183.
Fotografie v. Kurt Heine (1906–1986), 1948, Sorbisches Kulturarchiv, Bautzen, Fotoarchiv. (Onlineressource)
Fotografie v. Kurt Heine (1906–1986), 1951, Sorbisches Kulturarchiv, Bautzen, Fotoarchiv. (Onlineressource)
Fotografie v. Kurt Heine (1906–1986), ca. 1955, Sorbisches Kulturarchiv, Bautzen, Fotoarchiv. (Onlineressource)