Höß, Rudolf
- Lebensdaten
- 1901-1947
- Geburtsort
- Baden-Baden
- Sterbeort
- Auschwitz
- Beruf/Funktion
- KZ-Kommandant ; Soldat ; Nationalsozialist
- Konfession
- römisch-katholisch, seit 1933 „gottgläubig“
- Normdaten
- GND: 118552252 | OGND | VIAF: 36959026
- Namensvarianten
-
- Höß, Rudolf Franz Ferdinand
- Höß, Rudolf
- Höß, Rudolf Franz Ferdinand
- Höß, Rudolf
- Hoess, Rudolf Franz Ferdinand
- Höss, Rudolph
- Os, Runtolph P.
- Höß, Rudolph
- Höß, Rudolph
- Höss, Rudolf
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Höß, Rudolf Franz Ferdinand
1901 – 1947
KZ-Kommandant
Als Kommandant (1940–1943) und Standortältester (1944) des Konzentrationslagers Auschwitz organisierte und verantwortete Rudolf Höß die dort durchgeführte Ermordung von mehr als einer Million europäischer Juden. 1946 inhaftiert und an Polen ausgeliefert, wurde er 1947 für seine Verbrechen zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Lebensdaten
Geboren am 25. November 1901 in Baden-Baden Gestorben am 16. April 1947 in ehemaliges Stammlager Auschwitz Grabstätte keine Konfession römisch-katholisch, seit 1933 „gottgläubig“ -
Autor/in
→Karin Orth (Freiburg im Breisgau)
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Zitierweise
Orth, Karin, „Höß, Rudolf“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118552252.html#dbocontent
Höß besuchte seit 1912 das humanistische Karl-Friedrich-Gymnasium in Mannheim, das er im Sommer 1915 aufgrund schlechter Leistungen ohne Abschluss verließ. Seine zeitlebens aufgestellte Behauptung, seit August 1916 als Kriegsfreiwilliger im 2. Badischen Dragoner-Regiment 21 gedient zu haben, ist zweifelhaft: Höß, damals erst 14 Jahre alt und bis Ende 1917 in Mannheim polizeilich gemeldet, taucht in den Stammrollen des Regiments nicht auf.
Nach Ende des Ersten Weltkriegs zunächst Freikorpskämpfer (v. a. Freikorps Roßbach), bestritt Höß 1922/23 seinen Lebensunterhalt als Landarbeiter. Er trat 1922 der NSDAP bei und war am 31. Mai 1923 einer der Täter des „Parchimer Fememords“ an dem als kommunistischen Spitzel verdächtigten Lehrer Walter Kadow (1900–1923). Im Juni 1923 verhaftet und im März 1924 vom Leipziger Staatsgerichtshof zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, arbeitete Höß nach seiner vorzeitigen Haftentlassung im Juli 1928 erneut als Landarbeiter in Brandenburg und Pommern. 1929 schloss er sich dem völkischen Bund der Artamanen an, in dem er seine spätere Frau Hedwig und Heinrich Himmler (1900–1945) kennenlernte.
Seit 1933 Mitglied der SS, trat Höß 1934 auf Vorschlag Himmlers den SS-Totenkopfverbänden bei und war bis 1945 durchgehend im KZ-System tätig. Als Mitglied des SS-Wachverbands „Oberbayern“ seit Dezember 1934 unter Theodor Eicke (1892–1943) im Konzentrationslager Dachau tätig, wurde er im August 1938 zum Adjutanten des Kommandanten des Konzentrationslagers Sachsenhausen, Hermann Baranowski (1884–1940), ernannt, das nahe der SS-Dienststelle Inspektion der Konzentrationslager (IKL) lag.
Mit der Expansion des KZ-Systems seit Beginn des Zweiten Weltkriegs stieg Höß in der Konzentrationslager-SS weiter auf. Im Mai 1940 wurde er zum Kommandanten des neu eingerichteten Konzentrationslagers Auschwitz ernannt, das zunächst als Haftstätte für polnische Widerstandkämpfer und Intellektuelle fungierte. Ende 1941 kam das Lager Auschwitz-Birkenau hinzu, das bald zu einer zentralen Vernichtungsstätte des Holocaust wurde. Unter Höß’ Führung entstand ein riesiger Lagerkomplex, zu dem das Stammlager Auschwitz gehörte, die Vernichtungsstätte Auschwitz-Birkenau, Auschwitz-Monowitz, das als Industriekomplex für die I.G. Farben diente, sowie insgesamt fast 50 Außenlager, in denen KZ-Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten.
Im November 1943 wurde Höß vom Leiter des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamts (SS-WVHA) Oswald Pohl (1892–1951) als KZ-Kommandant von Auschwitz abberufen und zum Chef des Zentralamts D I in der IKL-Dienststelle ernannt, die inzwischen als Amtsgruppe D dem SS-WVHA unterstand. Bereits im Mai 1944 von Pohl erneut nach Auschwitz abkommandiert, organisierte und überwachte Höß dort als Standortältester der SS die Ermordung der ungarischen Juden. Von Frühjahr bis Herbst 1944 ermordete die Lager-SS einen Großteil der mehr als 400 000 nach Auschwitz deportierten ungarischen Juden sowie die Häftlinge des „Theresienstädter Familienlagers“, des „Zigeunerlagers“ in Auschwitz und die Bewohner des Ghettos in Łódź. Seit Sommer 1944 trieb sie zudem größere Häftlingsgruppen auf Todesmärsche Richtung Westen. Im Januar 1945 erfolgte die endgültige Auflösung des Lagerkomplexes. Bis dahin waren rund 1,3 Millionen Frauen, Kinder und Männer aus ganz Europa nach Auschwitz deportiert worden, von denen die Lager-SS etwa 1,1 Millionen ermordete, davon rund eine Million Juden.
Nach Auflösung des Lagers floh Höß mit seiner Familie nach Schleswig-Holstein, wo er unter falschem Namen (Franz Lang) auf einem Bauernhof nahe Flensburg arbeitete. Im März 1946 enttarnt, verhaftet und von der britischen Field Security Section mehrmals verhört, sagte er als Zeuge in mehreren alliierten Militärgerichtsprozessen aus, v. a. vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg. Im Mai 1946 nach Polen überstellt, musste sich Höß seit März 1947 für seine Taten in Auschwitz vor dem polnischen Obersten Volksgericht in Warschau verantworten, das ihn am 2. April 1947 zum Tod verurteilte.
Die während der Untersuchungshaft verfassten Lebenserinnerungen Höß’ sind im Münchner Institut für Zeitgeschichte archiviert und wurden 1958 erstmals von Martin Broszat (1926–1989) in einer kommentierten Edition veröffentlicht. Die Edition fand in zahlreichen Neuauflagen und Übersetzungen große Verbreitung und rief, lange vor dem ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main (1963–1965), eine erste, intensive wissenschaftliche und publizistische Auseinandersetzung mit den Massenverbrechen in Auschwitz hervor.
1921 | Schlesisches Bewährungsabzeichen (Adlerorden) |
1941 | Kriegsverdienstkreuz II. Klasse |
1943 | Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, München, F 13, Bd. I-VIII. (Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß); Fa 157 (Urteil gegen Höß u.a. vom 15.3.1924)
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, Bestand BDC. (Personalakten)
Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, H21 b (Prozess Höß); ZO54 c (Krakauer Auschwitz-Prozess).
Gedruckte Quellen:
Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg 14. November 1945 – 1. Oktober 1946, 42 Bde., 1947–1949, hier Bd. 11, S. 438–466. (Vernehmung von Rudolf Höß v. 15.4.1946)
Nürnberger Dokument NO-1210. (eidesstattliche Erklärung Höß v. 14.3.1946)
Rudolf Höß, Kommandant in Auschwitz. Dokumentensammlung, bearb. v. Ṭoviyah Fridman, hg. v. Institute of Documentation in Israel for the Investigation of Nazi War Crimes (Haifa), 1997. (unsystematisch)
Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß, hg. v. Martin Broszat, 1958, 252015.
Monografien:
Tom Segev, Commanders of Nazi Concentration Camps, 1977, S. 295–303.
Mark Steven Clinton, Injustice Armed. Rudolf Höß, Totalitarian Man and the Ideological Deformation of Political Consciousness, 1981.
Manfred Deselaers, „Und Sie hatten nie Gewissensbisse?“. Die Biografie von Rudolf Höß, Kommandant von Auschwitz, und die Frage nach seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, 1997.
Karin Orth, Die Konzentrationslager-SS. Sozialstrukturelle Analysen und biographische Studien, 2000.
Nicolas Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker. Erforschung und Erinnerung, 32004, bes. S. 300–304.
Nikolaus Wachsmann, KL. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, 2015.
Wilhelm Kreutz/Karen Strobel, Der Kommandant und die Bibelforscherin Rudolf Höß und Sophie Stippel. Zwei Wege nach Auschwitz, 2018. (P)
Aufsätze und Artikel:
Joseph Tenenbaum, Auschwitz in Retrospect. The Self-Portrait of Rudolf Hoess, Commander of Auschwitz, in: Jewish Social Studies 15 (1953), S. 203–234.
Karin Orth, Rudolf Höß und die „Endlösung der Judenfrage“. Drei Argumente gegen deren Datierung auf den Sommer 1941, in: WerkstattGeschichte 6 (1997), S. 45–57.
Karin Orth, Werdegang eines Massenmörders – die Biographie von Rudolf Höß, in: Jacek Andrzej Mlynarczk/Jochen Böhler (Hg.), Der Judenmord in den eingegliederten polnischen Gebieten. 1939–1945, 2010, S. 251–275.
Karin Orth, Art. „Höß, Rudolf Franz Ferdinand“, in: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), S. 176–179. (Onlineressource)
Mario Niemann, Der Prozess gegen Martin Bormann und Rudolf Höß, Deutschland 1923, in: Groenewold/Ignor/Koch (Hg.), Lexikon der Politischen Strafprozesse, 2016. (Onlineressource)
„Welt im Film“ v. 29.4.1946. (darin Sequenz „Prozess Nürnberg“, Min. 2:51–4:52, mit einem Ausschnitt der Zeugenaussage von Höß vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg)
„Welt im Film“ v. 17.7.1946. (darin Sequenz „Vor dem Warschauer Prozess. Ankunft der Hauptangeklagten“, Min. 2:32–3:45, mit Aufnahme von Höß und weiterer Angeklagter)
Fotografie, 1947, Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sammlung Heinrich Hoffmann.