Diels, Rudolf

Lebensdaten
1900 – 1957
Geburtsort
Berghausen bei Wiesbaden
Sterbeort
Katzenelnbogen (Taunus)
Beruf/Funktion
Gestapo-Chef ; NS-Funktionär ; Publizist ; Beamter ; Jurist
Konfession
evangelisch, später „gottgläubig“
Normdaten
GND: 118525328 | OGND | VIAF: 69721112
Namensvarianten

  • Diehl, Rudolf
  • Diels, Rudolf
  • Diehl, Rudolf
  • Diels, Rudolph
  • Diehl, Rudolph

Vernetzte Angebote

Verknüpfungen

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Diels, Rudolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118525328.html [30.01.2025].

CC0

  • Diels, Rudolf

    Namensvariante: Rudolf Diehl

    1900 – 1957

    Gestapo-Chef, NS-Funktionär, Publizist

    Zunächst Anhänger der Weimarer Republik, stellte Rudolf Diels als Verwaltungsbeamter und Protegé Hermann Görings (1893–1946) sein Organisationstalent in den Dienst des Aufbaus der Geheimen Staatspolizei, verlor im „Dritten Reich“ jedoch rasch an Einfluss und war von 1934 bis 1942 Regierungspräsident in Köln und Hannover. Nach dem Zweiten Weltkrieg fungierte Diels als Zeuge der Anklage in den Nürnberger Prozessen und hatte kurzzeitig Erfolg als politischer Publizist.

    Lebensdaten

    Geboren am 16. Dezember 1900 in Berghausen bei Wiesbaden
    Gestorben am 18. November 1957 (Jagdunfall) in Katzenelnbogen (Taunus)
    Grabstätte Friedhof (Familiengrab) in Berghausen
    Konfession evangelisch, später „gottgläubig“
    Rudolf Diels, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)
    Rudolf Diels, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)
  • 16. Dezember 1900 - Berghausen bei Wiesbaden

    - bis September 1918 - Wiesbaden

    Schulbesuch (Abschluss: Notabitur)

    Königliches Gymnasium (heute Diltheyschule)

    1918 - 1918 - Hagenau (Elsass, heute Haguenau, Frankreich)

    Kriegsdienst als Funker (zuletzt Unteroffizier)

    Nachrichteneinsatzabteilung 15

    Frühjahr 1919 - ca. Mai 1919 - Gießen

    Studium der Humanmedizin und Nationalökonomie (ohne Abschluss)

    Universität

    Mai 1919 - Juni 1922 - Marburg an der Lahn

    Studium der Staats- und Rechtswissenschaften (Abschluss: Erstes juristisches Staatsexamen)

    Universität

    28.6.1922 - 27.12.1922 - Katzenelnbogen (Taunus)

    Gerichtsreferendar; Referendarexamen

    Amtsgericht

    Januar/Februar 1923 - 24.10.1925 - Kassel; Schlüchtern (Hessen); Marburg an der Lahn

    Regierungsreferendar; Assessorexamen

    Regierungspräsidium; Landratsamt; Polizeiverwaltung

    25.10. 1925 - 1931 - Neuruppin; Peine bei Hannover; Teltow

    Regierungsassessor (1.6.1929–31.5.1930 beurlaubt und bei der Provinzialverwaltung der Provinz Brandenburg beschäftigt)

    Landratsamt

    ca. 1926

    Mitglied

    Deutsche Demokratische Partei

    10.4.1931 - 20.2.1933 - Berlin

    Hilfsarbeiter; seit 25.9.1931 Regierungsrat und Dezernent zur Bekämpfung der kommunistischen Bewegung (1.8.1932 Oberregierungsrat)

    Preußisches Innenministerium

    seit März 1932 - Berlin

    förderndes Mitglied

    SA, Untergruppe Berlin-Ost

    seit 20.2.1933 - Berlin

    Leiter der Abteilung I A (Landeskriminalpolizeiamt) beim Polizeipräsidium Berlin (15.7.1933 Ministerialrat)

    Preußisches Innenministerium

    18.11.1933 - 19/21.4.1934

    Inspekteur (Leiter)

    Geheimes Staatspolizeiamt

    15.9.1933 - 1945

    Mitglied (1939 SS-Oberführer)

    SS

    seit 18.11.1933 - Berlin

    Polizeivizepräsident (vertretungsweise)

    1.12.1933 - 21.4.1934 - Berlin

    Inspekteur

    Geheime Staatspolizei (Hauptamt)

    20.4.1934 - 9.7.1936 - Köln

    Regierungspräsident

    14.7.1936 - 30.8.1942 - Hannover

    Regierungspräsident (seit März 1942 beurlaubt)

    1.5.1937 - 1945

    Mitglied

    NSDAP

    März 1942 - Anfang 1945 - Berlin

    Vorstandsvorsitzender (seit Ende 1943 unterbrochen von einem Aufenthalt in einem Sanatorium in Lugano und zwei kurzzeitigen Verhaftungen 1944)

    Reichswerke AG für Binnenschiffahrt „Herrmann Göring“

    Herbst 1945 - Sommer 1947 - Nürnberg

    Zeuge der Anklage im Verfahren gegen Paul Pleiger (1899–1985)

    Internationaler Militärgerichtshof

    ca. 1947 - 1957 - Twenge bei Hannover

    Verwalter eines Gutshofs; Landwirt

    31.3.1952 - Hannover

    Einstufung als „entlastet“ aufgrund des niedersächsischen Gesetzes zur Beendigung der Entnazifizierung

    18. November 1957 (Jagdunfall) - Katzenelnbogen (Taunus)

    alternativer text
    Rudolf Diels, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)

    Diels entstammte einer wohlhabenden bäuerlichen Familie, wuchs im Unterlahnkreis auf und besuchte das humanistische Königliche Gymnasium in Wiesbaden, an dem er im September 1918 das Notabitur erhielt. In den letzten Wochen des Ersten Weltkriegs als Unteroffizier eines Nachrichtenbataillons im Elsass eingesetzt, studierte er seit Mai 1919 Staats- und Rechtswissenschaften an der Universität Marburg an der Lahn. Hier wurde Diels v. a. von dem Psychologen Erich Jaensch (1883–1940) und dem Nationalökonomen Walter Troeltsch (1866–1933) beeinflusst, schloss sich der schlagenden Studentenverbindung Corps Rhenania Straßburg an und legte im Juni 1922 das Erste juristische Staatsexamen ab. Nach seinem Regierungsreferendariat arbeitete Diels seit Oktober 1926 als Regierungsassessor in den Landratsämtern von Neuruppin, Teltow (beide Brandenburg) und Peine bei Hannover. In dieser Zeit wurde er Mitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei und verkehrte in dem von Bernhard Weiß (1880–1951) geführten Demokratischen Club in Berlin.

    Gefördert von Staatssekretär Wilhelm Abegg (1876–1951), wechselte Diels zum 10. April 1931 in die Polizeiabteilung des von Carl Severing (1875–1952) geleiteten Preußischen Innenministeriums, wo er sich von der Weimarer Republik distanzierte. Seit 1932 versorgte er den stellvertretenden NSDAP-Gauleiter von Berlin, Hans Meinshausen (1889–1948), mit vertraulichem Material gegen die Nationalsozialisten, warnte vor Verboten von SA und SS und wurde im März 1932 förderndes Mitglied der SA. Im Juli 1932 spielte Diels der Reichsregierung unter Franz von Papen (1879–1969) Informationen über eine Besprechung Abeggs mit den KPD-Politikern Wilhelm Kasper (1892–1985) und Ernst Torgler (1893–1963) zu. Diese auch in der Presse lancierten Informationen lieferten einen Vorwand für die Absetzung der von Otto Braun (1872–1955) geführten Preußischen Landesregierung („Preußenschlag“).

    Am 26. April 1933 durch Hermann Göring (1893–1946) zum Leiter des neu gegründeten Geheimen Staatspolizeiamts ernannt, beteiligte sich Diels an der Institutionalisierung des nationalsozialistischen „Schutzhaft“- und Konzentrationslager-Systems sowie – nach Aussage von Zeugen – an politischen Morden, etwa an dem wegen Totschlags an Horst Wessel (1907–1930) inhaftierten Albrecht Höhler (1898–1933). Am 15. September 1933 wurde Diels von Heinrich Himmler (1900–1945) im Dienstrang eines SS-Obersturmbannführers in die SS aufgenommen und am 9. November 1933 zum SS-Standartenführer ernannt. Im Machtkampf zwischen Göring und Himmler um die Kontrolle der politischen Polizei geriet Diels zwischen die Fronten und floh daraufhin kurzzeitig nach Karlsbad (heute Karlovy Vary, Tschechien), kehrte auf Drängen Görings jedoch bald zurück und wurde am 18. November 1933 wieder zum Polizeivizepräsidenten von Berlin und elf Tage später zum Inspekteur der Gestapo ernannt; am 21. April 1934 erfolgte seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand.

    Zum 9. Mai 1934 wurde Diels Regierungspräsident in Köln. Seine Amtszeit war von den Konflikten zwischen Vertretern der NSDAP und der katholischen Kirche geprägt, in denen Diels eine vermittelnde Position einnahm und u. a. den Austausch mit Erzbischof Karl Joseph Schulte (1871–1941) suchte. Nach Konflikten mit dem NSDAP-Gauleiter Josef Grohé (1902–1987) und dem Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Josef Terboven (1898–1945), wurde Diels im Juli 1936 als Regierungspräsident nach Hannover versetzt, wo er zum 1. Mai 1937 in die NSDAP eintrat. Die Zusammenarbeit mit Oberpräsident Viktor Lutze (1890–1943) funktionierte hier weitgehend reibungslos, während sein seit April 1941 amtierender Nachfolger Hartmann Lauterbacher (1909–1988) gegen Diels opponierte. Göring verhalf Diels daraufhin zu der Stellung als Vorstandsvorsitzender bei der Holdinggesellschaft Reichswerke AG für Binnenschifffahrt „Hermann Göring“, die er am 15. März 1942 antrat und die ihn u. a. in die besetzte Ukraine führte, wo er Zeuge von Massenmorden wurde.

    Am 3. Mai 1945 festgenommen, trat Diels von Herbst 1945 bis Sommer 1947 als Zeuge der Anklage in den Nürnberger Prozessen auf und sagte u. a. gegen Göring aus. Anschließend lebte er abwechselnd auf dem elterlichen Bauernhof in Berghausen bei Wiesbaden und seinem Gutshof in Kaltenweide-Twenge (Langenhagen) bei Hannover, den er 1955 verkaufte. 1949 veröffentlichte Diels seine Memoiren „Lucifer ante portas“; ein Vorabdruck erschien im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, mit dessen Herausgeber Rudolf Augstein (1923–2002) er befreundet war. Das Buch folgte dem verbreiteten Narrativ, das preußische Beamtentum, als dessen Repräsentant sich Diels verstand, habe sich der NS-Diktatur entgegenstellt und versucht, rechtsstaatliche Strukturen aufrechtzuerhalten. Seine eigene Mitwirkung am NS-Terrorsystem verschwieg Diels. Diels Buch wurde breit rezensiert und u. a. im „Spiegel“ positiv besprochen.

    Nachdem er in seinem ersten Spruchkammerverfahren 1948 in Bielefeld noch erheblich belastet worden war, endete Diels’ Entnazifizierung am 31. März 1952 aufgrund des niedersächsischen Gesetzes zur Beendigung der Entnazifizierung mit der Einstufung als „entlastet“ (Kategorie V). Bis zu seinem Tod wurde er vom Land Niedersachsen besoldet. Im Zusammenhang mit dem Skandal um den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz Otto John (1909–1997), der sich im Juli 1954 in die DDR absetzte, veröffentlichte Diels auf Initiative des rechtsextremen Verlegers Leonhard Schlüter (1921–1981) das Pamphlet „Der Fall Otto John“ (1954), in dem er Kritik an den Nürnberger Verfahren übte, Widerstandskämpfer diffamierte und gegen „Kollaborateure“ der Alliierten hetzte.

    Kurz vor Diels’ Tod bei einem Jagdunfall druckten die Illustrierten „Stern“ und „Weltbild“ 1957 Serien über den Reichstagsbrand und die nationalsozialistische Machtergreifung 1933, die wesentlich auf Diels’ Informationen basierten und in denen die SA für den Reichstagsbrand verantwortlich gemacht wurde. Bereits in einem Schreiben vom 22. Juli 1946 an die britische Delegation beim Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg hatte Diels den früheren SA-Führer Hans Georg Gewehr (1908–1976) als wahrscheinlichen Haupttäter bei der Brandstiftung benannt.

    1919 Mitglied im Bataillion von Selchow (Studentenfreikorps)
    ca. 1933 Mitglied im Nationalsozialistischen Altherrenbund
    ca. 1933 Mitglied im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund
    nach 1933 Ehrenkreuz für Kriegsteilnehmer
    nach 1933 Ehrenkreuz für Frontkämpfer
    nach 1933 Mitglied im Lebensborn e. V.
    ca. 1937 SS-Ehrendegen
    SS-Julleuchter

    Nachlass:

    Niedersächsisches Landesarchiv, Abteilung Hannover, HA VVP 46. (weiterführende Informationen)

    Weitere Archivmaterialien:

    Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 2, Nr. 23 308, 23 253, 15 163 u.15 164 (Akten des Reichsfinanzministeriums zu den „Reichswerken Hermann Göring“); R 19/452 (Akten des Chefs der Ordnungspolizei); R 126, Nr. 41 u. 42 (Akten der Binnenschifffahrtsverwaltung der „Reichswerke Hermann Göring“): R 9 361-IX KARTEI/6 210880 (SS-Personalakte, u. a. SS-Stammrolle, Heiratsakten u. Ankauf von Kunstwerken aus jüdischem Besitz).

    Bundesarchiv, Koblenz, ZV 42/IV/1960. (Spruchgerichtsakte)

    Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin, I. HA Rep. 90 A, Nr. 1, 5, 51, 54, 58, 67 u. 951. (Tätigkeit bei der Gestapo)

    Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, Hannover, Ace. 92/91 Nr. 4 u. 6 sowie E 4 Nr. 1/4 (Akten zur Tätigkeit als Regierungspräsident in Hannover); Ace. Nr. 101/83 (Entnazifizierungsverfahren); Ace. 134/97 Nr. 63–68 (Verwaltungsverfahren gegen Diels 1954).

    Staatsarchiv Koblenz, Abt. 403, 16 846; Abt. 403, 16 765; Abt. 403, 16 850; Abt. 403, 16 848; Abt. 403, 16 849 I. (Akten zur Tätigkeit als Regierungspräsident in Köln)

    Sonderarchiv Moskau, Fonds Reichsinnenministerium, 720k-5-1459 bis 720k-5-1465 K. (Personalakte)

    Staatsarchiv Nürnberg, KV-Anklage Interrogations D-33 (Verhöre von Diels außerhalb der Prozessverhandlungen); KV Prozesse Fall 6, A-18/1 u. A-26 (Verhöre von Diels am 27.10. und 26.11.1947 im IG-Farben-Prozess); D-861, NO-5 821, NI-2970, PS-2544, PS-2472, PS-2460, D-976, NO-684, NID-14 982, NG-4836, NG-4832, NG-4835, NI-4671, NG-3331 (Aussagen und eidesstattliche Erklärungen von Diels).

    Lucifer ante portas. Zwischen Severing und Heydrich, 1949, Neuausg. 1949 u. d. T. Lucifer ante portas. Es spricht der erste Chef der Gestapo.

    Der Fall Otto John. Hintergründe und Lehren, 1954, 21954.

    Christoph Graf, Politische Polizei zwischen Demokratie und Diktatur. Die Entwicklung der preußischen Politischen Polizei vom Staatsschutzorgan zum Geheimen Staatspolizeiamt des Dritten Reiches, 1983.

    Klaus Wallbaum, Der Überläufer. Rudolf Diels (1900–1957). Der erste Gestapo-Chef des Hitler-Regimes, 2010.

    Robert Becker, Die Kölner Regierungspräsidenten im Nationalsozialismus. Zum Versagen von Vertretern einer Funktionselite, 2018, S. 101–215. (P)

    Hans-Christian Jasch, Vor 70 Jahren. Die Schmähschrift des Ex-Gestapochef Rudolf Diels zum „Fall Otto John“. Zu den Grenzen erfolgreicher Reintegration ehemaliger Nationalsozialisten und überlebender Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 in die Nachkriegsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in: Recht und Politik 60 (2024), H. 2, S. 1–33.

    Fotografien, 1933–1948, Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek München.

    zwei Fotografien, 1933, Digitales Bildarchiv des Bundesarchivs.

  • Autor/in

    Hans-Christian Jasch (Berlin)

  • Zitierweise

    Jasch, Hans-Christian, „Diels, Rudolf“ in: NDB-online, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118525328.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA