Mark, Hermann

Lebensdaten
1895 – 1992
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Austin (Texas, USA)
Beruf/Funktion
Physikochemiker ; Polymerforscher ; Chemiker
Konfession
evangelisch-lutherisch
Normdaten
GND: 118640925 | OGND | VIAF: 108348772
Namensvarianten

  • Mark, Hermann Franz
  • Mark, Herman Francis / nach 1938
  • Mark, Hermann
  • Mark, Hermann Franz
  • Mark, Herman Francis / nach 1938
  • Mark, Herman F.
  • Mark, H.
  • Mark, H. F.
  • Mark, H.F.
  • Mark, Herman
  • Mark, Herman Francis
  • Mark, Hermann F.
  • Mark, Hermann Francis

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Zitierweise

Mark, Hermann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118640925.html [01.04.2025].

CC0

  • Mark, Hermann Franz (nach 1938 Herman Francis Mark)

    1895 – 1992

    Physikochemiker, Polymerforscher

    Hermann Mark zählt zu den Pionieren der Erforschung hochpolymerer Stoffe, wie Cellulose und Kautschuk. Mit Kurt Hans Meyer (1883–1952) entwickelte er röntgendiffraktometrische Verfahren zur Bestimmung der Kristallstruktur von Cellulose, die auf deren sehr hohes Molekulargewicht hinwiesen. Mark war Hermann Staudingers (1881–1965) Konzept der Makromoleküle voraus, was zeitweise zu einer lebhaften Kontroverse führte.

    Lebensdaten

    Geboren am 3. Mai 1895 in Wien
    Gestorben am 6. April 1992 in Austin (Texas, USA)
    Grabstätte Evangelischer Friedhof Matzleinsdorf in Wien
    Konfession evangelisch-lutherisch
    Hermann Mark, Österreichische Nationalbibliothek (InC)
    Hermann Mark, Österreichische Nationalbibliothek (InC)
  • 3. Mai 1895 - Wien

    - bis 1913 - Wien

    Schulbesuch (Abschluss: Matura)

    Volksschule am Karlsplatz; Theresianum

    1913 - 1914 - Wien

    Einjährig-Freiwilliger Militärdienst

    1914 - 1918 - Ostfront; Italien

    Kriegsdienst; Kriegsgefangenschaft

    1918 - 1921 - Wien

    Studium der Chemie

    Universität

    1921 - Wien

    Promotion (Dr. phil.)

    Universität

    1921 - 1921 - Berlin

    Universität

    1922 - 1926 - Berlin-Dahlem

    Mitarbeiter; seit 1925 Abteilungsleiter

    Kaiser-Wilhelm-Institut für Faserstoffchemie

    1927 - 1927 - Karlsruhe

    Habilitation; Privatdozent; außerplanmäßiger Professor

    TH

    1927 - 1933 - Ludwigshafen

    Leiter; seit 1929 Prokurist

    Abteilung für Polymerchemie im Zentrallabor der I. G. Farbenindustrie AG

    1932 - 1938 - Wien

    Professor für Chemie und Physikalische Chemie

    Universität

    1938 - Kanada

    Flucht

    1938 - 1940 - Hawkesbury (Ontario, Kanada)

    Forschungsleiter

    International Pulp and Paper Company

    1940

    US-amerikanischer Staatsbürger

    1940 - 1944 - New York City

    Adjunct Professor; seit 1942 Full Professor

    Polytechnic Institute Brooklyn der Universität

    1944 - 1964 - New York City

    Gründer; Direktor

    Institute of Polymer Research des Polytechnic Institute Brooklyn

    6. April 1992 - Austin (Texas, USA)

    alternativer text
    Hermann Mark, Österreichische Nationalbibliothek (InC)

    Nach der Matura am Theresianum in Wien absolvierte Mark seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger und leistete nach Beginn des Ersten Weltkriegs als Offizier, mehrfach verwundet und ausgezeichnet, Kriegsdienst. In den letzten Kriegsmonaten geriet er in italienische Gefangenschaft, in der er mehrere Sprachen erlernte und sich mit chemischen Studien befasste. Im Oktober 1919 floh er nach Wien und setzte das schon während eines Genesungsurlaubs begonnene Studium der Chemie an der Universität fort. 1921 wurde er hier bei Wilhelm Schlenk (1879–1943) mit einer Arbeit über die Synthese und die Eigenschaften des Pentaphenylethyl-Radikals zum Dr. phil. promoviert. Im selben Jahr ging Mark mit Schlenk an die Universität Berlin. 1922 wechselte er an das 1911 von Fritz Haber (1868–1934) gegründete Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie (KWI), an dem er seit 1925 die Abteilung für Faserstoffchemie leitete. Michael Polanyi (1891–1976) entwickelte am KWI seit 1920 die mathematischen Grundlagen für die Analyse der Streuung von Röntgenstrahlen an Fasern und entdeckte, dass die Röntgenstreuung von Cellulosefasern Hinweise auf Mikrokristallite ergab, die so ähnlich auch in Metalldrähten gefunden wurden. Mark untersuchte mit dieser Methode u. a. die Beschaffenheit von Graphit und zeigte, dass kovalent gebundene Moleküle Strukturen bilden, die über die Größe der kristallografischen Einheitszelle hinausreichen. Ferner führte er richtungweisende Studien zu den Bindungsverhältnissen im Diboran-Molekül (B2H6) durch und wurde zum Experten für die Röntgendiffraktometrie von Fasern.

    1926 traf Mark während der Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Düsseldorf Hermann Staudinger (1881–1965), der sich mit der Frage nach der Molekülgröße polymerer Substanzen beschäftigte und dessen These, wonach es sich bei Cellulose und Kautschuk um lange Ketten kovalent verbundener Einzelmoleküle (Makromoleküle) handle, von den meisten Chemikern skeptisch beurteilt wurde. Mark zeigte in seinem Vortrag „Röntgenographische Bestimmung der Struktur organischer, besonders hochmolekularer Substanzen“, dass die in diesen Substanzen wirksamen Gitterkräfte mit echten chemischen Bindungen vergleichbar seien und näherte sich Staudingers Position an. Mark und Staudinger behandelten das Problem der Struktur polymerer Substanzen aus unterschiedlichen Perspektiven: Während Mark aufgrund seiner physikochemischen Orientierung die Frage mittels kristallografischer Methoden zu klären suchte, erforschte Staudinger die chemischen Reaktionen anhand von ihm synthetisierter Modellpolymeren.

    1927 übernahm Mark die Leitung der Abteilung für Polymerchemie des Hauptlabors der I. G. Farbenindustrie AG und setzte hier seine röntgenspektroskopischen Untersuchungen der Cellulose fort. 1928 publizierte er mit Kurt Hans Meyer (1883–1952) den Aufsatz „Über den Bau des kristallisierten Anteils der Cellulose“; 1930 verfassten beide die Monografie „Der Aufbau der hochpolymeren organischen Naturstoffe“, in der u. a. die Cellulose, der Kautschuk, die Stärke und die Seidenfaser behandelt werden. Während Staudinger von der Existenz sehr langer Kettenmoleküle in Form starrer Stäbe ausging, vertraten Meyer und Mark die Ansicht, dass die Hochpolymeren aus Bündeln („Micellen“) kürzerer Ketten – eher flexiblen Spiralen – bestünden. Die unterschiedlichen Positionen führten zwischen 1928 und 1936 zu einem teils polemisch geführten Gelehrtenstreit, in dem Staudinger Meyer des Plagiats bezichtigte. Daneben forschte Mark zur Gasphasen-Elektronenbeugung zur Strukturbestimmung freier Moleküle im gasförmigen Zustand.

    1932 entließ die Führung der I. G. Farben Mark als „Halbjuden“. Mark nahm im selben Jahr einen Ruf als Professor für Chemie und Physikalische Chemie an der Universität Wien an und entwickelte ein Curriculum für einen Studiengang Polymerwissenschaft. Mit Eugene Guth (1905–1990) erarbeitete er eine statistische Theorie der Kautschukelastizität. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 verlor Mark seine Professur, wurde vorübergehend inhaftiert und floh mit seiner Familie über die Schweiz und England nach Kanada, wo er Forschungsdirektor der International Paper Company in Hawkesbury (Ontario) wurde. Er verbesserte hier die Herstellungsverfahren für Holzzellstoff, Celluloseacetat und modifizierter Cellulose (Viskose), wobei sich eine Verbindung zur Firma E I. du Pont de Nemours and Company (DuPont) ergab, für die er seit 1940 als Berater tätig war. Im selben Jahr wechselte er an das Polytechnic Institute of Brooklyn in New York City und wurde hier 1942 ordentlicher Professor. 1944 gründete er das Institute of Polymer Research, in dem er 1947 den ersten Studiengang für Polymerwissenschaft in den USA etablierte und dem er bis 1964 vorstand. Mark unterstützte bundesdeutsche und österreichische Kollegen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs international ausgegrenzt wurden, bei der Integration in die internationale Wissenschaftlergemeinschaft.

    1934 korrespondierendes Mitglied (seit 1935 wirkliches Mitglied, 1970 Ehrenmitglied)
    1953 Ehrenmitglied des Weizmann Institute of Science, Rehovot (Israel)
    1953 Dr. h. c., Universität Uppsala
    1954 Dr. rer. nat. h. c., Freie Universität Berlin
    1955 Dr. h. c., Universität Wien
    1955 Goldene Ehrenmedaille der Universität Wien
    1955 Ehrenmitglied der Universität Wien
    1965 ACS Award in Polymer Chemistry der American Chemical Society
    1972 Chemical Pioneer Award des American Institute of Chemists
    1975 Willard Gibbs Medal der American Chemical Society
    1975 Hermann F. Mark-Medaille des OFI (jährlich)
    1976 Ehrenmitglied der Plastics Hall of Fame
    1979 National Medal of Science
    1979/80 Dr. rer. nat. h. c., Universität Wien
    1980 Perkin Medal der Society of Chemical Industry
    1985 Großes Goldenes Ehrenzeichen mit Stern für Verdienste um die Republik Österreich
    2009 Hermann-Mark-Gasse, Wien-Favoriten

    Nachlass:

    nicht bekannt.

    Weitere Archivmaterialien:

    Archiv des Deutschen Museums, Nachlass Staudinger.

    Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien. (Personalakt)

    Wilhelm Schlenk/Hermann Mark, Über das freie Pentaphenyl-äthyl, in: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 55 (1922), S. 2285–2289.

    Hermann Mark/Erich Pohland, Über die Gitterstruktur des Äthans und Diborans, in: Zeitschrift für Kristallographie 62 (1925), S. 103–112.

    Leo Szilard/Hermann Mark, Die Polarisation von Röntgenstrahlen durch Reflexion, in: Zeitschrift für Physik 35 (1926), S. 743–747.

    Über die Ermittlung der Struktur organischer, besonders hochmolekularer Substanzen, in: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 59 (1926), S. 2982–3000.

    Hermann Mark/Kurt H. Meyer, Über den Bau des kristallisierten Anteils der Cellulose, in: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 61 (1928), S. 593–613.

    Hermann Mark/Kurt H. Meyer, Über den Kautschuk, in: ebd., S. 1939–1948.

    Hermann Mark/Georg von Susich, Über geregelte Mizellstrukturen von Kautschuk, in: Kolloid-Zeitschrift 46 (1928), S. 11–21.

    Kurt H. Meyer/Hermann F. Mark, Der Aufbau der hochmolekularen organischen Naturstoffe, 1930.

    Über den Aufbau der hochpolymeren Substanzen, in: Scientia 51 (1932), S. 405–421.

    Physik und Chemie der Cellulose, 1932.

    Kurt H. Meyer/Herman F. Mark, Hochpolymere Chemie, 2 Bde., 1940, engl. 1950.

    J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 6, 1938, S. 1650 f., Bd. 7a, 1959, S. 201–204 u. Bd. 8, 2003, S. 1854–1862. (A, W, L)

    Werner Kern/Herbert Morawetz, Herman F. Mark on his 80th Birthday, in: Die makromolekulare Chemie, Supplementbd. 1 (1975), S. 3–6. (P)

    Claus Priesner, H. Staudinger, H. Mark und K. H. Meyer. Thesen zur Größe und Struktur der Makromoleküle. Ursachen und Hintergründe eines akademischen Disputs, 1980. (P)

    Otto Vogl, Hermann Franz Mark, in: Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 143 (1992/93), S. 349–356. (P)

    Herbert Morawetz, H. F. Mark, in: Biographical Memoirs of the National Academy of Sciences, Washington 68 (1995), S. 194–208. (P)

    Ute Deichmann, Flüchten, Mitmachen, Vergessen. Chemiker und Biochemiker, 2001.

    Klaus Beneke, Hermann Franz Mark, 2005. (W, P)

    James J. Bohning, Art. „Mark, Herman F.“, in: Noretta Koertge (Hg.), New Dictionary of Scientific Biography, Bd. 23, 2008, S. 27–32

    Festschrift:

    Die makromolekulare Chemie, Supplementbd. 1 (1975).

    Fotografie, Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

  • Autor/in

    Claus Priesner (München)

  • Zitierweise

    Priesner, Claus, „Mark, Hermann“ in: NDB-online, veröffentlicht am 1.4.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118640925.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA