Everth, Erich
- Lebensdaten
- 1878 – 1934
- Geburtsort
- Berlin
- Sterbeort
- Leipzig
- Beruf/Funktion
- Journalist ; Zeitungswissenschaftler ; Autor ; Kunsthistoriker
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 116612339 | OGND | VIAF: 67221366
- Namensvarianten
-
- Everth, Erich
- Ewerth, Erich
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Everth, Erich
1878 – 1934
Journalist, Zeitungswissenschaftler
Erich Everth begleitete seit 1912 als Journalist für bürgerlich-liberale Zeitungen das öffentliche Leben und die politische Kultur in Deutschland. 1926 folgte er einem Ruf an das Leipziger Institut für Zeitungskunde als erster ordentlicher Professor des Fachs in Deutschland. Er engagierte sich als wichtiger programmatischer Ideengeber und Vordenker der Zeitungskunde, ehe er 1933 infolge der nationalsozialistischen Machtübernahme seines Amts enthoben wurde.
Lebensdaten
Geboren am 3. Juli 1878 in Berlin Gestorben am 22. Juni 1934 in Leipzig Grabstätte Südfriedhof in Leipzig Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Erik Koenen (Leipzig)
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Zitierweise
Koenen, Erik, „Everth, Erich“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/116612339.html#dbocontent
Als Sohn einer Kaufmannsfamilie legte Everth 1898 sein Abitur ab und studierte danach bis 1906 Kunstgeschichte, Philosophie, Psychologie und Rechtswissenschaft in Berlin. Sein einflussreichster akademischer Lehrer war der Kunstwissenschaftler Max Dessoir (1867–1947), der ihn zur Beschäftigung mit ästhetisch-kunstphilosophischen Fragen anregte. 1909 wurde Everth an der Universität Leipzig bei August Schmarsow (1853–1936) und Johannes Volkelt (1848–1930) mit der Studie „Der Bildrahmen als ästhetischer Ausdruck von Schutzfunktionen“ zum Dr. phil. promoviert; sein anschließender Versuch einer Habilitation scheiterte aus finanziellen Gründen.
Seit 1912 als Feuilletonist der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung“ tätig, verlagerte Everth mit dem 1913 erfolgten Wechsel zum Berliner Büro der „Magdeburgischen Zeitung“ sein journalistisches Wirken auf die politische Berichterstattung. Im August 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger, kämpfte an der Ostfront und wurde nach einer Verwundung seit Frühjahr 1915 als Referent und Zensor in der Presseverwaltung für das besetzte Polen eingesetzt. Seine Fronterlebnisse hielt er in der pathetischen Broschüre „Von der Seele des Soldaten im Felde“ (1915) fest, ein Jahr darauf folgte die politisch informierte, sachliche Streitschrift „Das innere Deutschland nach dem Kriege“, die v. a. den innenpolitischen Reformdruck Deutschlands thematisiert.
Seit Oktober 1917 wieder journalistisch tätig, wirkte Everth als Chefredakteur und Leiter der Berliner Vertretung des „Leipziger Tageblatts“ (bis 1923), Leitartikler der „Vossischen Zeitung“ (1921–1923), Feuilleton-Ressortleiter der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ (1923–1924) und zuletzt Wiener Korrespondent des „Berliner Tageblatts“ (1924–1926). Sein Wirken war von liberalen Positionen gekennzeichnet, in denen sich sein politischer Standort als Vernunftrepublikaner spiegelte.
1926 wurde Everth an der Universität Leipzig Nachfolger von Karl Bücher (1847–1930) als Ordinarius für Zeitungskunde, der Ursprungsdisziplin der modernen Kommunikations- und Medienwissenschaft. Er publizierte in der Folge zahlreiche einschlägige Beiträge in Fachzeitschriften sowie die Monografie „Die Öffentlichkeit in der Außenpolitik von Karl V. bis Napoleon“ (1931), die heute zu den Schlüsselwerken des Fachs gezählt wird. Von seinen rund 60 Promovenden zählen u. a. Friedrich Bertkau (1876–1956) und Ernst Herbert Lehmann (1908–1996) zu Everths Schülern.
Besondere Bedeutung hat Everths zeitungskundliches Wirken durch ein innovatives Fachkonzept, mit dem er den bis dahin schwachen methodischen und theoretischen Grundstock des Fachs stärkte. Er verfolgte konsequent eine Erkenntnisperspektive, die sich für die sozialen Prozesse zwischen Gesellschaft und Kultur einerseits und Journalismus, Öffentlichkeit und Zeitung andererseits interessierte. Everth forcierte die wissenschaftliche Grundlegung der Zeitungskunde und machte die öffentliche Kommunikation und ihre sozialen Bedingungen zum bis heute gültigen Kerngegenstand der Kommunikations- und Medienwissenschaft.
Am 19. Februar 1933 hielt Everth einen engagierten Vortrag zur Wahrung der Pressefreiheit auf dem in Berlin veranstalteten Kongress „Das Freie Wort“ und blieb mit seiner Stellungnahme der einzige Zeitungskundler, der sich öffentlich gegen die mit den nationalsozialistischen Notverordnungen verbundenen Gewaltmaßnahmen gegen die deutsche Presse wandte. Sein Engagement führte rasch zum Verlust seiner Professur: Erst beurlaubt und mit „politischen Ermittlungen“ schikaniert, wurde er – inzwischen schwer erkrankt – im Spätsommer 1933 vorzeitig emeritiert. Everths Nachfolger wurde Hans A. Münster (1901–1963), der die Leipziger Zeitungskunde den politischen und propagandistischen Interessen des NS-Staats unterordnete.
Everths Zeitungskunde fand trotz ihres hohen Niveaus und ihrer Originalität zeitgenössisch nur wenig Beachtung. Zwar wurde er von einem kleinen Kreis junger Wissenschaftler wie Ernst Manheim (1900–2002), Alfred Peters (1888–1974) und Hans Traub (1901–1943) als intellektueller Vorreiter rezipiert, mit seiner innovativen Erkenntnisperspektive und soziologisch fundierten Öffentlichkeitstheorie konnte er sich im Kern des Fachs jedoch nicht durchsetzen und wurde lange vergessen. Erst seit der in den 1970er Jahren einsetzenden fachhistorischen Reflexion der zeitungskundlichen Vorgeschichte der Kommunikations- und Medienwissenschaft wurde Everth wiederentdeckt.
Nachlass:
Privatbesitz.
Weitere Archivmaterialien:
Institut für Zeitungsforschung, Dortmund, Vorlesungsmanuskripte.
Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Bestand Ministerium für Volksbildung Sachsen, Personalakte Nr. 10 281/135: Erich Everth.
Universitätsarchiv Leipzig, Philosophische Fakultät, B1/14:50, Bd. 1 (Institut für Zeitungskunde, Institut für Zeitungswissenschaft 1916–1945); B2/20:12 (Professur für Zeitungskunde 1921–1942); Personalakte Nr. 448 (Erich Everth); Promotionsakten (Promotion Nr. 943: Erich Everth).
Der Bildrahmen als ästhetischer Ausdruck von Schutzfunktionen, 1909. (Diss. phil.)
Wilhelm Raabe, 1913.
Von der Seele des Soldaten im Felde. Bemerkungen eines Kriegsteilnehmers, 1915.
Das innere Deutschland nach dem Kriege, 1916.
Conrad Ferdinand Meyer. Dichtung und Persönlichkeit, 1924.
Was kümmert Zeitungskunde den Pressemann?, in: Deutsche Presse 16 (1926), Nr. 50/51, S. 8 f.
Zeitungskunde und Universität. Antrittsvorlesung, 1927.
Karl Bücher und die Zeitungskunde. Zu seinem 80. Geburtstage, in: Minerva-Zeitschrift. Nachrichten für die gelehrte Welt 3 (1927), Nr. 3, S. 49–54.
Das Studium der Zeitungskunde an der Universität Leipzig, 1928, 21933.
Die Zeitung im Dienste der Öffentlichkeit. Eine begriffliche Grundlegung, in: Archiv für Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik 65 (1928), Nr. 4, S. 1–30.
Was ist Zeitungswissenschaft?, in: Zeitungs-Verlag 29 (1928), Nr. 35, Sp. 1873–1880.
Die Öffentlichkeit in der Außenpolitik von Karl V. bis Napoleon, 1931.
In memoriam Karl Büchers, in: Zeitungswissenschaft 6 (1931), Nr. 1, S. 2–8.
Bibliografie:
Erik Koenen, Erich Everth. Wissenstransformationen zwischen journalistischer Praxis und Zeitungskunde. Biographische und fachhistorische Untersuchungen, 2019, S. 611–663.
Monografien:
Thomas Steingen, Auffassungen von Prof. Dr. Erich Everth zur gesellschaftlichen Rolle der Presse, 1991. (ungedr. Diplomarbeit, Universität Leipzig)
Stefanie Averbeck, Kommunikation als Prozess. Soziologische Perspektiven in der Zeitungswissenschaft 1927–1934, 1999.
Erik Koenen, Erich Everth. Wissenstransformationen zwischen journalistischer Praxis und Zeitungskunde. Biographische und fachhistorische Untersuchungen, 2019.
Aufsätze und Artikel:
Ernst Herbert Lehmann, Erich Everth, in: Walter Heide (Hg.), Handbuch der Zeitungswissenschaft, Bd. 1, 1940, Sp. 943–945. (P)
Hans Bohrmann/Arnulf Kutsch, Pressegeschichte und Pressetheorie. Erich Everth (1878–1934), in: Publizistik 24 (1979), Nr. 3, S. 386–403.
Stefanie Averbeck, Erich Everth. Theorie der Öffentlichkeit und der Interessen, in: Arnulf Kutsch/Stefanie Averbeck (Hg.), Großbothener Vorträge III, 2002, S. 9–31.
Horst Pöttker, Erich Everth (1927): Zeitungskunde und Universität, in: Christina Holtz-Bacha/Arnulf Kutsch (Hg.), Schlüsselwerke für die Kommunikationswissenschaft, 2002, S. 135–138.
Johannes Weber, Erich Everth (1931): Die Öffentlichkeit in der Außenpolitik von Karl V. bis Napoleon, in: ebd., S. 138 f.
Erik Koenen/Thomas Lietz/Sylvia Werther, Das Aus für das freie Wort. Die nationalsozialistische „Machtergreifung“ im Institut für Zeitungskunde, in: Journal Universität Leipzig. Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen und Freunde der Universität Leipzig (2003), Nr. 7, S. 37 f.
Erik Koenen, Journalismus als soziale Form gedacht. Zum 70. Todestag von Erich Everth, in: Journal Universität Leipzig. Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen und Freunde der Universität (2004), H. 4, S. 28.
Erik Koenen, Ein „einsamer“ Wissenschaftler? Erich Everth und das Leipziger Institut für Zeitungskunde zwischen 1926 und 1933. Ein Beitrag zur Bedeutung des Biographischen für die Geschichte der Zeitungswissenschaft, in: Medien & Zeit 20 (2005), H. 1, S. 38–50.
Bruno Jahn (Bearb.), Die deutschsprachige Presse. Ein biographisch-bibliographisches Handbuch, Bd. 1, 2005, S. 262.
Ivan Lacasa, Zeitungswissenschaft als publizistische Aktion. Karl d’Ester, Emil Dovifat, Erich Everth, in: Medien & Zeit 23 (2008), H. 4, S. 4–8.
Erik Koenen, Die Begründung der Zeitungskunde als akademische Spezialität. Entwicklung ihrer Ideen-, Interessen- und Institutionsgestalt in Leipzig, in: Stefanie Averbeck-Lietz/Petra Klein/Michael Meyen (Hg.), Historische und systematische Kommunikationswissenschaft. Festschrift für Arnulf Kutsch, 2009, S. 157–180.
Arnulf Kutsch, Kommunikations- und Medienwissenschaft, in: Geschichte der Universität Leipzig 1909–2009, Bd. 4.1, 2010, S. 739–759.
Uwe Carstens, Der Kongress „Das Freie Wort“ vom Februar 1933 im Spiegel der Presse, in: Tönnies-Forum 22 (2013), Nr. 1, S. 55–79.
Ivan Lacasa, Erich Everth y el servicio del periódico a la publicidad, in: Tripodos 31 (2012), S. 125–141.
Erik Koenen, Art. „Erich Everth“, in: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hg.), Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft, 2015. (Onlineressource)
Erik Koenen, Art. „Erich Everth“, in: Sächsische Biografie, hg. v. Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., 2015. (Onlineressource)
Erik Koenen, Ein Journalist wird in Leipzig erster ordentlicher Professor für Zeitungskunde. Erich Everth und die disziplinäre Fundierung der Zeitungskunde als Wissenschaft, in: ders. (Hg.), Die Entdeckung der Kommunikationswissenschaft. 100 Jahre kommunikationswissenschaftliche Fachtradition in Leipzig. Von der Zeitungskunde zur Kommunikations- und Medienwissenschaft, 2016, S. 124–154.
Erik Koenen, Erich Everth als Leitartikler der „Vossischen Zeitung“ (1921–1923). Journalismus als Krisen- und Zeitdiagnostik der frühen Weimarer Republik, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 18 (2016), S. 78–110.
Erik Koenen, Erich Everth und die Erfindung der Zeitungskunde als Integrationswissenschaft. Zur Vorgeschichte der interdisziplinären Identität der Kommunikationswissenschaft, in: Markus Beiler/Benjamin Bigl (Hg.), 100 Jahre Kommunikationswissenschaft in Deutschland. Von einem Spezialfach zur Integrationsdisziplin, 2017, S. 35–48.
Fotografie, ca. 1930, Abbildung in: Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild, Bd. 1, 1930, S. 408.
Fotografie, ca. 1930, Abbildung in: Walter Heide (Hg.), Handbuch der Zeitungswissenschaft, Bd. 1, 1940, Sp. 944.